12 Jesse Trevellian FBI Thriller August 2021: Krimi Paket. A. F. Morland

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aber nicht, ob ich noch eine ganze Woche in der Stadt bleibe“, erwiderte Anselmo. Er sah sie an und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sie krampften sich so sehr zusammen, dass an den Knöcheln das Weiße hervortrat. Du musst es tun!, wisperte eine Stimme in seinem Innern. Jetzt. Sofort.

      „Nein!“, sagte er laut und die junge Frau runzelte die Stirn, weil sie nicht begriff, dass das etwa war, das er zu sich selbst sagte und nicht zu ihr.

      „Was meine Sie mit nein?“, fragte sie. „Sind Sie Raucher? Dann tut es mir leid. Unter diesen Umständen muss ich Sie bitten...“

      „Ich bin kein Raucher“, sagte Anselmo. Er schwitzte. „Und jetzt lassen Sie mich bitte einen Augenblick allein.“

      Sie sah ihn etwas verwundert an. Ihre Augenbrauen zogen sich in der Mitte zusammen.

      „Ist Ihnen nicht gut? Soll ich einen Arzt holen?“

      „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich möchte nur, dass Sie mich jetzt allein lassen.“

      Die junge Frau verließ das Zimmer. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Erinnerungen. Erinnerungen. Er war ein Kind. Und da saß diese große Frau mit den roten Haaren auf dem Sofa. Ihre Haare waren nicht wirklich rot. Sie färbte sie nur. Er hatte das schon mal gesehen, wie sie das machte. Aber sie konnte das nur, wenn sie nicht so viel getrunken hatte wie jetzt. Jetzt konnte sie nicht einmal aufstehen. “Du musst es tun!“, hörte er ihre Stimme. Diese Stimme, die ihn seit jener Zeit nie verlassen hatte und die immer diesen einen Satz sagte - manchmal so undeutlich, dass wohl niemand anders ihn verstanden hätte.

      „Nein!“, sagte Roy Anselmo laut in das Zimmer der heruntergekommenen Absteige hinein. „Nein!“

      Aber die Stimme aus der Vergangenheit war unerbittlich. Du musst es tun! Sonst halte ich es nicht aus! Bitte!

      Er erinnerte sich daran, den Rest an Dollars aus ihrem Portemonnaie geholt zu haben und losgegangen zu sein. Der Laden an der nächsten Ecke gehörte einem Bekannten, der es gewohnt war, dass er für eine Mutter etwas zu trinken holte, auch wenn das eigentlich nicht erlaubt war. Dann ging er mit den Flaschen zurück und brachte sie ihr. Sie trank und lallte und trank noch mehr. Und irgendwann war es dann Stille gewesen. Sie hatte sich nicht mehr bewegt und ihre Augen waren ganz starr gewesen.

      Er hatte nicht wegsehen können.

      Dieses Gesicht... Etwas war seitlich aus ihrem Mund herausgelaufen. Blut. Sie hatte so friedlich ausgesehen.

      Roy Anselmo blickte auf den Boden. Manchmal half das. Manchmal, wenn der Boden richtig war und Linien hatte.

      Dieser hatte Linien. Ein Muster. Anselmo erhob sich und folgte den Linien – so lange, bis er sie alle einmal betreten hatte. Dabei setzte er immer einen Fuß direkt vor den anderen.

      „Es ist alles in Ordnung“, murmelte er laut. „Alles...“

      Ein Ritual.

      Er wusste, dass es nicht immer half.

      27

      Nachdem die Kollegen des Erkennungsdienstes eintrafen, machten Milo und ich uns zusammen mit Josephson auf, um dem Barbesitzer MacConroy einen Besuch abzustatten. Wenn jemand etwas über Anselmo wusste, dann vielleicht er.

      Als wir an MacConroys Wohnungstür klingelten, öffnete uns mit einiger Verzögerung ein Mann von Ende vierzig, der auf Krücken lief. Er hatte den rechten Fuß in Gips. Wir zeigten ihm unsere Ausweise.

      „Kommen Sie herein, aber erwarten Sie keine Bewirtung oder so etwas. Ich kann Ihnen weder Kaffee ich sonst etwas anbieten und bin schon froh, dass ich es bis zur Tür geschafft habe.“

      „Was ist passiert?“, fragte ich.

      „Ich bin auf der Treppe ausgerutscht. Wie üblich war ich zu spät dran. Naja, ich verschone sie mit den Einzelheiten.“

      „Roy Anselmo hat heute gekündigt“, stellte ich fest.

      MacConroy nickte. „Ja. Da war gleich ein Schock am Morgen. Mein bester Barmixer sagt einfach, dass er geht! Ach, was heißt mein bester! Der einzige, der sein Handwerk einigermaßen versteht und dessen Drinks sich ein bisschen von dem üblichen Einerlei abheben und auch gut schmecken, wenn sie extravagant aussehen. Irgendetwas zusammengießen kann nämlich jeder, verstehen sie?“ Er seufzte. „Schade um ihn, aber er wollte sich nicht davon abhalten lassen. Und das, obwohl ich ihm eine kräftige Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt habe!“

      „Haben Sie eine Ahnung, wo er hin ist?“

      Er blickte auf. Seine recht buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. Dann schüttelte er energisch den Kopf. „Nein, Sir. Wirklich nicht. Bedauerlicherweise übrigens. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass es nicht so weit gekommen wäre, aber...“

      Er sprach nicht weiter. Sein Blick wirkte nach innen gekehrt.

      „Er hat nichts hinterlassen?“, fragte ich.

      „Nein. Was sollte ich tun? Er ist ein erwachsener Mann. Ich kann ihn ja nicht fesseln oder so!“ MacConroy lachte heiser.

      „Haben Sie ihn nicht gefragt, wohin es ihn zieht?“, hakte ich noch mal nach.

      Ein mattes Lächeln flog über sein Gesicht. Dann verzogen sich seine Züge. Irgendetwas an seinem Fuß schien ihm jetzt Schmerzen zu bereiten.

      „Doch, das habe ich.“

      „Und?“

      „Er ist ausgewichen. Ich habe mich erkundigt, ob er in der Gegend bleibt und wer ihm so ein gutes Angebot gemacht hat, dass er plötzlich abspringt... Aber dazu wollte er nichts sagen. War schon etwas merkwürdig, das Ganze. Er wirkte so bedrückt und auf eine seltsame Weise angespannt. So habe ich ihn ehrlich gesagt, noch nie erlebt. Warum fragen Sie das alles?“

      „Erzählen Sie uns alles, was Sie über ihn wissen“, ergänzte Milo. „Alles, was Ihnen einfällt, auch Dinge, von denen Sie vielleicht nicht denken, dass sie wichtig sein könnten...“

      MacConroy hob die Augenbrauen. „Der Mann hat auf jeden Fall eine bunte berufliche Vergangenheit und ist wohl ganz schön herumgekommen.“

      „Hat er erzählt, wo er schon überall gelebt hat?“

      „Des Moines in Ohio, Erie in Pennsylvania... Wir hatten mal Gäste aus Europa, denen er den Weg zu den Niagarafällen auf Französisch beschrieben hat. Aber ich glaube, er hatte nicht einmal einen College-Abschluss. Jedenfalls hat er das mal erwähnt.“

      „Er konnte Französisch?“, echote Milo.

      „In Kanada spricht man Französisch“, stellte ich fest. „Sie haben nicht zufällig ein Bild von ihm?“

      „Nein, er wollte nie fotografiert werden. Selbst für den Gastronomieführer des Staates New York nicht!“, berichtete MacConroy.

      Ich nickte. „Langsam verstehe ich auch, weshalb“, murmelte ich. „Besaß er ein Handy?“

      „Allerdings. Ich habe die Nummer. Soll ich Sie Ihnen aufschreiben?“

      „Unbedingt.“

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