12 Jesse Trevellian FBI Thriller August 2021: Krimi Paket. A. F. Morland
Audrey stellte sich dort hin, wo der hinterhältige Schlag ihr die Besinnung geraubt hatte.
»Sie hätten den Angreifer im spiegelnden Fenster sehen können«, stellte Milo fest.
»Ja, wenn ich zufällig da hingesehen hätte«, gab ihm Audrey Recht.
Wir verließen die Küche wieder.
»Als ich zu mir kam, war Laura nicht mehr da«, erzählte Audrey Zima weiter. »Ich habe sofort bei den Holdens angerufen...«
Ich nickte. »Sie haben mit Janis Holden gesprochen, das wissen wir schon.«
Audrey sah mich mit kummervollem Blick an. »Ich mache mir große Sorgen tun meine Freundin, Agent Trevellian.«
Ich erwähnte unser Gespräch mit Andrew Holden.
Audrey Zimas Miene verfinsterte sich sofort. »Es war Lauras größter Fehler, diesen Mann zu heiraten.«
»Sie können ihn offenbar nicht riechen«, sagte Milo.
»Er ist sich nur selbst wichtig«, sagte Audrey hart. »Niemand sonst zählt für ihn. Macht, Karriere, Geld - nur danach strebt er. Nichts anderes interessiert ihn.«
»Warum hat er der Politik den Rücken gekehrt, wenn er so sehr nach Macht strebt?«, fragte Milo.
»Zu viele Feinde haben ihm in letzter Zeit das Leben schwer gemacht«, antwortete Audrey. »Deshalb ist er vorübergehend aus der Politik ausgeschieden und hat dieses Skandalbuch geschrieben.«
»Mit dem er seinen Feindeskreis recht erfolgreich vergrößern konnte«, meinte Milo sarkastisch. Er sah Audrey an. »Sie glauben, er ist nur vorübergehend aus der Politik ausgeschieden?«
»Das war mit Sicherheit kein Abschied für immer«, erklärte Audrey Zima überzeugt. »Fürs Erste hat Andrew Holden mit seinem Rücktritt seinen vielen Feinden den Wind aus den Segeln genommen. Sie können ihm nichts mehr anhaben. Er ist weg, und während sie ihre Giftpfeile nun gegen andere richten, kann er in aller Ruhe sein Comeback vorbereiten. Für mich steht außer Zweifel, dass das so sicher kommt wie das Amen in der Kirche.«
»In der Zwischenzeit schrieb er seinen ersten Top-Seller«, meinte Milo.
Audrey nickte gallig. »In dem er an niemandem ein gutes Haar lässt. Selbst der Papst wäre nicht gut weggekommen, wenn Andrew Holden ihm in seinem Buch ein Kapitel gewidmet hätte.«
Ich sagte: »Ich habe ihn gefragt, wie weit er gehen würde, um die größtmögliche Publicity für sein Buch zu erzielen.«
»Und?«, fragte Audrey gespannt. »Was hat er geantwortet?«
»Was glauben Sie?«
Audrey kniff die Augen zusammen. »Andrew Holden würde dem Teufel seine Seele verkaufen, um Erfolg zu haben. Dieser Mann ist vom Ehrgeiz zerfressen.«
»Aber dass er seine eigene Frau kidnappen lassen würde, um die Verkaufszahlen seines Buches zu pushen, hat er entrüstet zurückgewiesen«, sagte ich.
»Ich traue es ihm dennoch zu«, erklärte Audrey hart.
»Was trauen Sie ihm sonst noch zu?«
»Alles«, antwortete Audrey feindselig. »Einfach alles. Andrew Holden ist kein guter Mensch.«
»Wie sehen Sie den Tod seiner Sekretärin?«, erkundigte ich mich. »Könnte er damit etwas zu tun haben?«
»Nicht direkt. Er war ja nicht hier, als sie vor die U-Bahn fiel.«
»Und indirekt?«, fragte ich.
»Ich denke, diese Frage habe ich bereits beantwortet, indem ich sagte, dass ich Andrew Holden einfach alles zutraue, Agent Trevellian. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Andrew Holden für seine Frau Lösegeld bezahlen wird.«
»Wieso nicht?«, fragte Milo.
»Weil sie ihm nichts bedeutet«, erklärte Audrey Zima überzeugt. »Sonst hätte er sie wohl kaum am laufenden Band betrogen.«
15
Sobald Nina »Whoopy« Charles das Haus des Dealers Hals über Kopf verlassen hatte, verschwand auch Bob Verbinskis Mörder.
Zwanzig Minuten später tauchte er in Mick Dereks Bar auf. Gore Gandolfini blickte sich um. Die Luft war so dick, dass man sie beinahe nicht einatmen konnte. An allen Tischen wurde hemmungslos geraucht. Einige nikotinsüchtige Gäste hätten ihre Zigaretten am liebsten gefressen.
Wenn ihr Idioten so weitermacht, dachte Gandolfini, der militante Nichtraucher, kann ich meinen Beruf demnächst an den Nagel hängen, weil keiner mehr übrig bleibt, den ich kaltmachen kann. Ihr bringt euch mit euren Glimmstängeln alle selbst um.
Er ging zum Tresen. Dahinter stand Mick Derek. Groß und aufgeschwemmt. Der Barbesitzer schaute den Profi-Killer fragend an.
Gandolfini nickte kaum merklich.
Derek atmete auf und entspannte sich.
Gandolfini grinste. »Kannst einen ausgeben, Kumpel. Nach getaner Arbeit knall ich mir gerne ein bisschen die Birne zu.«
Derek ließ sich nicht lumpen. Er stellte eine Flasche Johnnie Walker, Black Label, und ein Glas vor den Killer hin und sagte: »Dann erzähl mal.«
Gandolfini schenkte sich ein. Er machte das Glas randvoll, setzte es an die Lippen und leerte es auf einen Zug. »Verdammt guter Stoff«, stellte er fest und füllte sein Glas noch einmal so großzügig.
Derek wartete gespannt auf seinen Bericht.
»Er wollte mit dir telefonieren«, sagte Gandolfini.
»Wozu?«
Gandolfini hob die Schultern. »Er wollte sich im letzten Augenblick noch mit dir arrangieren, wollte seinen Fehler wieder gut machen und dir den Schaden ersetzen, den er dir zugefügt hat.«
Dereks Miene nahm einen verächtlichen Ausdruck an. »Und in ein paar Wochen hätte er mich von neuem betrogen.«
Gandolfini griente. »Dazu ist er nun mit Sicherheit nie mehr in der Lage.«
»Gute Arbeit, Gore«, lobte Mick Derek.
Gandolfini trank sein zweites Glas und füllte es ein drittes Mal. Derek sagte nichts. Er wusste, dass Gandolfini Unmengen vertrug.
Der Killer feixte. »Ab sofort hast du ein Problem weniger.«
Derek nickte. »Dank dir.«
Gandolfini zuckte mit den Achseln. »War ’ne leichte Übung.«
Er trank die halbe Flasche. Den Rest nahm er mit nach Hause.
Als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, strich ihm ein kühler Luftzug über den Nacken - und dann gingen für ihn sämtliche Lampen aus. Schneller, als er reagieren konnte...
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