Liebesbriefe von Alice.. Alice Zumbé

Liebesbriefe von Alice. - Alice Zumbé


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an äußeren Umständen misst und die Liebe, die sich weder den Gesetzen von Raum, noch denen von Zeit unterwirft. Daran üben wir uns und jeder auf seine Weise. Das Leben ist Veränderung. Neue Menschen treten in unser Leben, Wege führen uns an andere Orte, mit neuen Aufgaben befüllen wir unsere Zeit. Was bleibt ist die Verbundenheit, die offenbart, dass man liebt. Bedingungslos. So fühle ich es, wenn ich an diese Freundschaft denke.

      Mein Weg führte mich heute noch an einen geschichtsträchtigen Ort voller Bücher. Ein Verlagshaus, das nach mehr als 100 Jahren bald seine Türen für immer verschließt und in dem mich eine Buchbestellung erwartete. Ein weiteres Werk von Jane Austen, das ich jedoch dieses Mal als Geschenk weiter reichen werde. Als ich es entgegennahm, mich abwendete und in Ruhe meinen Blick über die schon leeren Buchregale schweifen ließ, entdeckte ich einen Satz an der Wand, der mich neugierig werden ließ. Also wand ich mich noch einmal an die Dame hinter dem Tresen, die mir einen Flyer entgegenreichte, der mir das Geheimnis der Worte verraten würde. Sie lauteten: „Menschsein heißt lesen” und sind die Übersetzung aus dem griechischen ANTHROPOS ZOON LOGON ECHON – die älteste Definition des Menschen aus der griechischen Antike. Der Flyer offenbarte mir dann weitere Details, wie zum Beispiel, dass das Wort „lesen” „sammeln, zusammenlegen” bedeutet und dass die Gabe des Lesens, unter allen Wesen dieser Welt, nur dem Menschen zuteilwurde. Sie verschafft uns die Möglichkeit an dem Wissen anderer teilzunehmen, dem geschriebenen Wort, dem der Gedanke vorausging, der aus den Tiefen der menschlichen Seele entsprang. Dies verbindet uns unabhängig von den Gesetzen von Raum und Zeit und es verbindet meine Liebe zum Schreiben mit denen, die es lieben zu lesen.

      Auf der Rückseite des Flyers las ich noch ein paar Gedanken zu Lesen, Sprechen, Denken von Johann Gottfried Herder, einem Dichter, Philosophen und Theologen der im 18. Jahrhundert lebte und dessen Sicht mir gefällt, weshalb ich sie hier in ihrer gesamten Fassung zitiere:

       „Mehrmals war es mir fremd, dass wir Deutsche die Wichtigkeit dessen, was Sprache ist, so sehr zu verkennen scheinen. Sobald von Sprache die Rede ist, glaubt der große Haufe, dass man von ihr als ein Grammatiker spreche. Sie als Organ unserer Vernunft und gesellschaftlichen Tätigkeit, als das Werkzeug jeder Kultur und Unterweisung, als das Band der Geselligkeit und guten Sitten, als das echte Mobil zur Beförderung der Humanität zu betrachten, davon sind wir weit entfernt. Und doch lernen wir nur durch Sprache vernünftig zu denken, nur durch Sprache unsere Vernunft und Empfindungen anderen mitzuteilen. Sprache ist das Band der Seelen, das Werkzeug der Erziehung, das Medium unserer besten Vergnügungen. Sie verknüpft Eltern mit Kindern, den Lehrer mit seinen Schülern, Freunde, Bürger, Menschen. In allen diesen Fugen und Gelenken sie auszubilden, sie richtig anzuwenden – diese Aufgabe schließt viel in sich. Wer richtig, rein, angemessen, kraftvoll, herzlich sprechen kann und darf, der kann nicht anders, als wohl denken. Ist die Sprache eines Menschen, einer menschlichen Gesellschaft, schleppend, hart, verworren, kraftlos, unbestimmt: so ist´s gewiss auch der Geist dieser Menschen; denn sie denken ja nur in und mit der Sprache.”

      Damit enden heute meine geschriebenen Gedanken an Dich und ich verbleibe bis zum nächsten Mal. Eine kleine Geschichte, die ich heute miterlebte, die mein Herz erwärmte, schwebt mir schon durch den Kopf, doch übe Dich noch etwas in Geduld.

      In Liebe,

      Alice

      PS. Und vergiss nicht - Schmetterlinge muss man fliegen lassen.

       „Liebe ist etwas Machtvolles, doch der, der danach handelt, würde sie nie missbrauchen, weil er der Achtsamkeit, dem Respekt, dem Mitgefühl, der Höflichkeit und der Freundlichkeit folgt.”

      24. Februar 2016: Der Zugang zur Welt.

      „Lieber Freund,

      eigentlich sind es ja die unzähligen, kleinen Momente im Leben, die das sogenannte „große Glück” ausmachen und gerade bin ich hocherfreut, da unverhofft und kurz hintereinander eine Reihe solcher Augenblicke meinen Lebensweg kreuzten. Mit dem Fahrrad unterwegs kam es zu einer kurzen Straßenbegegnung mit einem jungen Mann, die uns für diesen Moment beide herzlich zum Lachen brachte. Im Café angekommen, hielt ich Ausschau nach einem freien Platz, den mir ein Herr an seinem Tisch anbot. Kaum als ich mich setzen wollte, erhob er sich und verabschiedete sich mit den Worten: „Schade, Sie hätten jetzt sicher eine angenehme Gesellschaft gehabt, wenn ich nicht gehen müsste.” Damit brachte er mich zum Lachen, denn ich erinnerte mich nicht daran ein so brillantes Kompliment an sich selbst, auf so charmante Art verpackt, jemals zuvor gehört zu haben. Der Herr selbst war nicht minder überrascht über seinen spontanen Ausspruch und entschwand mit einem Lachen und dem gegenseitigen Abschiedsgruß, der uns noch einen schönen Tag wünschte. Derweil gab mir der Herr hinter dem Tresen, der mich bereits erblickt hatte, mit Handzeichen zu verstehen, dass er meine Latte Macchiato schon in Arbeit hatte. Ich packte mein Buch und meinen Füllfederhalter auf den Tisch und dann richtete sich meine Aufmerksamkeit an das Gesprochene vom Tresen, das meine Ohren vernahmen. Der Herr überreichte gerade meinen Kaffee an die Kellnerin mit den Worten: „Hier ist die Bestellung mit Liebe für die Dame dort an dem Tisch.” Unbezahlbare Momente des Glücks, die in mir ein gutes Gefühl hervorriefen und die noch gekrönt wurden von einem netten Plausch mit zwei jungen Herren. Brüder, wie sie mir erzählten und um präzise zu sein, handelte es sich um 8 Jahre alte, zweieiige Zwillinge. Der eine berichtete, ausgestattet mit einer professionell aussehenden Kamera, dass er Fotograf werden möchte. Der andere beantwortete meine Frage nach seinem Berufswunsch mit: Lokomotivführer, doch auch er drückte gerne mal auf den Auslöser der Kamera.

      Rückblickend auf die vergangenen Tage reihten sich viele solcher überraschenden Glücksmomente aneinander und riefen mir abermals ins Bewusstsein, wie wichtig es ist den Dingen Raum und Zeit zu geben, Neues zu entdecken, achtsam für die kleinen Momente zu sein und sich schlicht dem Fluss des Lebens hinzugeben ohne einen Gedanken an die nahe oder entfernte Zukunft zu verschwenden. Stattdessen das Hier und Jetzt im Blick zu haben.

      Die letzte Woche begann in diesem Sinne für mich mit der Beobachtung einer Situation, die mich an dem Glücksmoment eines anderen Menschen teilhaben ließ. Ich schrieb gerade die letzten Zeilen zu Deinem Brief über „Bedingungslose Liebe – Teil 2“ an Dich, als ich auf Geschehnisse am Nebentisch aufmerksam wurde. Dort hatte kurz zuvor eine Dame, mit Kaffee und Zeitung bestückt, Platz genommen, um sich dem Lesen zu widmen. Plötzlich trat ein junger Mann an ihren Tisch, der rein äußerlich betrachtet wohl aus einem fernen Land stammte und reichte ihr einen Teller mit süßem Gebäck, begleitet von Worten in englischer Sprache, die wie folgt lauteten: „This is for you. A gift.” Die Dame zeigte sich sichtlich überrascht und etwas irritiert, wollte zunächst das Geschenk gar nicht annehmen. Doch der junge Mann bestand mit freundlichen Worten darauf und so bedankte sie sich für die süße Überraschung. Er verließ die Szenerie, setzte sich abgewendet an einen anderen Tisch, an dem er seinen Kaffee genoss, um ein paar Minuten später dann das Café zu verlassen. Die Dame wendete sich in der Zwischenzeit mit einem strahlenden Gesicht an mich, da sie bemerkte, dass ich all dem beigewohnt hatte und erklärte mir, dass sie an einer Schule als Deutsch-Lehrerin arbeitet. Dort begegnet sie tagtäglich so vielen Menschen, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, ob der junge Mann einer ihrer Schüler gewesen ist. Doch nahm sie an, dass es so sei und er so seinen Dank für ihre Hilfe in Form ihrer Tätigkeit ausdrücken wollte. Ihre Freude über das zuvor Geschehene, dieser glückliche Moment, an dem ich teilhaben durfte, übertrug sich derart auf mich, dass sich in mir ebenfalls ein heiteres Gefühl breit machte, das mein Gesicht zum Strahlen brachte.

      Wenige Stunden später trat auch an meinen Tisch unverhofft eine junge Dame, die ich bereits kannte. Meine Begegnungen mit ihr erfüllten mich immer mit Freude, da ich sie als einen sehr warmherzigen Menschen empfand und so strahlte ich weiter, als ich sie erblickte. Sie nahm für einen Moment Platz und auch wenn dieses Gespräch nicht ausschließlich von erfreulichen Themen begleitet war, änderte es nichts an dem Ausdruck von Liebe, den wir uns beide entgegenbrachten, indem wir einander zuhörten und unser Mitgefühl für die jüngsten Erlebnisse zeigten, die auch die Schattenseiten des Lebens mit sich gebracht hatten. Es führte erfreulicherweise sogar dazu, dass ich ihr zwei Tage später eine Freude in Form eines


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