Showdown Jerusalem. Hans J Muth

Showdown Jerusalem - Hans J Muth


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rief er Luigi zu, der beschäftigt hinter der Ausgabetheke des Verpflegungsbereichs hantierte. Lafette sah, wie er die Überreste des Mittagsmahls in Kühlboxen verstaute.

      Er wird sie morgen wieder aufwärmen, dachte er. Wie sonst will er mit dem geringen Lebensmittelvorrat, den man mühselig hierherschaffen musste, auskommen? Er wird sie am kommenden Tag mit frischen Lebensmitteln verarbeiten.

      Lafette beobachtete Luigi, der aus einer Flasche Wasser in ein Glas füllte und es schließlich zu ihm herüberbrachte.

      Sein Blick glitt an der Gestalt des Italieners hoch, als der ihm das Glas in die Hand drückte. Zanolla schwitzte und fuhr sich mit der flachen Hand über den runden Schädel.

      Seine Gesichtshaut war nicht braun, wie es Lafette von einem Italiener gewohnt war. Sie war rot, ja, nahezu dunkelrot. Nicht verbrannt von der Sonne. Einfach rot. Ohne Sonnenbrand. Die Arme hingegen, die aus dem weiten geblümten Hemd ragten, waren braun. Tiefbraun. Auf den Fingerrücken der fleischigen breiten Hände hatte sich ein dunkler Haarbewuchs gleichmäßig in eine Richtung gebildet und Lafette fragte sich, ob Zanolla ihn täglich mit einem Kamm durchforstete.

      Zanolla trottete davon, dem Schatten spendenden Zelt entgegen. Lafette nahm einen Schluck des kalten Wassers und fühlte das Rinnsal durch seine Kehle hinabfließen, fühlte, wie sich die Erfrischung in seinem Magen ausbreitete. Er nahm einen weiteren Schluck und noch einen. Genüsslich. Jedes Rinnsal, das er durch seine Kehle rinnen fühlte, gab ihm ein Stück Kraft in dieser sengenden Hitze zurück.

      Lafette hörte die Stimme des Professors hinter sich und erhob sich aus seiner bequemen Position.

      „Die Arbeiter sind dabei, einen Höhleneingang freizulegen“, sagte Rosenbaum und nahm seinen khakifarbenen Hut ab.

      „In diesem Felsen gibt es tatsächlich Höhlen. Der Wind hat den Sand weit in den Felsen hineingeblasen und schließlich die Öffnungen verschlossen. Setzen Sie sich! Wir haben es nicht eilig“, forderte der Professor Lafette auf. „George ist bei den Arbeitern. Er wird uns auf dem Laufenden halten. Einen Drink?“

      Rosenbaum hielt zwei kleine Flaschen in seiner linken Hand und reichte eine davon Lafette, der sie dankend entgegennahm.

      „Sie glauben immer noch an Fellachen-Dörfer … hier, unter dem roten Sand, zwischen den Felsen?“

      Lafette sah den Professor fragend von der Seite an und sein Blick hatte einen Hauch von Mitleid.

      Rosenbaum nickte, fast unmerklich. Dann zog er einen der Korbstühle neben den von Lafette und setzte sich mit einem Seufzer nieder. Er hob die Flasche mit einer auffordernden Geste in Richtung Lafette und beide nahmen einen Schluck.

      „Ja, ich glaube noch daran“, sagte er und Lafette meinte der Stimme ein leichtes Beben entnehmen zu können. „Was sollte ich noch hier, in dieser staubigen Hölle, wenn mich mein Glaube an den Erfolg verließe?“

      „Ihr Name“, hub Lafette an. „Ihr Name … „

      „Rosenbaum?“ Der Professor lächelte. „Glauben Sie, dass mich dieser Flecken Erde fesselt, weil ich Jude bin? Wollen Sie darauf hinaus? Oder wundern Sie sich, dass ein Deutscher einen solchen Namen trägt? Einen so untypisch deutschen Namen?“

      „Aber Sie leben in Deutschland?“

      „Sehen Sie … wie soll ich es ausdrücken? Ich bin Deutscher, ja. Aber dieses sogenannte Vaterland sehe ich nur allzu selten. Ich habe dort meinen Wohnsitz, meine Staatsangehörigkeit. Aber verlangen Sie nicht von mir, dass ich die Nationalhymne singe.“

      „Es klingt verbittert, wie Sie das sagen.“

      Lafette musterte den Professor und zum ersten Mal betrachtete er die Narbe an der linken Stirnseite, die sich vom Jochbein bis unter den Haaransatz ausbreitete. Es musste eine sehr tiefe Wunde gewesen sein, die sich Rosenbaum dort irgendwann einmal zugezogen hatte.

      Ein Verkehrsunfall vielleicht, dachte Lafette. Oder ein Überfall dieser … Räuberbanden, denen George Dumont und ich fast in die Hände gefallen wären.

      Der Professor spürte den Blick Lafettes auf seinem Gesicht und strich unwillkürlich mit der Hand durch sein Haar.

      „Auch das ist ein Andenken an das Land, dessen rechtschaffener Bürger ich immer war. Rechtschaffen wie meine Eltern, deren einziger Makel daraus bestand, nicht in die grundlegenden Elemente der nationalsozialistischen Weltanschauung zu passen. Denn wir Juden strebten ja als fremdartige und minderwertige Rasse die Weltherrschaft an.“

      Es klang sarkastisch und traurig zugleich. Der Professor verstummte, wische sich mit der Linken die Haare zurück und setze seinen Hut wieder auf. Er wendete seinen Kopf aus der Blickrichtung Lafettes und schaute über die sonnenreflektierende Ebene, dort wo sich seiner Meinung nach vor langen Zeiten Wasserstellen befanden. Dort, wo er glaubte, dass sich vor langer Zeit die Fellachen niedergelassen hatten.

      „Diese Hitze ist manchmal unerträglich“, sagte er, nur um etwas zu sagen, um von dem Thema abzuschweifen, das er eigentlich nicht hatte anschneiden wollen.

      „Was ist mit Ihren Eltern geschehen?“

      Lafette ahnte die Antwort bereits.

      „Sie starben 1944“, antwortete Rosenbaum knapp.

      „Im Konzentrationslager?“

      „Was wissen Sie denn schon von Konzentrationslagern, Monsieur Lafette? Sie als Franzose …“

      „Ich als Franzose war zu dieser Zeit noch nicht geboren, das stimmt. Aber glauben Sie, unser Land würde sich nicht auch zur Zeit meiner Generationen und auch davor und danach mit dem beschäftigen, was damals geschah?“

      „Dennoch werden Sie von den Geschehnissen nie die Spur einer Ahnung haben.“

      Rosenbaum hielt kurz inne. „Aber was rede ich? Es tut mir leid, Monsieur.“

      „Sie waren damals zu jung ...“

      „Zu jung, um im KZ zu verfaulen?“ Der Professor lachte kurz auf, doch es war kein Lachen. Es war eine verbitterte Geste.

      „Niemand von uns war zu jung dafür. Der gewaltsame Tod machte vor keinem Alter halt.“

      „Verzeihen Sie, Herr Professor, ich möchte nicht …“

      „Nein, es ist schon gut. Verzeihen Sie einem alten Mann, dem schon wenige Sätze genügen, ihn wieder mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren.“

      Rosenbaum erhob sich von seinem Stuhl und ging ein paar Schritte. Lafette sah ihm nach und plötzlich kam ihm dieser Mann zerbrechlich vor, wie er mit dem Rücken zu ihm stand, leicht nach vorne übergebeugt. Ein alter Mann, der die Bürde seiner Vergangenheit nicht abwerfen konnte.

      Schließlich drehte Rosenbaum sich um, nahm seinen Hut ab, schlug aus ihm imaginären Sand auf seinem Oberschenkel aus und setzte ihn wieder auf.

      Die Sonne brannte.

      Es ist zu heiß hier draußen. Wir sollten das Zelt aufsuchen, dachte Lafette. Doch etwas hielt ihn zurück, ließ ihn die brennende Sonne aushalten. Der Jude Rosenbaum fesselte ihn. Es war wie ein Bann. Etwas in ihm wollte seine ganze Geschichte erfahren. Doch der Professor musste bereit sein, sich preiszugeben. Noch war er es nicht, das spürte Lafette.

      „Meine Eltern hat man im Konzentrationslager umgebracht“, hörte Lafette den Professor sagen. „Sie hatten große Schuld auf sich geladen. Sie waren Juden. So wie ich Jude bin. Doch ich habe überlebt. Obwohl ich eigentlich tot sein sollte.“

      Rosenbaum setzte sich wieder neben Lafette.

      „Man hat Sie also doch ins KZ gebracht?“

      „Nein, nein, das wäre mein sicherer Tod gewesen. Nein, es war anders.“ Der Professor erhob sich. Sein Gesicht hatte sich verfinstert. Seine Miene schien wie eingefroren.

      „Ich möchte Sie nicht mit meiner Lebensgeschichte belasten, Monsieur Lafette. Kommen Sie, sehen wir nach, wie weit George mit seiner Gruppe ist!“

      Kaum hatten Lafette


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