POLARLICHTER. Manfred G. Valtu

POLARLICHTER - Manfred G. Valtu


Скачать книгу
die zu Lebzeiten zugefügt wurden. Das lässt darauf schließen, dass sie sich in einer Auseinandersetzung gewehrt hat, und zwar ziemlich heftig.“

      „Und nun?“

      „Sei doch nicht so ungeduldig! Ich bin ja noch nicht fertig.“

      Magnus hätte sie sofort in die Arme nehmen und ins Bett zerren können. Wenn sie mit belustigter Miene so tat, als wäre sie wütend, konnte er sich kaum zurückhalten.

      Was sie natürlich wusste und weidlich auskostete.

      „Wie gesagt hat sie bei dem Kampf einen dreifachen Rippenbruch erlitten. Ich stelle mir das Geschehen ungefähr so vor: Sie kämpft anfangs frontal, irgendwie gelingt es dem Gegner, sie zu Boden zu bringen. Er kniet auf ihr, wobei die Rippen eingedrückt werden. Anschließend oder gleichzeitig drückt er mit einer oder beiden Händen Mund und Nase zu. Der entstehende Sauerstoffmangel bewirkt einen Kreislaufzusammenbruch mit anschließendem Herzstillstand.“

      „Es kann also sein, dass der Täter sie gar nicht töten wollte?“

      „Das ist durchaus möglich. Wir wissen ja nicht, was der Auseinandersetzung voraus gegangen war. Der Täter oder die Täterin hat sich selbst vielleicht nur gewehrt.“

      „Wozu dann die mühsame Entsorgung der Leiche? Das spricht doch eher für ein Verschulden. Und meinst du nicht, dass das Tatbild eher für einen männlichen Täter spricht?“

      „Liegt zwar näher. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch eine gut trainierte Frau so handeln und beim Knien auf dem Brustbereich Rippenbrüche verursachen könnte. Allerdings lassen die Spuren am Handgelenk auf recht große Hände schließen, die für eine Frau sehr ungewöhnlich wären.“

      Magnus' Smartphone vibrierte. Mathisen war am Apparat. Er hörte eine Weile schweigend zu, bedankte sich dann mit einem „Bis morgen“ und beendete das einseitige Gespräch.

      „Mathisen hat eine erstaunliche Eigeninitiative entwickelt. Er hat ein schönes Foto von der Verblichenen gemacht und den Ort abgeklappert. Soweit er die Bewohner angetroffen hat, haben sie verneint, die Tote zu kennen.“

      „Und hat er auch im Fjord-Hotel und auf den Camping-Plätzen angefragt?“

      „Er hat an alle in Frage kommenden Unterkünfte das Foto gemailt. Antworten stehen noch aus.“

      „Mathisen macht sich“, murmelte sie. „Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“

      „Ich glaube, man muss seine vorlauten Eigenarten einfach ignorieren und ihn an der langen Leine lassen. Dann entwickelt er sich.“ Er beugte sich vor.

      „Und was machen wir jetzt? Bevor wir die Identität der Frau nicht geklärt haben ...“ Das erneute Vibrieren seines Smartphones unterbrach ihn. Krister Hamsun von der IT-Abteilung meldete sich. Wieder hörte Magnus zunächst schweigend zu. „Und da gibt es keinen Zweifel? … Ja, danke … Und wenn es neue Erkenntnisse gibt … Klar, war unnötig.“

      Alena sah ihn fragend an.

      „Diese Wanze ist ein Aufzeichnungsgerät. Der Inhalt ist dreifach verschlüsselt. Die beiden ersten Walls konnten Krister und seine Leute knacken. Sie kamen bis zu einem Logo. Es ist das Logo des Bundeskriminalamts Deutschland. Darunter befanden sich die Worte 'Streng geheim' und eine Nummer. Krister witzelte: 'Sowas wie 007'.“

      „Das wird kein Witz sein. Möglicherweise ist … war sie eine Agentin des BKA.“

      „Kann sein. Er hat schon an Hand dieser Nummer eine Anfrage beim BKA in Deutschland gestellt.“

      „Das gibt bestimmt Ärger mit unserer Regierung. Von wegen internationale Anfrage nur auf diplomatischer Ebene und so“, meinte Alena verschmitzt.

      „Den Ärger nehme ich gern auf mich, wenn es der Beschleunigung der Sache dient. Und jetzt? Was machen wir jetzt?“

      „Konzert ist zwar heute nirgends, aber ich habe Hunger! Und du wolltest mich ja zum Essen ausführen. Ich mache mich ein wenig frisch und du“ … sie sah ihn kritisch an … „ziehst dir was Anständiges an und führst mich ins Olden-Fjord-Hotel aus!“

      „Sehr wohl, Gnädigste. Reicht der Blazer oder soll ich mich in den Smoking werfen?“

      „Es wäre mir neu, dass du so etwas hast“, rief sie und verschwand im Bad.

      Magnus wusste, dass sie von dem einmal getroffenen Entschluss nicht abweichen würde. Deshalb widerstand er der Versuchung, ihr ins Bad zu folgen.

      Seufzend ging er zum Kleiderschrank und zog sich um.

      §§§§§§§§

      K A P I T E L 4

      Erst seit zwei Wochen war KKzA Röhling autorisiert, Auslandsanfragen zu Personalangelegenheiten des BKA entgegen zu nehmen und die damit verbundenen Entscheidungen vorzubereiten. Jede Anfrage, die nicht auf dem vorgesehenen diplomatischen Weg, nämlich über das Innen- oder Außenministerium erfolgte, war unverzüglich dem Leiter der Auslandsabteilung vorzulegen.

      Dementsprechend hatte Röhling die direkte Onlineanfrage der Polizei aus dem norwegischen Olden mit einem Vermerk versehen, beide Schriftstücke ausgedruckt und in einen Ordner mit dem Aufdruck „informelle Anfragen“ eingelegt. Anschließend hatte er das Vorzimmer des Leiters SO angerufen, kurz die Dringlichkeit geschildert und um einen nahen Termin gebeten. Zu seinem Erstaunen sollte er in fünfzehn Minuten erscheinen.

      Röhlings Puls ging etwas schneller als üblich. Zwar war er bei der Aufnahme in die Dienststelle auch dem Leiter SO vorgestellt worden. Dieser hatte ihn beim Handschlag kurz fixiert und sich gleich anschließend entfernt. Seither hatte er nur mit seinem Ausbilder und den Kollegen dieser Ebene Kontakt gehabt. Er nahm den Ordner und ging den Flur entlang zum Waschraum. Nachdem er sich erleichtert und Hände und Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen beziehungsweise gekühlt hatte, atmete er tief durch und begab sich anschließend zum Fahrstuhl.

      Die Tür zum Vorzimmer des Leiters SO stand offen. Frau Peters musterte den Besucher nur kurz. Dennoch fühlte sich Röhling unter ihrem Blick, als könnte sie in sein Innerstes sehen.

      „Gehen Sie gleich rein“, sagte sie mit einer weichen Stimme, aber betont energisch. Röhling klopfte kurz an und öffnete die Tür, ohne eine Reaktion abzuwarten.

      EKHK Wolfgang Singer erhob sich von seinem Chefsessel und begrüßte Röhling mit einem leichten Kopfnicken.

      „Nehmen Sie Platz. Was haben wir?“

      Röhling reichte den Ordner rüber, wartete, bis Singer, der dem Ordner zunächst keine Beachtung schenkte, Platz genommen hatte und setzte sich sodann auf den vor dem Schreibtisch stehenden Stuhl.

      „Eine informelle Anfrage eines Kollegen aus dem norwegischen Olden zur Identität einer dort aufgefundenen weiblichen Leiche.“

      „Informell, so so. Und was haben wir damit zu tun?“

      „Wenn die Übersetzung stimmt, so hatte die Frau in einem Ohrstecker einen unserer Aufzeichnungschips. Die IT-Abteilung der Kollegen dort ist bis zur letzten Barriere vorgedrungen und hat das Logo unseres Hauses und eine Nummer gefunden. Weiter kamen sie nicht.“

      „Haben uns also gehackt. Aber immerhin sind sie ehrlich. Haben Sie schon geprüft, was es mit der Nummer auf sich hat?“

      „Dazu habe ich noch nicht die Befugnis.“

      „Ach so, ja, Sie sind ja erst etwa zwei Wochen bei uns, nicht wahr? Dann lassen Sie mal sehen.“

      Singer schlug den Ordner auf und las den Wortlaut der Anfrage. Die vierstellige Nummer las er zweimal. „Verdammt“, entfuhr es ihm. „Stimmt die Nummer, kein Übertragungsfehler möglich, Zahlendreher oder so?“

      „Nein“, antwortete Röhling. „Wenn Sie das Blatt wenden, sehen Sie einen Ausdruck der Onlineseite des Aufzeichnungsgeräts. Die 7301 ist deutlich zu erkennen.“

      Singer stand auf und ging hinüber zu der


Скачать книгу