"Ich schaffs!" in Aktion. Ben Furman


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Tuija Terävä zusammen, die Sonderschullehrerinnen am Keula-Kinderzentrum sind – einer Vorschule für 4- bis 6-jährige Kinder mit unterschiedlichen emotionalen und Verhaltensproblemen.

      Wir haben »Ich schaffs« ursprünglich als praktische Methode entwickelt, mit der man Probleme von Vorschulkindern konstruktiv angehen kann. Sie ist im Grunde genommen eine Sammlung nützlicher Ideen, die sich in der Arbeit mit Kindern und ihren Familien an der Keula-Schule bewährt haben. Nach und nach ist durch einen Prozess von Versuch und Irrtum das Konzept der 15 Schritte von »Ich schaffs« entstanden.

      Wir haben ein Arbeitsbuch für Kinder mit einer Doppelseite für jeden Schritt herausgebracht und zusätzlich ein weiteres Handbuch mit Anweisungen für die Lehrer. Außerdem ist ein Leitfaden für Eltern erschienen, der ihnen das Verständnis der Methode und die Zusammenarbeit mit den Lehrern erleichtern soll.

      Durch unsere Vorträge und Workshops über »Ich schaffs« hat sich die Methode allmählich im ganzen Land verbreitet. Leute, die in verschiedenen Teilen von Finnland mit Kindern arbeiten, aber auch Leute von auswärts besuchten die Keula-Schule, um sich zu informieren, wie »Ich schaffs« in der Praxis funktioniert. Nach und nach bekamen wir immer mehr Einladungen, bei unterschiedlichen Anlässen über unsere Methode zu referieren. Durch die positive Resonanz ermutigt richteten wir eine Website für »Ich schaffs« ein (www.kidsskills.org), die aktuelle Informationen bereitstellt und den Anwendern der Methode die Möglichkeit gibt, uns ihr Feedback zu übermitteln.

      Im Jahre 2003 haben wir ein Buch über »Ich schaffs« mit einer detaillierten Beschreibung der Schritte in finnischer Sprache publiziert. Das Buch ist inzwischen bereits in zehn Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Japanisch und Chinesisch. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel »Ich schaffs!« Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten (Furman 2005).

      Inzwischen ist »Ich schaffs« international verbreitet. Es gibt bereits eine Reihe von zertifizierten Organisationen rund um den Globus, die ein Trainingsprogramm für professionelle Helfer anbieten, mit dem man sich zu einem sogenannten »Ich schaffs«-Botschafter qualifizieren kann. Auf der Website finden Sie ein internationales Verzeichnis dieser Botschafter.

      Es gibt immer noch zu wenige Studien über »Ich schaffs«, und die Beweislage zur Wirksamkeit dieser Methode ist relativ mager. Aber zahlreiche Berichte von Leuten aus aller Welt zeigen uns, dass »Ich schaffs« erstaunlich gut funktioniert – zumindest, wenn es von Personen praktiziert wird, die sich der zugrunde liegenden Idee von Respekt und Zusammenarbeit verschrieben haben.

       Die Inspirationsquellen von »Ich schaffs«

      »Ich schaffs« ist durch zahlreiche Ideen beeinflusst worden, mit denen wir über die Jahre in Berührung gekommen sind. Es wäre unmöglich, eine vollständige Auflistung dieser unterschiedlichen Inspirationsquellen zu liefern, aber wir sollten zumindest Milton H. Erickson, Jay Haley, Insoo Kim Berg, Steve DeShazer, Michael White und David Epston erwähnen.

       Milton Erickson

      Milton H. Erickson (1901–1980) war ein legendärer amerikanischer Psychiater, der als Pionier der Kurzzeittherapie gilt. Er war ein kreativer Therapeut, der eine ungeheure Vielfalt an Techniken angewandt hat, um seinen Patienten zu helfen – darunter Hypnose, Hausaufgabenerteilung und das Erzählen von metaphorischen Geschichten. Erickson arbeitete sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern, und seine Berichte darüber, wie er Kindern bei unterschiedlichsten Problemen – z. B. Daumenlutschen, Bettnässen oder Phobien – geholfen hat, gehörten für uns zu den wichtigsten Inspirationsquellen. Der folgende von Sidney Rosen (2009) nacherzählte Fall vermittelt Ihnen einen Eindruck von Ericksons Kreativität und seiner Fähigkeit, sich mit Kindern zu verständigen.

      Die Eltern eines 6-jährigen Mädchens kamen in Ericksons Sprechstunde. Das Mädchen klaute in Geschäften, von ihren Eltern und von anderen Leuten und erfand dann Lügen, wie sie an die Dinge gekommen war. »Was kann man mit einer Ladendiebin und Lügnerin tun, die erst sechs Jahre alt ist?«, hatten die aufgebrachten Eltern gefragt.

      Nachdem Erickson mit den Eltern gesprochen hatte, entschloss er sich, dem Mädchen einen Brief zu schreiben. Dieser begann mit der Erklärung, dass das Mädchen eine Größerwerde-Fee für 6-Jährige habe und diese die Absenderin des Briefes sei. Alle Kinder, so der Brief, hätten Feen für das Größerwerden, auch wenn sie sie noch nie gesehen hätten. Nun folgte eine detaillierte Beschreibung, wie die Fee für das Größerwerden aussah, wie viele Augen, Ohren und Beine sie hatte, wie sie sich fortbewegte und wie sie alles, was das Mädchen tat, sehen und hören konnte. Nach dieser Einleitung erklärte die Größerwerde-Fee für 6-Jährige, dass sie das Mädchen genau beobachtet habe und beeindruckt sei, wie viele Fähigkeiten es sich bereits mit 6 Jahren angeeignet habe. Dann erläuterte sie, dass einige Fähigkeiten einfach zu erlernen seien, während das Aneignen anderer sehr schwierig sei.

      Laut Erickson war der Brief ein voller Erfolg. Die Eltern berichteten, dass das Mädchen aufgehört hatte zu stehlen. Bald danach bekam die Fee für das Größerwerden einen Brief von dem Mädchen mit einer Einladung zu ihrem 7. Geburtstag. Erickson schrieb dem Mädchen einen zweiten Brief und bedauerte, dass er nicht kommen könne, denn er sei ihre Größerwerde-Fee für 6-Jährige und nicht die für 7-Jährige.

      An dieser Geschichte finde ich besonders aufschlussreich, dass sich Erickson auf das Kind statt auf seine Eltern konzentrierte. Er schien nicht in den für Therapeuten üblichen Mustern zu denken und hatte offensichtlich nicht die Haltung, dass man erst die Eltern ändern müsse, um das Kind verändern zu können. Er nahm das Problem ganz wörtlich und konzentrierte sich scheinbar ausschließlich auf das Mädchen. Aber auch wenn der Eindruck entsteht, dass er sich nur mit dem Kind beschäftigte, hatte seine Vorgehensweise wahrscheinlich auch einen Einfluss auf die Eltern.

      »Ich schaffs« folgt einer ähnlichen Logik. Der Fokus liegt darauf, Kindern beim Überwinden ihrer Probleme zu helfen, aber die Art der Intervention hat auch Auswirkungen auf die Eltern und auf andere Beteiligte.

      Das Konzept, Fähigkeiten zu erlernen, ist ein zentraler Aspekt in Ericksons gesamter Arbeit. Im Kommentar zu diesem Fall schrieb Sidney Rosen: »Erickson vermeidet vor allem Verbote, Maßregeln und Worte wie ›Du solltest‹. Er betont wie immer den Wert des Lernens. Als Erzieher ist er nicht böse, sondern lehrt auf anregende Weise. In all seinen Geschichten ist Erickson zwar sehr bestimmt, bestraft aber nicht. Seine Absicht ist es, Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Gefühl für Willen und Autonomie zu entwickeln« (Rosen 2009, S. 284 f.).

      Der Einsatz der »Größerwerde-Fee für 6-Jährige« ist ein essenzielles Element in dieser Geschichte. Kinder lassen sich durch Fantasiegestalten bezaubern, und es macht ihnen Spaß, mit solchen Wesen zu kommunizieren. Die Idee von hilfreichen Wesen haben wir für das »Ich schaffs«-Programm übernommen, bei dem Kinder sich eine Kraft-Figur auswählen, die ihnen beim Erlernen der jeweiligen Fähigkeit helfen soll.

       Jay Haley

      Die Arbeit von Milton Erickson hat viele Pioniere aus dem Bereich der Kurzzeittherapie inspiriert. Einer von ihnen, der Familientherapeut Jay Haley (1923–2007), nannte seinen Ansatz strategische Therapie. Er konzentrierte sich auf die Kinder statt auf die Eltern, um signifikante Veränderungen in der Funktionalität der gesamten Familie herbeizuführen. Das folgende Beispiel für seinen Ansatz hat Haley in den frühen 1980er Jahren bei einem Familientherapie-Kongress in Tel Aviv vorgetragen.

      Eine Familie war zur Therapie geschickt worden, weil ihr 12-jähriger Sohn Michael sich zu einem echten Pyromanen entwickelt hatte, der bereits drei ernst zu nehmende Brände mit erheblichem materiellen Schaden verursacht hatte. Haley beobachtete hinter einer Spiegelwand, wie der Therapeut die Familie interviewte, supervidierte ihn von dort aus und kam zu dem Schluss, dass die Familienstruktur aus den Fugen geraten war.


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