12 Jesse Trevellian FBI Thriller August 2021: Krimi Paket. A. F. Morland
unsichtbaren Fäden gezogen.
Lopez verfolgte fasziniert ihre Bahn...
Eine blasse, sehr zierliche Männerhand griff nach einer der Kugeln, hob sie vom Filz auf, bevor sie ihren sicheren Weg ins Loch finden konnte.
"Mierde! Caramba!", schimpfte Lopez, blickte auf und erstarrte.
Er war so in sein Spiel vertieft gewesen, dass er den blassgesichtigen, hageren Mann im grauen Zweireiher gar nicht bemerkt hatte.
Das einzige was dem Gesicht dieses Mannes Konturen gab, war der dünne Oberlippenbart, der kaum mehr als ein dunkler Flaum war.
"Tag, Mister Lopez", sagte er so leise, dass es kaum durch die Hintergrundmusik drang.
"Sanders! Ich hatte nicht mit Ihnen gerechnet..."
"Ach nein?"
"Wissen Sie..."
"Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass Sie mir aus dem Weg gehen, Lopez!"
Lopez kratzte sich erneut an der Hand.
Seine Lederjacke hatte er dummerweise über einen Stuhl gehängt, um besser spielen zu können. In der Innentasche der Jacke befand sich ein zierlicher 22er, wenn es hart auf hart ging. Lopez legte den Ceue auf dem grünen Filz ab und zum Stuhl. Er zog die Jacke an. Mit der Waffe darin fühlte er sich einfach wohler.
Sanders traute er alles zu.
Sogar, dass er ihn in aller Öffentlichkeit über den Haufen schoss und dem Barmixer anschließend klarmachte, dass er sich besser blind stellte, wenn er nicht genau so enden wollte.
Angeblich hatte Sanders so etwas in anderen Fällen sogar schon getan.
Lopez hatte allerdings nie mit letzter Sicherheit herauskriegen können, ob es sich dabei um Gerüchte oder Tatsachen handelte. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.
"Komm, setzen wir uns, Lopez!", sagte Sanders.
Er sprach wie jemand, dem man nicht zu widersprechen wagte.
Sie gingen zu einem der kleinen, runden Tische.
"Hören Sie, Mister Sanders, es ist 'ne Menge passiert und ehrlich gesagt, ich möchte mich erstmal für 'ne Weile aus dem Geschäft zurückziehen!"
"Ach! Verdienen Sie zuviel Geld, Lopez?" Sanders verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln. "Immer dasselbe Problem. Aber jetzt hören Sie mir mal gut zu..." Sein Zeigefinger fuhr hoch wie die Klinge eines Butterflys. "Das ist kein Job, aus dem man einfach so aussteigt, wann es einem passt, kapiert?"
"Mister Sanders, ich..."
"Meine Kunden warten auf die Ware. Es geht um verdammt viel Geld, das sollten Sie inzwischen begriffen haben!"
"Es gibt Probleme. Ich denke, wir sollten 'ne Weile auf Tauchstation gehen..."
In Sanders' Gesicht zuckte ein Muskel unterhalb des rechten Auges. "Soll ich das vielleicht den Leuten sagen, denen es ein paar hunderttausend Dollar wert ist, wenn sie nicht erst auf eine Warteliste gesetzt werden, um eine neue Niere oder ein Herz zu bekommen?"
"Das FBI ist uns auf den Fersen. Den Tunnel King haben sie hops genommen, einen unserer Leute hat es erwischt. Er liegt schwer verletzt in einem Gefängnishospital."
"Ich dachte, Sie waren vorsichtig..."
"Das waren wir auch."
"Und was weiß dieser Tunnel-King über Sie?"
"Nichts."
"Kann er Sie beschreiben."
"Nein, er hat keinen von uns gesehen. Aber er weiß, wie das Geschäft läuft. Wir haben versucht, ihn auszuschalten, bevor er dem FBI in die Hände fallen konnte..."
"Warum hat das nicht geklappt?"
"Weil diese Hunde im letzten Moment den Einsatzplan geändert haben. Eigentlich sollten nur zwei Special Agents ihre verdeckten Ermittlungen weiterführen, aber dann haben die 'ne Riesenaktion daraus gemacht."
Sanders atmete tief durch. Er lehnte sich zurück.
Unter der linken Achsel beulte sich sein eng sitzendes Jackett verdächtig aus.
Eine Waffe!, dachte Lopez.
"Was weiß das FBI über euch?"
"Ich würde sagen, noch sind wir sicher. Es gibt keine Spuren, die zu uns hinführen könnten..."
"Na, also! Was stellen Sie sich dann so an!"
"Einige Leute, die ich kenne, sind von den G-men befragt worden."
"Ach!"
"Ich glaube nunmal nicht an Zufälle, Sanders. Und ich habe wenig Lust, eines Tages auf einer Liege festgeschnallt zu werden und eine Giftspritze injiziert zu bekommen..."
"Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Abmachungen einzuhalten", sagte Sanders. Er sprach leise. Trotzdem schwang eine unverhohlene Drohung in seinen Worten mit. "Wir hatten gedacht, mit Ihnen jemand gefunden zu haben, der gute Nerven hat. Das scheint nicht der Fall zu sein..."
"Hören Sie..."
"Sparen Sie sich Ihr Geschwätz, Lopez! Ich will, dass Sie liefern! Wenn das Material nicht fristgerecht eintrifft, werden Sie es bereuen..."
Er sagt Material, wenn er von menschlichen Körpern spricht, ging es Lopez durch den Kopf.
Lopez war ein hartgesottener Kerl, der keinerlei Skrupel hatte, jemanden umzubringen, wenn er ihm im Weg war.
Dennoch...
Die Art und Weise, wie Sanders darüber sprach, ließ ihn für einen Moment schaudern.
"Wir haben noch einiges im Depot", sagte Lopez. "Aber nicht immer das Richtige!"
20
"Das ist er", stellte Agent Max Carter aus der Fahndungsabteilung fest.
Wir saßen in dem Dienstzimmer, das Clive Caravaggio und Orry Medina sich teilten und starrten auf den Computerschirm.
Im Schnellverfahren waren wir noch einmal die Liste derjenigen durchgegangen, die im Zusammenhang mit der BIG DEAL-Schießerei vor zwei Jahren erkennungsdienstlich behandelt worden waren.
Wir suchten nach jemandem, mit dessen kleinen Finger an der rechten Hand etwas nicht stimmte.
Und jetzt hatten wir ihn.
Er hieß Craig Lopez und wohnte East Harlem, 123.Straße, Hausnummer 456.
"Was die Schießerei vor dem BIG DEAL angeht, hatte er damals ein Alibi", meinte Carter. "Mehrere Personen haben bezeugt, dass er zur selben Zeit in einer Bar in Newark war. Aber an der Richtigkeit dieser Aussagen gab es immer Zweifel."
"Sehen wir zu, dass wir ihn uns schnappen!", kommentierte Clive.
Wenige Minuten später brausten wir mit mehreren unauffälligen Fords und Chevys aus unserer Fahrbereitschaft Richtung Norden.
Der Wohnblock, in dem Craig Lopez wohnte, befand sich mitten in East Harlem, einem Stadtteil, in dem man groß werden konnte, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Hier lebten fast ausschließlich Puertoricaner und Einwanderer aus Lateinamerika.