Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten. Angela Stöger

Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten - Angela Stöger


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gerade entspannt fressender Elefant einen interessanten Laut wahrgenommen hat, muss er innehalten und die Ohren leicht abspreizen. Nur unter Einbeziehung dieser Beobachtung kann ich bei Experimenten auch wirklich feststellen, ob die Tiere ein Geräusch wahrgenommen haben oder nicht. Erkenntnisse darüber, wie und was Tiere hören, in welchen Frequenzbereichen sie besonders sensibel sind, sind derzeit wichtiger denn je, wenn wir verstehen wollen, welcher Lärm welche Tiere stört. Denn wir Menschen verpesten die Umwelt mit Lärm. Er ist eines der universellen Umweltprobleme – an Land wie auch im Wasser.

       Grenzenloser Schall macht Stress

      Lärm hört nicht an der Grenze zu einem Nationalpark auf. Da helfen auch keine Schallschutzmauern. Durch sie wäre vielmehr die Grenzmobilität, auf die viele Tiere angewiesen sind, eingeschränkt. Manche Frequenzen des menschengemachten Lärms – vor allem die tiefen – haben eine riesige Reichweite, Verkehrslärm ist zum Beispiel sehr tieffrequent. Windparks zur Stromerzeugung produzieren auch Infraschall, jene Schallanteile des Frequenzspektrums, die für uns Menschen zu tief sind, dass wir sie hören. Welche Tiere diesen tieffrequenten Störlärm wahrnehmen und ob es ihre Leben beeinflusst, wissen wir noch nicht mit Sicherheit.

      Tiere gewöhnen sich natürlich an Lärm, genauso wie Menschen. Es sei denn, es handelt sich um eine Lautstärke, die schädigt oder stört, dann versuchen sie ihr Verhalten anzupassen oder wandern ab, wenn dies möglich ist. Aber selbst wenn „nur“ lärmende Menschen durch den Wald gehen, kann das sehr schädlich sein und Stress bei den Tieren erzeugen. Besonders im Winter, wenn die Tiere mit ihrem Energievorrat gut haushalten müssen oder in Winterruhe sind.

       Tembo spüren und die Technik

      Um solche Auswirkungen zu ermessen, hilft uns heute laufend weiterentwickeltes technisches Equipment. Die Mikrofone werden handlicher, die Computer leistungsfähiger. Wir arbeiten viel mit Elefanten, deren tiefste Frequenzanteile im Infraschallbereich unter zwanzig Hertz liegen, so tief, dass ich sie als Mensch nicht wahrnehmen kann. Diese Rumble-Laute haben aber auch Schallanteile im für uns Menschen hörbaren Bereich – man kann sie aber nur wahrnehmen, wenn man sich in unmittelbarer Nähe zum Elefanten befindet. Das liegt daran, dass diese höheren Frequenzen bei der Schallübertragung relativ schnell abgeschwächt werden. Stehe ich aber neben einem „rumbelnden“ Elefanten, kann ich sogar die tiefen Frequenzen wahrnehmen. Ich kann sie natürlich immer noch nicht hören, aber ich kann die Schwingungen mit meinem Körper fühlen.

      Diese besondere Erfahrung durfte ich 2014 in Südafrika machen, bei Elefanten, die in menschlicher Obhut gehalten werden. Unter diesen Elefanten befand sich Tembo, ein vierunddreißigjähriger Bulle, 3,4 Meter Schulterhöhe, etwa sechstausend Kilogramm schwer – ein mächtiges Tier. Tembo war ein sogenannter Problemelefant, er war häufig aus dem Nationalpark ausgebrochen und hatte Bauern belästig, weil er eine Vorliebe für Zuckerrüben und Orangen entwickelt hatte. Um ihn vor einem Abschuss zu bewahren, hatte man begonnen, ihn zu trainieren. Heute ist er ein Botschafter seiner Art, um auf die Probleme im Zusammenleben zwischen Wildtieren und Menschen aufmerksam zu machen.

      Zum Zeitpunkt meines damaligen Besuchs hatte ich mich schon einige Jahre mit Elefanten beschäftigt und war vor Ort, um Tonaufnahmen zu machen. Als ich mit Tembos Pfleger und meinem langjährigen Kollegen Anton Baotic am Gelände stand und wir das Projekt besprachen, beschloss Tembo, sich uns aus der Nähe anzusehen. Er kam auf uns zu, weil er seinen Pfleger erkannt hatte. Tembo blieb etwa einen Meter vor uns stehen – es war ein beeindruckendes Gefühl, diesem wunderschönen Elefanten so nahe zu sein, ohne Barriere zwischen uns. Der Pfleger tätschelte ihn zur Begrüßung am Bein und Tembo öffnete das Maul und antwortete mit einem mächtigen Rumble-Laut. Ich konnte den Laut spüren – ich konnte ihn auch hören, weil wir so nahe waren –, aber vor allem habe ich ihn gespürt. Berührt man einen Elefanten während der Lautäußerung, so spürt man die Vibrationen am ganzen Körper des Tieres. Der tiefe Schall geht durch seinen Körper und den eigenen hindurch.

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      Forschungsbesprechung im Nationalpark in Südafrika

      Es sind Erlebnisse wie diese, die meine Faszination für die Welt der Laute immer wieder erneuern, weil mir die Bioakustik auf einzigartige Weise aufzeigt, wie viel der menschlichen Wahrnehmung normalerweise entgeht.

       Wer nicht hören kann, muss hören wollen

      Wenn auch nicht unbedingt Auge in Auge mit einem tonnenschweren Elefantenbullen: Wir müssen uns immer wieder konkret vor Augen führen, dass unser menschliches Wahrnehmungsspektrum bei Weitem nicht alles abdeckt. Diese Vorstellung fällt uns manchmal schwer, wir vergessen im alltäglichen Leben darauf. Irgendwann werde ich mit einem Ultraschall-Mikrofon in meinen Hasenstall gehen, um herauszufinden, wie viele Mäuse da drinnen leben. Ab und zu sehe ich natürlich eine vorbeihuschen, aber ich höre sie nicht. Dabei werden diese Mäuse selbstverständlich miteinander kommunizieren, quietschen, vielleicht singen die Männchen sogar den Weibchen einen Werbegesang. Das alles bleibt mir aber verborgen, weil ich es, zumindest akustisch, nicht wahrnehmen kann.

      Einerseits bleiben uns Laute also aufgrund unserer Anatomie verborgen, aufgrund physikalischer Gegebenheiten, die unsere Wahrnehmung einschränken. Andererseits bleiben uns Laute verborgen – und nun sitzen wir wieder still im Wald und lauschen –, weil uns das Bewusstsein dafür fehlt oder weil wir ihnen keine Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir aber genau hinhören und uns bewusst sind, dass Kommunikation und Interaktion immer und überall stattfinden und dass dafür Intelligenz und Bewusstsein die Voraussetzung sind – können wir dann genau diese Eigenschaften vielen Tieren immer noch absprechen?

      Primaten warnen einander vor speziellen Feinden. Der Laut eines Schweines in Panik hat die gleichen akustischen Merkmale wie der eines panischen Menschen. Die Mutterkuh ruft verzweifelt nach ihrem Kalb, wenn sie getrennt werden, manchmal stundenlang. Ich glaube, je mehr Menschen besser über das Leben der Tiere Bescheid wissen, desto eher sind sie bereit zu erkennen, dass wir auf dieser Welt vielleicht doch nicht alles tun und lassen sollten, wie es uns passt.

      Unser Vermögen, die Tiere näher und umfassender zu verstehen, liegt also nicht nur an der Ausweitung unserer technischen Möglichkeiten, sondern auch an unserer Haltung ihnen gegenüber, an unserer Bereitschaft den Tieren zuzuhören. Wie uns dieses Zuhören gelingen und welche Welten es uns erschließen kann, darin tauchen wir in diesem Buch ein.

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