Showdown Jerusalem. Hans J Muth

Showdown Jerusalem - Hans J Muth


Скачать книгу
dieser Zeit gewechselt worden. Jeder der vier Wissenschaftler versuchte konzentriert, keinen der Briefe zu beschädigen. Doch ab und zu verweilten sie über einem der Exemplare, um dem verblassten Text, der sich ihnen offenbarte, einen Inhalt zu entlocken.

      „Aramäisch“, sagte der Professor plötzlich. „Sie sind in Aramäisch verfasst“.

      „In der Sprache, in der Jesus Christus sich verständigte?“

      Lafette sah den Professor erstaunt und erschrocken zugleich an.

      „Jesus hat als Muttersprache sehr wahrscheinlich Aramäisch gesprochen, denn sie war zu jener Zeit Umgangssprache in Palästina“, antwortete Rosenbaum und beugte sich näher an eine der Schriften heran. „Aramäisch blieb bis zum Ende des 7. Jahrhunderts im Orient dominant. Erst als das Arabische populärer wurde, verdrängte es das Aramäisch nach und nach.“

      „Heißt das, die Schriften könnten aus der Zeit um Christus stammen?“

      „Möglich wäre das. Aber auch die anschließenden Jahrhunderte sind möglich. Wir werden die Expertisen abwarten müssen.“

      Rosenbaum drehte sich zu seinen Kollegen um. „Ich schlage vor, wir machen Fotoaufnahmen von jedem einzelnen Blatt. Dann können wir den Inhalt in Ruhe digital auswerten.“

      „Ich werde das übernehmen, wenn es Ihnen recht ist.“ Es war die Stimme Luigi Zanollas, der sich zum wiederholten Mal mit seinem Taschentuch über die schweißnasse Stirn fuhr.

      Rosenbaum nickte und Zanolla traf seine Vorkehrungen für die Aufnahmen. Der Blick des Professors war weiterhin auf die Pergamente gerichtet. Nicht alles, aber ein Großteil von dem, was dort geschrieben stand, konnte er entziffern und deuten.

      „Es scheint sich um Briefe zu handeln“, sagte er vor sich hin, was Lafette und Dumont veranlasste, näherzutreten und sich über die Schriften zu beugen, obwohl sie nicht in der Lage waren, auch nur ein Wort zu entziffern.

      Auch Rosenbaum tat sich schwer, denn der Schreiber war offensichtlich kein Gelehrter gewesen. Ein einfacher Mann, dachte Rosenbaum. Des Schreibens kundig, wenn auch nur im Mittelmaß, aber immerhin.

      Rosenbaum suchte nach einem Absender, einem Namen, den der Schreiber auf dem Pergament hinterlassen hatte.

      Dann wurde er fündig. Unter einem der Texte, der in der Mitte eines der Blätter endete stand in der Ungelenkigkeit des ganzen Textes geschrieben: „Der Herr mit uns. Joshua.“

      Also kein Apostelbrief, dachte Rosenbaum. Joshua ist kein Apostelname. Es wäre auch zu schön gewesen.

      „Was hier vor uns liegt, scheint eine übliche Kommunikation zwischen Bekannten oder Verwandten zu sein“, wandte sich der Professor zu seinen Kollegen, denen die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand.

      Zanolla hatte inzwischen seine Fotokamera auf ein Stativ geschraubt und sie über dem ersten Pergament in Stellung gebracht.

      „Was ist mit dem Inhalt? Was steht in den … Briefen?“, fragte George Dumont und näherte sich den Schriften, als hoffe er auf die plötzliche Gabe, sie identifizieren zu können.

      Wortlos beugte sich Rosenbaum erneut über die Schriften und entzifferte die erste Seite der ausgebreiteten Blätter Wort für Wort.

      „So wie es scheint, hatte sich ein Bruder dieses Joshua hier in Ägypten niedergelassen“, erläuterte er nach einiger Zeit des Studiums. „Joshua grüßt ihn von seiner Familie aus Jerusalem und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, ihn in absehbarer Zeit wiederzusehen.“

      „Jerusalem?“, wunderte sich Dumont. „Wie kommt eine solche Trennung zustande?“

      „Es war nicht unüblich, dass sich Menschen aus dem so genannten geloben Land aus den unterschiedlichsten Gründen in Ägypten niederließen“, murmelte Rosenbaum, während sein Blick weiter über die Briefe streifte. „Auch von Apostel Markus sagt die Überlieferung, dass er bis zu seinem Tod in Ägypten gelebt hat.“

      „Dann ist dieser Fund nichts Besonderes?“, ließ sich Lafette vernehmen, der Zanolla bei seinen verzweifelten Anstrengungen, Licht und Bildausschnitt zu vereinigen, beobachtete.

      „Das ist nicht wahr! Das glaube ich jetzt nicht“, stöhnte Rosenbaum plötzlich und wischte Lafettes Frage „Habe ich was Falsches gesagt?“ mit einer schroffen Handbewegung weg.

      Der Professor hatte sich derart weit über einen der Briefe gebeugt, dass seine Nase fast gegen das Pergament stieß.

      „Meine Herren, es ist unglaublich! Unfassbar, was uns diese Schriften offenbaren!“ Rosenbaum streckte seinen Oberkörper aus der unbequemen Haltung und tastete suchend nach einer Sitzgelegenheit hinter sich. Lafette schnappte sich einen der Holzstühle und der Professor ließ sich darauf nieder. Sein Atem ging schwer.

      „Meine Herren …“, wiederholte er nach einer kurzen Zeit des Schweigens, die für seine Partner zur Ewigkeit zu werden schienen.

      „Fellachen?“

      Es war Zanolla, der ob des ungewohnten Gefühlsausbruchs des Professors in seiner Tätigkeit erstarrte.

      Ein strafender Blick traf ihn, ehe der Professor antwortete.

      „Vergessen Sie die Fellachen. Was man uns hier offeriert …“

      Lafette hielt dem Professor eine Trinkflasche hin, die der gierig an den Mund setzte und einige kräftige Schlucke nahm.

      „Ein Apostelbrief?“, fragte Dumont vorsichtig, fast flüsternd, so als fürchtete er, den Professor mit seiner Frage körperlich zu misshandeln.

      Rosenbaum schüttelte den Kopf.

      „Kein Apostel. Ein einfacher Mann des alten Jerusalems. Aber was er uns zu sagen hat … es ist unglaublich!“

      Rosenbaum nahm noch einen Schluck aus der in helles Fell eingefassten Blechflasche. Als er sie absetzte, war es so still in dem Zelt, dass ein krabbelnder Skorpion nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte, unentdeckt zu bleiben.

      „Was hier vor uns liegt, meine Herren, revolutioniert einen Teil des christlichen Glaubens, wenn man diesen Aussagen Glauben schenken kann.“

      „Spannen Sie uns nicht auf die Folter, Professor. Was ist es, was dort geschrieben steht?“, wagte Lafette einen Vorstoß, bereit den Unwillen seines Chefs auf sich zu ziehen.

      „Nehmen Sie Platz, meine Herren! Es wird Sie aus den Schuhen hauen.“

      „Dieser Joshua bezeichnet sich in diesem Brief, der an seinen Bruder Jonah gerichtet ist, als einen Diener seines Herrn. Damit ist offensichtlich Jesus Christus gemeint“, begann Professor Rosenbaum mit der Erläuterung der Schriften.

      „Joshua spricht davon, dass er gerne dem Herrn gefolgt wäre, doch Weib und Kind habe er nicht im Stich lassen können. Den Leidensweg Christi habe er jedoch bis zum Ende aus der Nähe erlebt. Er sei bei der Urteilsverkündung anwesend gewesen und habe dem Kreuzweg beigewohnt. Auch die Kreuzigung habe er aus einer geringen Distanz, wie er sich ausdrückt, miterlebt.

      „Ein geheimer Apostel, mon Dieu“, flüsterte Dumont in die erwartungsvolle Stille.

      „So könnte man ihn bezeichnen“, nickte der Professor und fuhr fort. „Die Schriften haben teilweise derart gelitten, dass nicht mehr alle Textzeilen zu entziffern sind. Doch sie scheinen irrelevant im Gegensatz zu den lesbaren Passagen.“

      Der Professor sah in die Runde. Zanolla wischte sich wieder einmal den Schweiß von der Stirn. Die fotografischen Werkzeuge hatte er neben sich auf dem Boden abgelegt.

      Lafette sah Rosenbaum mit ernster Miene an, erwartungsvoll, gespannt auf das, was der Professor weiter offenbaren würde.

      Dumont hingegen sah man an, dass er mit den Aussagen Rosenbaums nicht allzu viel anzufangen wusste. Ein leichtes ungläubiges Lächeln umspielte seine Lippen.

      Rosenbaum sah es und nickte schweigend vor sich hin. Warten wir einmal ab, wie du reagierst, denn du den ganzen Inhalt des Briefes kennst, sagte er zu sich und laut fuhr


Скачать книгу