Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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auf die Knie sank. „Wende den Schutzzauber der Hexe Scarylia mit Bedacht an.“ Warnte ihn der Herrscher: „Er wirkt nur für wenige Augenblicke!“. Dennoch hatte er zumindest ein Ziel erreicht. Harun Ar Sabah schlotterte vor Angst. Er sollte sich seines Lebens nicht mehr sicher fühlen.

      „Eines sollte, eines noch soll...“ brachte der Blutwolf mit letzter Kraft hervor: „Eines soll ich euch noch von meinem Herrn ausrichten.“

      Harun hatte sichtlich Mühe sich von dem Schreck zu erholen, den der Mann ihn versetzt hatte:

      „Sprich es endlich aus!“ Forderte er ihn dennoch auf.

      „Unser Herrscher, Godvere Garien befehligt über fünftausend Blutwölfe. Jeder einzelne von ihnen ist wie ich. Mein Herr lässt euch ausrichten, einen nach dem anderen zu euch zu schicken. Solange... bis... bis einer von uns euch endlich ins Große Sanktrum schickt.“

      Blut quoll aus dem Mund des Darkaniers. Er schaffte es sogar noch einmal zu lachen, bevor er endgültig tot zusammenbrach. Haruns Hände umschlossen die Rückenlehne des Mahagoni Thrones so fest, dass die Knöchel seiner Hände weiß hervortraten. Dabei wich dem Kriegszauberer jegliche Farbe aus dem Gesicht.

      Kapitel 2 2.1. Sanara

       Vierzehn Jahre waren vergangen seit Vitras mit seiner Enkeltochter und dem kleinen Dieb aus dem Darkanischen Herrschaftsbereich floh. Um nicht beide Kinder den Gefahren einer Flucht auszusetzen, schickte der Kriegszauberer den kleinen Schatten in die sagenumwobene Stadt Prem. Hier lebte Zaron de Megon, ein ehemaliger Dieb, der sich jedoch schon vor Jahren dazu entschlossen hatte, sein Leben zu ändern. Zaron war ein alter Freund von Vitras und nahm den Jungen bei sich auf. Der Kriegszauber blieb über die Jahre hinweg mit Zaron im ständigen Briefkontakt und musste bald feststellen, dass seine Tochter Recht behalten sollte. Aus dem kleinen Schatten wurde - „Der Schatten“ - ein Meisterdieb, der allmählich zu einer Legende heranreifte.

       Immer auf der Hut vor den Häschern Harun Ar Sabahs, schlug sich Vitras mit seiner Enkeltochter zu den Hochlanden durch. Hier hatten sich die meisten Fürstentümer zum Hochlandbund zusammengeschlossen. Der Bund besaß eine Machtfülle, die es ihm sogar ermöglichte, der Darkanischen Armee erfolgreich zu trotzen. Das Fürstentum Durenald galt als mächtigstes Haus im Bund und wurde von Fürst Ingalf und seiner Frau Eldar regiert. Vitras hatte dem Fürsten einst das Leben gerettet und dabei ein Komplott aufgedeckt, das das Ziel hatte, den Fürsten zu stürzen. Ingalf beteuerte mehrmals, Vitras seine Hilfe niemals zu vergessen und dass er auf ewig in seiner Schuld stehen würde. Der Kriegszauberer beschloss, diese Schuld einzufordern, da er seiner Enkelin keinesfalls ein Einsiedlerleben, tief in irgendwelchen abgelegenen Wäldern bieten wollte, wie er es selbst schon einmal geführt hatte. Trotz seiner anfänglichen Bedenken, zeigte sich das Herrscherpaar hocherfreut, als er um eine sichere Beherbergung bat. Da das Fürstenpaar kinderlos war, zeigten sie sich von der Kleinen ganz besonders entzückt und bestanden sogar darauf, dass sie in der Burg eines der schönsten Gemächer bezogen.

       Der Kriegszauberer brachte es nicht fertig, Audris in den Stallungen des Fürstentums unterzubringen. Das Tier war einfach zu freiheitsliebend. Daher ließ er die prächtige Stute stets vor den Toren des Fürstentums grasen, jedoch nicht ohne täglich nach ihr zu sehen. Eines Morgens war Audris verschwunden. Ein Bauer berichtete Vitras, dass sie in ein helles Licht galoppierte, aus dem sie nicht mehr zurückkehrte. Da wusste der Kriegszauberer, dass Audris wieder in ihre Heimstätte zurückgekehrt war.

       Im Laufe der Jahre wuchs Sanara zu einem bildhübschen Mädchen heran, und die Fürstin, die schon längst einen Mutterersatz darstellte, übte sich in allergrößter Geduld, dem Mädchen die simpelsten Etiketten, die am Hofe ein Muss darstellten, beizubringen. Zu ihrem größten Entsetzen musste Fürstin Eldar jedoch feststellen, dass Sanara mehr Spaß an den Waffenübungen mit ihrem Großvater zu tage legte, anstatt den höfischen Lehrmeistern zuzuhören. Nachdem Vitras begann, seiner Enkelin die ersten Grundlagen der Magie näher zu bringen, dauerte es nicht mehr lange, bis dem ersten Höfischem Lehrmeister die Haare in Flammen standen. Der Arme schaffte es gerade noch rechtzeitig, kopfüber in einen Badezuber zu springen. Nach einigen weiteren Vorfällen ähnlicher Art, weigerten sich sämtliche Lehrkräfte Sanara weiterhin zu unterrichten. Das Donnerwetter von ihrem Großvater, das daraufhin erfolgte, war gewaltig. Zu allem Überfluss übernahm Eldar nun höchstpersönlich sämtliche Schulungen des Mädchens, sofern sie nichts mit Magie oder den täglichen Waffenübungen zu tun hatten.

      „Da konnte man nichts machen, da musste man durch!“ dachte Sanara später immer wieder. Sanara mochte die Fürstin sehr und akzeptierte ihre Autorität. Daher brauchte sich Eldar auch nie um ihre Frisur zu sorgen.

      Vitras stand nun schon eine ganze Weile, seit seiner Rückkehr aus dem Fürstentum Gorien auf dem breiten Mauergang und blickte auf die sonnendurchfluteten Gartenanlagen Durenalds. Der Kriegszauberer begleitete Ingalf in das ferne Fürstentum, das weit im Norden des Bundes lag. Gorien wollte dem Bund beitreten, und Vitras half dem Fürsten Ingalf und somit dem gesamten Hochlandbund, immer wieder mit seinem Verhandlungsgeschick. Jetzt beobachtete er seine Enkeltochter. Vitras liebte es zuzusehen, wie Sanara und Filou durch die Gärten tobten. Das Frettchen war noch immer äußerst agil. Die Berührung der Göttin der Gerechtigkeit, Sanaras Großmutter, hatte den Alterungsprozess des Nagers stark verlangsamt. Sanara brachte Filou das Apportieren kleinerer Gegenstände bei. Als sie gerade wieder den kleinen Stoffball warf, der Kraft ihres Willens selbstverständlich weiterflog als es ihr ohne Magie möglich gewesen wäre, entdeckte sie ihren Großvater auf dem Gang. Sofort rannte sie ihm freudig entgegen, wobei ihr langes pechschwarzes Haar durch die Luft wirbelte. Die vierzehnjährige fiel Vitras um den Hals, und der Kriegszauberer hielt sie lange fest an sich gedrückt. Als sie sich voneinander lösten, blickte Vitras sie vorwurfsvoll an:

      „Findest du nicht, dass es irgendwie unfair ist, den armen Filou, unter Zuhilfenahme deines Willens, so durch die Gärten zu scheuchen?“

      „Ich habe keine schwarze Magie angewendet,“ erboste sich Sanara: „Das tue ich nie!“

      Der Kriegszauberer verdrehte die Augen und schaute kurz hilflos zum Himmel, bevor er sie wieder mit einem ernsten Blick bedachte:

      „Was habe ich dir beigebracht?“

      Sanara starrte betreten zu Boden, doch schnell neigte sie ihren Kopf wieder hoch. Da sie nun mit ihrem Wissen glänzen konnte, strahlte sie Vitras regelrecht an, während sie ihm antwortete:

      „Es gibt keine schwarze Magie Großvater. Genau so wenig wie es weiße Magie gibt. Die Macht der Magie ist grundsätzlich indifferent, also neutral. Nur die Art wie die Menschen sie nutzen, lässt es zu, von guter oder eben schlechter, von weißer oder schwarzer Magie zu sprechen.“

      „Und was denkst du,“ fuhr Vitras weiter fort: „wie du deine Magie eben bei Filou angewendet hast?“

      Bevor Sanara antworten konnte, kam Filou mit dem Bällchen angeflitzt. Er stupste Vitras vor Freude einmal kurz an, um sich gleich wieder Sanara zu zuwenden. Er kratzte und biss ihr zärtlich in die nackten Waden, damit sie endlich mit ihm weiterspielte.

      „Nun,“ antwortete Sanara: „, wenn ich mir den glücklichen kleinen Kerl so anschaue, habe ich meine Magie zum Guten angewandt!“

      Vitras holte vor lauter Verzweiflung einmal tief Luft, bevor er sie langsam wieder ausstieß. Wieder blickte er zum Himmel. Er war überzeugt, dass Mirna gewiss eine ungemeine Freude an der Logik ihrer Enkelin hatte. Es gelang Sanara immer öfter, das letzte Wort zu behalten. Ganz gleich um was für einen Disput es ging oder mit wem sie ihn führte. Eine feste, aber freundliche Frauenstimme, riss ihn aus seinen Gedanken.

      „Meister Vitras, ihr seid endlich zurückgekehrt!“ Vitras drehte sich herum und sah Fürstin Eldar auf sie beide zukommen. Trotz ihrer inzwischen fünfzig Jahren, war die Fürstin noch immer eine außerordentlich attraktive Frau. Die ersten Ansätze von zarten Falten verliehen ihrem Gesicht einen energischen Ausdruck. Die langen braunen Haare, in denen die ersten feinen grauen Strähnen zu erkennen waren, trug sie hochgesteckt. Der Saum, ihres langen dunkelblauen Kleides,


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