Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten. Angela Stöger
konnte ich sämtliche wissenschaftliche Walnamen auswendig, darunter Orcinus orca für den Schwertwal, Megaptera novaeangliae für den Buckelwal oder Physeter macrocephalus für den Pottwal.
Die lang gezogenen Laute der Buckelwale ergeben eine auch für menschliche Ohren faszinierende Melodie
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Als ich dann im Jahr 1996 zu studieren begann, war das Thema Lärm im Meer bereits sehr präsent. Das Bewusstsein für die Probleme stieg, die etwa der Schiffslärm verursacht, genauso wie Militärsonare, die Schall mit bis zu 230 Dezibel aussenden, Hochseefischen mit Dynamit, indem Fischschwärme durch Explosionen betäubt werden, oder Druckluftkanonen, um Erdölvorkommen im Meeresboden ausfindig zu machen. Wie beeinflusst dieser Schall die Säugetiere im Meer?
Wir wissen mittlerweile, dass das Gehör von Walen durch Lärm nachhaltig beschädigt werden kann. Im Gegensatz zu Fischen, bei denen sich die für die Wahrnehmung wichtigen Sinneszellen, die Haarzellen im Innenohr, wieder regenerieren und nachbilden können, ist das bei Säugern nicht möglich. Einmal abgestorbene Haarzellen können nicht mehr ersetzt werden. Der Lärm beeinträchtigt darüber hinaus die Orientierung der Meeresriesen und wird auch mit den zunehmenden Fällen von Walstrandungen in Verbindung gebracht.
Störlärm verbreitet sich unter Wasser extrem gut, denn die Schallübertragung im Meer ist schneller und weitreichender als an Land – je dichter das Medium, desto höher die Schallgeschwindigkeit. Als Studentin fand ich die Auswirkungen, die dieser Lärm auf das Leben und die Kommunikation der Wale im Meer hat, faszinierend und beängstigend zugleich. So beschloss ich, mich auf die Bioakustik zu konzentrieren.
Die Faszination der Lautproduktion jenseits der „Stimme“
Während des Studiums lernte ich die Kommunikation zahlreicher Tierarten kennen. Mir wurde bewusst, dass die Kreativität der Natur keine Grenzen kennt. Die ausgeklügelten Mechanismen und die Diversität, mit der im Tierreich kommuniziert wird, beeindruckten mich. Selbst bei den Insekten findet man hoch entwickelte Lautapparate.
Wohl kaum ein Geräusch prägt die Klangkulisse am Stadtrand im Frühling so sehr wie der – manchmal durchaus etwas penetrante – „Gesang“ der Feldgrille. Wie für Langfühlerschrecken typisch, reibt die männliche Feldgrille dabei ihre Vorderflügel aneinander, die spezialisierte Strukturen aufweisen. Die Schrillleiste des rechten Flügels streicht über die Schrillkante des linken Flügels, um das typische Zirpen zu produzieren. Diesen Vorgang nennt man Stridulation. Wobei die Feldgrille sogar über mehrere Gesangsformen verfügt: einen an die Weibchen gerichteten Lock- und Werbegesang und – wie könnte es unter Männchen anders sein – einen Rivalengesang. Hören kann die Grille übrigens mit den Füßen, denn ihre Hörorgane befinden sich an den Vorderbeinen.
Während der Paarungszeit knurren die Männchen des Zwerguramis, eines Knochenfisches, besonderes laut
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Der Knurrende Zwerggurami lebt im südostasiatischen Raum und überrascht durch ungewöhnliche Laute
Eine überraschend lautaktive Tiergruppe sind auch die Knochenfische, die ich besonders genau kennenlernen durfte, weil Professor Kratochvil, mein Doktorvater, darauf spezialisiert ist. Fische haben keine Stimmbänder, sondern produzieren Laute unter anderem mithilfe der Schwimmblase mittels sogenannter Trommelmuskeln, die sehr unterschiedlich aufgebaut sein können. Der aus Südostasien stammende Knurrende Gurami gibt zum Beispiel Laute von sich, die mithilfe von Muskulatur und Strahlen der Brustflossen samt den dazugehörigen Sehnen erzeugt werden. Besonders laut „knurren“ die Zwerggurami-Männchen während der Paarungszeit, wenn sie ihr Revier gegen Rivalen verteidigen.
Von der Heuschrecke bis zum Rothirsch oder dem Elefanten: Revierverteidigung, Abschreckung von Rivalen über Rufe, die zeigen, wie stark, fit und kampfbereit man selbst ist, sowie das Anlocken von Partnern findet man als akustisches Verhalten bei so gut wie allen Tiergruppen. Das mächtige Röhren eines dominanten Rothirsches in der Brunft oder das tiefe, pulsierende „Rumbeln“ eines sechs Tonnen schweren Elefantenbullen in der sogenannten „Musth“ – einem Zustand erhöhter Kampf- und Paarungsbereitschaft, der durch ein erhöhtes Testosteronlevel ähnlich der Brunft verursacht wird – beeindruckt Weibchen und warnt Rivalen. Bei Säugetieren gilt in der Regel: je tiefer die Stimme, desto attraktiver das Männchen. Das trifft auch auf Menschen zu: Forscher der Pennsylvania State University konnten nachweisen, dass auch Männer mit einer tiefen Stimme auf Frauen anziehend und auf andere Männer einschüchternd wirken.
Gehört werden – oder wie ein Lebewesen in seine Umwelt eingebettet ist
Die Größe eines Tieres, der hormonelle oder emotionale Zustand, all das beeinflusst die Eigenschaften der Stimme und den ausgestoßenen Laut – und beeinflusst damit auch den Empfänger. Um das Kommunikationssystem einer Tierart wirklich verstehen zu können, muss ich in meiner Forschung jeden einzelnen Aspekt berücksichtigen. Ich muss mich mit der Anatomie und Funktionsweise der schallproduzierenden Strukturen und Organe beschäftigen, mit allen internen Faktoren, die die Struktur des Lautes beeinflussen können, also das Alter und das Geschlecht des Tieres kennen, seinen hormonellen oder emotionalen Zustand beachten sowie auch gewisse kognitive Fähigkeiten, mit deren Hilfe das Tier die Lautstruktur modifizieren kann. Dank der Spektralanalyse, mit der sich dieses Spektrum von Frequenzen untersuchen lässt, kann ich dann herausfinden, welche Informationen über das Tier, über das lautgebende Individuum selbst in der akustischen Struktur des Lautes kodiert sind. Verlässt der Laut das Maul, den Schnabel oder den Mund, so wird er sofort durch die Umwelt verändert und mit zunehmender Entfernung abgeschwächt. Physikalische Mechanismen wie Schallreflexion oder Absorption wirken auf den Laut ein, atmosphärische und klimatische Bedingungen haben aber ebenso einen Einfluss wie der Lebensraum, das sogenannte Habitat, an sich. In der Savanne ist die Schallübertragung eine völlig andere als im dichten Regenwald.
Und was passiert dann, wenn der Laut mit all diesen Veränderungen von einem Artgenossen wahrgenommen wird? Die Antwort scheint simpel: Das Tier muss ihn hören, die Information verarbeiten und darauf reagieren. Kommunikation benötigt immer einen Sender und zumindest einen Empfänger. Es ist eine Interaktion zweier Lebewesen, und jedes beeinflusst das Verhalten des anderen. Aber wie wird der Empfänger reagieren? Es ist genau diese Reaktion, die ein ganz entscheidender Aspekt in der Kommunikation ist. Denn diese Reaktion wirkt als Feedback zurück auf den Sender. Ist ein Paarungsruf etwa besonders attraktiv und zeigt an, wie stark und groß das Männchen ist, wird das Weibchen sich eher dazu entschließen, sich anzunähern, als bei einem Paarungsruf, der gewisse Schwächen aufweist, salopp gesagt also weniger sexy ist. Die Lautproduktion ist nämlich sehr energieaufwendig. Wenn Männchen in der Paarungszeit oft und kontinuierlich Rufe produzieren, gelingt es nur den Stärksten, eine gewisse Lautstärke und Energie in der Stimme aufrechtzuerhalten. Evolutionär haben derartige Fähigkeiten einen gewaltigen Einfluss auf den Sender, in unserem Fall auf das Männchen, weil sich die Eigenschaften der erfolgreichen Individuen häufiger fortpflanzen als jene der unterlegenen.
Als Bioakustikerin sitze ich demnach nicht „nur“ mit meinem Mikrofon im Wald oder in der Savanne, am Tümpel oder vor einem Erdloch und warte mehr oder weniger geduldig darauf, dass ein Tier vokalisiert, sondern ich arbeite mit sehr diversen und vielfältigen Methoden – im Labor genauso