Inklusive Sprachförderung in der Grundschule. Jörg Mußmann

Inklusive Sprachförderung in der Grundschule - Jörg Mußmann


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      Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches

      Die in diesem Buch aufgeführten Online-Materialien 1–6 finden Sie auf den Homepages des Ernst Reinhardt Verlages und der UTB GmbH bei der Darstellung dieses Titels (Download unter: www.reinhardt-verlag.de und www.utb.de).

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      Geleitwort

      Ein inklusives und chancengerechtes Bildungssystem, das alle Kinder wertschätzt, sie gleichzeitig aber dort abholt, wo sie stehen, und ihnen die nötige Unterstützung bietet, entspricht der Vision der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, wie sie sich im Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG 4) darstellt. Die Entwicklung der Sprache ist für Kinder im Primarstufenalter noch nicht abgeschlossen und für manche durch die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen und individuelle Voraussetzungen gehemmt. Auch wenn es zeitweise einen Trend gab, Kinder mit Störungen der Sprachentwicklung in eigenen Grundschulen zu separieren, so stellte sich doch sehr schnell die Frage, welche weiten Nachteile sie sich damit einhandeln. „Inklusive Sprachförderung in der Grundschule“ ist damit ein weithin akzeptiertes Aufgabengebiet regulärer Schulen und nicht eine Angelegenheit separierender Schulen, die Gefahr laufen, Schülerinnen und Schüler auszugrenzen.

      Inklusive Bildung ist kein Selbstläufer, sondern benötigt die fachliche Expertise von Lehrkräften, die Entwicklungsbedarfe erkennen und die nötigen Unterstützungen vorschlagen und einleiten. Indem dieser Titel in eine zweite Auflage geht, zeigt er, dass es ihm gelingt, das nötige Wissen an seine Empfängerinnen und Empfänger zu vermitteln. Dies sind nicht nur Studierende, die sich ein notwendiges vertieftes Basiswissen aneignen, sondern auch Lehrkräfte in den Schulen der Primarstufe, die Antworten suchen für die Hauptprobleme sprachlicher Entwicklungsförderung. Das können die Lehrkräfte der Grundschulen in Deutschland, der Volksschulen in Österreich und der Primarschulen in der Schweiz gleichermaßen sein.

      Der Aufbau des Buches spricht diejenigen Themen an, die als Basiswissen verfügbar sein sollten, wie Bedingungen des Spracherwerbs und dessen Störungen. Es gibt aber auch einen guten Überblick über Handlungsfelder in inklusiven Settings wie Beratung, Fallarbeit und Kooperation. Darüber hinaus gibt es viele konkrete didaktische Anregungen für den inklusiven Unterricht wie Medien, Lehrersprache und sprachspezifische Strategien. Das Buch bündelt relevantes Wissen für einen vermutlich noch länger andauernden strukturellen Wandel hin zu einer inklusiven Grundschule, in dem bestehendes fachliches Wissen erhalten bleibt und seinen Platz in neuen Strukturen sucht und finden wird.

      Wien, im Juni 2020,

      Univ. Prof. Dr. Gottfried Biewer

      Vorwort zur 2. Auflage

      Zum Zeitpunkt der ersten Auflage dieses Buches befand sich die so genannte Sprachheilpädagogik auf einem Höhepunkt der Diskussion zur schulischen Inklusion. Die anhaltenden pathologisierenden Perspektiven mancher medizinischen und sprachtherapeutischen Ansätze wurden zunehmend kritisch diskutiert. Bildungstheoretische Fragen nach den Folgen von Sprachbeeinträchtigungen für schulische Lern- und Entwicklungsprozesse rückten immer mehr in den Mittelpunkt. Im Diskurs der inklusiven Pädagogik wurden neue Handlungsfelder und Handlungsformen der Lehrkräfte beleuchtet, die sich in neuen Studiengängen auf den Unterricht mit Schülerinnen und Schülern mit entwicklungsbedingten oder erworbenen Sprach-, Sprech-, Stimm-, Rede- und Kommunikationsstörungen spezialisierten. Netzwerkbasierte Unterstützungsangebote, in denen Kooperation zwischen unterschiedlich fachdidaktisch und sonderpädagogisch spezialisierten Lehrkräften und deren Beratung im Mittelpunkt stehen, wurden entwickelt. Die Vermeidung von Barrieren und die Adaption der Lernangebote im Unterricht gehört nun auch zunehmend zu den Aufgaben der auf Sprachentwicklung und Sprachförderung spezialisierten Lehrkräfte. Die professionstheoretische Diskussion der Sprachheilpädagogik um das „doppelte Joch“ (Hansen 1929), also die Frage, wie Sprachtherapie und Unterricht verbunden werden können, die das Fachgebiet über 100 Jahre umtrieb, wurde leise und unbemerkt beendet. Man kehrte gleichermaßen an einen historischen Ausgangspunkt zurück, den Gründungsväter wie Hermann Gutzmann sen. (1904: „Die soziale Bedeutung der Sprachstörungen“) in Deutschland oder Emil Fröschels in Österreich vielleicht im Sinn hatten und der im Vorwort der ersten Auflage dieses Buches wie folgt zum Ausdruck gebracht worden ist: „Handlungsformen und Zielsetzungen der Sprachheilpädagogik bleiben auch im inklusiven System die, die sie immer waren: pädagogische“.

      Diese Entwicklung führte in der Praxis der Schulen, Bildungspolitik und Hochschulen zu Veränderungen von Bezeichnungen und Benennungen, die als Ausdruck eines veränderten professionellen Selbstverständnisses verstanden werden können. Das spezialisierte Lehr- und Forschungsgebiet bezeichnet sich an fast allen Studienstätten als Pädagogik bei Sprachbeeinträchtigungen, in Deutschland und Österreich als Teil einer inklusiven Pädagogik. Exklusive Berufsbezeichnungen wie „Sprachheillehrkraft“ gehören zumindest im schulverwaltungstechnischen Sprachgebrauch der Geschichte an. In Österreich kam der Start der reformierten Studiengänge im Wintersemester 2015/16 der finalen Etappe im Entwicklungsmodell der Inklusion nach Sander sehr nahe: dem Aufgehen sonderpädagogischer Fragestellung in einer allgemeinen Pädagogik. Studierende aller Lehramtsstudiengänge werden obligatorisch sensibilisiert für die kindliche Sprachentwicklung und für spezifische Fragen bei Sprachbeeinträchtigungen und deren Bedeutung für die inklusive Unterrichtsplanung, -durchführung und -evaluation in Kooperation und durch kollegiale Fallberatung mit Lehrkräften, die auf spezifische Unterstützungsangebote in diesen Bereichen spezialisiert werden.

      Der Stand der Hochschullehre und Forschung sowie die Entwicklung von Unterrichtsmethoden und -konzepten ist dafür in den vergangenen zehn Jahren erstaunlich vorangeschritten. Mittlerweile laufen sogar bereits Forschungsarbeiten zur Wissensgeschichte im Fachgebiet und dessen geschichtlicher Entwicklung im Diskurs der schulischen Inklusion. Die Zahl der Lehrbücher zur Sprachförderung im inklusiven Unterricht im deutschsprachigen Raum verliert allerdings zunehmend an Übersicht und Unterscheidbarkeit. Man kann mittlerweile fast von einer Sättigung sprechen, wodurch es auch diesem Buch schwerfällt, Inhalte anzubieten, die in Teilen nicht auch in nachfolgenden Publikationen zu finden sind. Den Studierenden der inklusiven Pädagogik, die einen Einblick in dieses Spezialisierungsgebiet gewinnen wollen, kann dies beruhigen, denn es zeigt sich, dass die Pädagogik bei Sprachbeeinträchtigungen sich erfolgreich dem Diskurs zur inklusiven Pädagogik anschließen konnte und mit einem breiten und etablierten Entwicklungsstand in allen Lehramtsstudiengängen ein brauchbares Angebot machen kann.

      Dieses Buch richtet sich daher an alle Lehramtsstudierende und Lehrkräfte für den Primarstufenbereich. Jenen, die sich zu inklusiv- und sonderpädagogischen Fragestellungen bei Sprachbeeinträchtigungen spezialisieren, zeigt es Möglichkeiten der Förderung, Beratung und Kooperation auf. Allen anderen bietet es Einblicke in dieses Spezialisierungsgebiet als Voraussetzung für kollegiale Beratungssituationen und den inklusiven Unterricht.

      Mitterstroheim/Österreich, im Juli 2020,

      Jörg Mußmann

      1 Spezifische Sprachförderung im inklusiven Unterricht

      Sprache ist Bildung

      Sprache ist das Medium der Bildung. Sprache und Bildung ermöglichen Teilhabe an der Gesellschaft (von Humboldt 1965). Die Teilhabe


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