Die Legende von Ascardia. Morpheus
standen ein wenig abseits und hielten sich an den Händen.
Anthonius jedoch ließ sich nicht blicken.
Mit jeder Minute, die verstrich und er der Beerdigung fort blieb, schwoll die Wut in Cathrinas Brust weiter an.
Wie respektlos konnte sich ein Vater verhalten, der nicht einmal von seiner eigenen Tochter Abschied nahm?
Der Pfarrer sprach einige, für Cathrina hohl klingende Worte.
Er kannte Leelu kaum und mit Gerbodo hatte er sicher noch kein einziges Wort gewechselt. Was also konnte er schon sagen?
Seine Worte hatten keine Bedeutung.
Cathrina hatte genug, sie wollte nur noch weg von hier.
Sie hatte sich gerade einige Schritte entfernt, als sie den Blick des Pfarrers und auch ihrer Schwester spürte, die sie vorwurfsvoll anblickte.
Also drehte sie sich um.
Ihr Blick war entschlossen.
„Verzeiht mir, Euer Hochwürden, doch ich ertrage das nicht länger.“
Sie sah Mia an.
„Ihr habt meine Schwester kaum gekannt,“ wandte sie sich wieder an den Geistlichen. „Sie war... Verdammt! Leelu war... sie war einfach der ehrlichste Mensch, den es in dieser verkommenen Welt gibt! Sie stehen hier und erzählen von ihren guten Taten, die sie doch nur von ihren Schriftrollen kennen. Sie wissen nichts über sie! Gar nichts! Leelu war die Ruhe, die Gelassenheit, das Gleichgewicht in unserer Familie. Für Probleme, die unlösbar schienen, hatte Leelu stets ein offenes Ohr. Es gehörte zu ihren einzigartigen Fähigkeiten, Konflikte zu lösen, einfach nur, weil sie den Raum betrat. Sie war ein guter Mensch, genau wie Cailan oder Gerbodo, die sich niemals in ihrem Leben etwas zu Schulden kommen ließen!
Und ich frage Euch, und Euren Erbauer; Wieso! Wieso mussten sie sterben?!“ sie spuckte ihm diese Worte entgegen und auch wenn sie nicht sehr nah bei ihm stand, wich der Pfarrer vor ihrer Wut zurück.
„Es gibt nichts und niemanden, der das rechtfertigen kann. Und ich schwöre, hier und jetzt; Sie alle werden sterben, für das was sie den Menschen, die ich liebte angetan haben. Und ich bin gespannt, ob ihnen Ihr Erbauer dann gnädig sein wird. Denn ich werde es nicht sein!“
Wut und Enttäuschung
Bis Anthonius endlich nach Hause kam war es bereits schon spät am Abend.
Es hatte wieder angefangen zu schneien und dieses Mal schien er liegen bleiben zu wollen.
Cathrina gab ihm nicht viel Zeit.
Sie hörte ihren Vater leise die Treppe hinauf gehen, wie er sein Arbeitszimmer betrat und die Tür hinter sich schloss.
All das hätte sie wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, wenn sie sich nicht in der kleinen, dunklen Wandnische aufgehalten hätte.
Sie wartete schon seit Stunden auf ihn und mittlerweile zitterte sie vor Wut und konnte sie nur mühsam beherrschen.
Anthonius hatte sich sehr leise bewegt, als wolle er um jeden Preis verhindern, dass jemand mitbekam, dass er zu Hause war.
Und das konnte Cathrina sogar verstehen.
Sie wollte Antworten haben.
Hier und jetzt.
Sie machte sich nicht die Mühe anzuklopfen sondern stieß die Tür schwungvoll auf und sie knallte gegen die Wand dahinter.
„Was zum...?!“ Anthonius schreckte hoch und sah von seinen Papieren auf.
„Cathrina! Wie könnt Ihr es wagen?!“ rief er aufgebracht und betrachtete seine Tochter.
Sie hatte sich verändert. Das erkannte er sofort.
Dies war nicht mehr die junge Frau, die er mit einem einzigen Befehl oder ein paar Worten einschüchtern konnte.
Vor ihm stand eine Kriegerin. Und sie war gefährlich.
Dies ließen ihn nicht die beiden glänzenden Dolche, die in einem Gürtel um ihre Hüfte geschlungen waren, wissen. Es waren mehr ihre Augen, die ihn wütend und voller Trotz an funkelten.
Er musste auf der Hut sein.
„Wie könnt Ihr es wagen!“ zischte sie und es war keine Frage.
„Wir sind gestern hier angekommen! Dass Ihr Euch nicht einmal die Mühe macht uns nach unserer Rückkehr willkommen zu heißen, interessiert mich nicht, aber dass Ihr es noch nicht einmal für nötig befindet, bei der Beisetzung Eurer eigenen Tochter anwesend zu sein, dagegen sehr!“
Anthonius zog die Augenbrauen nach oben und lehnte sich zurück. Er ließ sich seine wachsende Besorgnis nicht anmerken.
„Ich weiß nicht, was Ihr Euch einbildet! Ich muss mich vor Euch sicherlich nicht rechtfertigen, Cathrina. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und war in dringlichen Angelegenheiten tätig und die kamen von seiner Majestät höchstpersönlich.“
„Das ist ja alles sehr interessant!“ ihr Ton war spöttisch. „Und Ihr glaubt nicht, dass seine Majestät Verständnis dafür gehabt hätte, wenn Ihr von Eurer ältesten Tochter Abschied genommen hättet?!“
Anthonius atmete genervt aus.
„Wir sprechen hier von seiner Majestät höchstpersönlich! Es gibt wichtigere Dinge, als die Beerdigung Eurer Schwester! Es ging um die Sicherheit ganz Ascardias! Aber Ihr seid nur eine einfache Soldatin und ich erwarte nicht, dass Ihr das versteht.“
Von all dem, was ihr Vater hätte antworten können, waren das die mit Abstand am schlechtesten gewählten Worte.
Das Anthonius sie beleidigte, interessierte Cathrina nicht, die Herabsetzung ihrer Schwester dagegen schon.
Anthonius konnte nicht so schnell reagieren, wie Cathrina bei ihm war.
Sie schlug ihre Hände auf den Schreibtisch und es kostete sie alles an Willenskraft diesen Mann nicht einfach am Kragen zu packen und über die Tischplatte zu ziehen.
Sie konnte die Unsicherheit in seinem Blick sehen, auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick war.
„Von all Euren Kindern war Leelu angeblich immer Euer ganzer Stolz...“
„Den hat sie verwirkt, als sie seine Majestät verraten hat!“
„Unsinn!“ stieß Cathrina hervor.
„Nein, Cathrina, das ist kein Unsinn. Leelu und Cailan haben sich den Rebellen angeschlossen. Wir erhielten einen geheimen Hinweis und wir gingen ihm nach. Ich selbst konnte... wollte nicht glauben, dass es die Wahrheit war, doch meine Hoffnung wurde enttäuscht.“
Anthonius stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Nachdenklich verschränkte er die Arme hinter dem Rücken.
„Wie Ihr sicher wisst, ist es sehr schwierig herauszufinden, wer wirklich zu den Rebellen gehört. Sie arbeiten sehr geschickt aus dem Verborgenen heraus. Sind schwer zu fassen da sie sehr vorsichtig sind. Diese kleine aber effektive Organisation existiert schon seit Jahrzehnten.“
„Und Ihr glaubt, dass sich Leelu und Cailan ihnen angeschlossen haben?“ fragte Cathrina.
„Nein, ich glaube es nicht... Nicht wirklich. Aber die Beweise waren zu belastend. Als wir ihr Haus durchsuchten stießen wir auf einen geheimen Raum. Er war über und über mit Plänen und Papieren voll gestopft. Pläne vom Schloss, vom Schlafgemach seiner Majestät. Mit Geheimgängen, und Zimmern die außer seiner Lordschaft nur seine engsten Vertrauten kennen.
Leelu und Cailan wurden vor fünf Tagen festgenommen. Ich versuchte alles um den Rat von ihrer Unschuld zu überzeugen, doch es hatte keinen Sinn, die Beweise sprachen ganz eindeutig gegen sie.“
„Was ist mit Gerbodo?“
„Bei ihm war es ganz ähnlich. Er war in den letzten Wochen sehr häufig bei