Harzmagie. Jürgen H. Moch

Harzmagie - Jürgen H. Moch


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mussten sie lachen.

      »Du bist mir doch in Clausthal nachgelaufen«, fing die andere an.

      Elisabeth nickte. »Dir ist dieses Tattoo-Magazin aus der Tasche gefallen. Ich wollte es dir hinterherbringen, aber du warst so schnell verschwunden. Ich habe es aber noch, nur gerade nicht mit. Es liegt bei mir zu Hause. Entschuldige, wie heißt du überhaupt? Ich bin Elisabeth.«

      »Sabrina. Und ja, ich habe einen schnellen Fuß gemacht wegen Vinzenz und seinen Schlägern. Hab' Ärger mit denen gehabt.«

      Elisabeth erinnerte sich an die Jungs, die sie kurz vor dem Mädchen beobachtet hatte. »Oh ja, ich glaube, ich habe sie auch bemerkt. Die waren ziemlich groß und kräftig.«

      »Japp! Die nehmen sicher schon Steroide oder so etwas. Du scheinst ganz okay zu sein. Bock auf'n Eis? Hier ums Eck gibt es eine super Eisdiele.«

      Elisabeth, die sehr neugierig auf Sabrina wurde, nickte. Sie holten sich je zwei Kugeln in der Waffel, wobei Elisabeth sich an Fruchteis hielt. Sabrina nahm Rum-Krokant und Kaffee. In der Nähe setzten sie sich auf eine Bank.

      »Bist du ganz alleine in Goslar?«

      »Du doch auch.«

      »Nein, meine Mutter und meine Schwester sind beim Arzt und ich wollte nicht die ganze Zeit warten. Gibt es hier was anzusehen?«

      »Na ja, du bist neu, ganz offensichtlich. Da wären die Touristendinge, wie Marktplatz, Bäckergildehaus, Glockenspiel, Dukatenscheißer, Kaiserpfalz, die ist sehenswert, Zwinger mit coolen Folterinstrumenten, Kunsthandwerkermarkt und noch viel mehr. Aber ich finde das inzwischen langweilig. War schon überall. Du, sag mal, kann ich mein Magazin zurückhaben? Ich habe da ein Bild ausgesucht, dass ich mir stechen lassen will.«

      »Na klar. Ich glaube, das ist der Totenschädel mit den Vampirzähnen, oder? Du hast ihn eingekringelt. Erlaubt das deine Mutter denn?«

      »Richtig und nein, sie ist dagegen, aber mir ist das egal. Ich mache es trotzdem. Kenne da einen Laden, der nicht fragt, ob man schon achtzehn ist.«

      Sabrina blickte Elisabeth provozierend an. »Und was tust du so?«

      »Äh, nicht viel. Ich mag Natur und mache etwas Sport.«

      »Etwas? Du nimmst mich doch hoch. Du bist eine echte Sportskanone. Ich hatte viel Vorsprung und bin gerannt wie eine Verrückte und trotzdem hast du mich fast spielend eingeholt.«

      »Du hast mich beobachtet?«

      Ein etwas bedrückter Ausdruck legte sich auf Sabrinas Gesicht. »Weißt du, ich hatte mir zuerst gedacht, dass Vinzenz dich vielleicht angestiftet hat, um mich aufzustöbern. Bescheuert, ich weiß, aber ich habe vor denen echt ein bisschen Schiss. Hab' erst zu spät gemerkt, dass du mir nichts Böses wolltest.«

      »Gibt es in Clausthal wirklich so viel Ärger? Ich dachte, ich hätte das seit Hannover hinter mir.«

      »Du kommst aus Hannover? Geil, da gibt es voll viele Tattoo-Shops. Aber da kann ich nicht so einfach hin. Mama kauft mir immer nur die Harz-Card. Mit der komme ich nur im Harz überall hin. Wir haben nicht so viel Geld, weißt du. Wo wohnt ihr denn?«

      »Es heißt Neue Mühle und liegt im Innerstetal.«

      Sabrina starrte sie mit offenem Mund an. »In der Spukmühle? Megaabgefahren!«

      Nun war es an Elisabeth zurück zu starren: »Spukmühle?«

      »Na klar, da soll ganz früher mal irgendwo ein altes Kloster gestanden haben. Die toten Mönche sollen da heute noch rumgeistern. Völlig schräg. Ich muss dich unbedingt mal besuchen. Da soll vor ein paar Jahren mal eine Hexe gelebt haben, hat sich aber selbst erhängt. Vermutlich haben die Mönche da nachgeholfen, wenn du mich fragst.«

      Elisabeth prustete los. »Du machst Scherze! Aber komm gerne vorbei. Nur erzähl meiner Mutter nichts von der Geschichte. Sie bekommt bei Spukgeschichten immer Angst und verbietet mir dann wieder irgendwas.«

      Mitleid zeigte sich in Sabrinas Miene. »Scheint ja echt voll spießig zu sein, deine Ma. Meine ist ganz okay. Sie hat mir zu meinem sechzehnten Geburtstag sogar Alkohol erlaubt.« Abrupt brach sie ab, als wenn ihre Gedanken wegglitten. Sie schien mit sich zu ringen, während sie Elisabeth ganz genau musterte. »Auf welche Schule gehst du denn dann?«, wechselte sie das Thema.

      »Ich soll die zehnte Klasse des Gymnasiums in Clausthal besuchen.«

      »Cool, ich hoffe, du kommst in meine Klasse. Was ist dein Lieblingsfach?«

      »Oh!« Elisabeth schwieg betreten.

      »Na komm, irgendein Lieblingsfach hat doch jeder.«, drängelte Sabrina.

      »Na ja, ich mag Sport ganz gerne, aber das ist auch schon alles.« Fast schon entschuldigend lächelte Elisabeth Sabrina an.

      »Dann kannst du all das, was ich nicht kann.«

      Sabrina strahlte so, dass Elisabeth schließlich lachen musste. Der Satz klang für sie komisch, gar nicht nach Angeberei, obwohl es das vielleicht doch war. Aber so, wie Sabrina es formulierte, konnte Elisabeth gar nicht böse sein.

      »Weißt du, wenn du mir da helfen könntest, dann helfe ich dir in den anderen Fächern. Es gibt da etwas, weswegen ich unbedingt Sport treiben muss, aber der innere Schweinehund, du weißt schon.« Sie deutete auf ihre runden Hüften und den Bauchansatz.

      Elisabeth bekam große Augen und dann nickte sie. Sie hatte vielleicht eine Freundin gefunden.

      Die Mädchen machten sich auf und Sabrina führte Elisabeth überall herum, bis ihnen die Füße wehtaten. Es war herrlich, durch die schmalen Gassen zu gehen, wo die Häuser sich fast berührten, oder den Zwinger, einen alten Turm aus der Stadtmauer, zu sehen. Die Folterausstellung im Inneren sparten sie aber aus. Nicht dass sie es nicht gewollt hätten, aber irgendwann brummte Elisabeths Handy. Es war Klara, die inzwischen mit der Behandlung fertig war und ungeduldig auf ihre Schwester wartete. Also verabschiedeten sich Elisabeth und Sabrina, nicht aber, ohne vorher noch Handynummern zu tauschen.

      Die Ferien waren wie im Flug vergangen, so kam der Schulanfang einfach zu schnell. In der folgenden Woche Mittwoch sollte es losgehen, obwohl sie sich noch nicht ganz eingelebt hatten, weil sie einfach keine wirkliche Ruhe fanden. Wie so oft in letzter Zeit kamen die drei Wollner-Frauen aus Goslar zurück.

      Klara saß schmollend auf dem Rücksitz. Sie war es leid, ständig zum Arzt zu müssen. In Hannover hatte man ihre Knochenbrüche einfach ganz normal behandelt. Aber dieser neue Hausarzt ängstigte sie mit seiner Experimentierfreudigkeit und der übermäßigen Neugier, die er ihr schenkte. Sie fand Dr. Teufels schmierig und ekelig. Außerdem hatte er so unnatürlich kalte Hände, dass Klara jedes Mal zusammenzuckte, wenn er sie anfasste. Wenn ihre Mutter nicht ständig über ihr gewacht hätte, wäre sie schon längst schreiend aus der Praxis gelaufen. Heute hatte sie wieder mehrere Behandlungen über sich ergehen lassen müssen, aber am meisten störten sie die ewigen Spritzen. Dementsprechend war sie schlecht gelaunt, schweigsam und rieb sich die schmerzende Stelle, wo sie diesmal eine Vitaminspritze bekommen hatte. Elisabeth war wieder einmal mitgefahren und hatte sich die ganze Zeit in der Stadt herumtreiben können, was Klara schlichtweg unfair fand.

      Dunkle Bäume rauschten vorbei und mit jedem Schild, dass die Höhenmarkierung über dem Meeresspiegel angab, sank die Temperatur draußen weiter und weiter. Sie fröstelte und zog ihre Jacke bis zum Hals zu. Ihre Mutter fuhr heute auffallend aggressiv. Erst dachte Klara noch, dass sie sich ebenfalls über den dämlichen Arzt ärgerte, der heute wieder einmal sie für die schlechte körperliche Verfassung Klaras verantwortlich gemacht hatte. Doch dann hörte sie dem Gespräch auf den Vordersitzen genauer zu, denn da braute sich etwas ganz anderes zusammen.

      »Nun sag schon. Was hast du eigentlich die ganze Zeit in der Stadt gemacht, als Klara beim Arzt war?«, verlangte Emilia von Elisabeth zu wissen.

      »Ach,


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