Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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besetzt waren. Es gab auch einige Dutzend Männer die hier lebten. Es war ihnen jedoch verboten, Waffen zu tragen und sie verrichteten harte körperliche Arbeit. Sie wurden allerdings gut behandelt und durften sich frei bewegen. Ab und an ergaben sich sogar kleinere Liebschaften zwischen einem Mann und einer der Kriegerinnen. Ein eheliches Zusammenleben jedoch, war strikt verboten. Wenn sich ein Paar fand und darauf nicht verzichten wollte, musste es den Stamm verlassen.

      Zara beobachtete Andran und Manith noch eine ganze Weile, wie sie sich auf dem Balken bekriegten. Dann erhob sie sich, von dem großen Stein auf dem sie saß, und schickte sich an zur großen Ratshütte zu gehen. Der Tag der Prüfungen stand kurz bevor. Rotauge blickte Zara nur kurz gelangweilt hinterher, um sofort wieder Andran ins Auge zu fassen. Der kassierte gerade einen heftigen Stoß von Maniths Langstock und fiel nun seinerseits auf den weichen Erdboden. Sofort war die Wölfin über ihm und schleckte Andran quer durch das Gesicht. Manith sprang vom Balken, landete neben der Wölfin und streichelte ihren muskulösen Nacken. Die Tochter der Königin, war neben Zara und Elze die einzige, von der die Wölfin sich das gefallen ließ, wenn man selbstverständlich von Andran absah.

      „Deine Beinarbeit ist einfach schlecht!“ spottete Manith. Dabei schüttelte sie lachend ihren Kopf wobei ihr langes braunes Haar durch die Luft wehte.

      „Und du, du kämpfst mit unfairen Mitteln!“ protestierte Andran, während er verzweifelt versuchte, sich Rotauges fürsorglicher Behandlung zu entziehen.

      „Unfair? Was bitte war denn unfair?“

      „Du hast mich angelächelt, das hat mich verwirrt!“

      „Du kannst dir ja nächstes Mal die Augen verbinden,“ ärgerte Manith ihn weiter: „Vielleicht triffst du dann ja auch besser!“ Daraufhin drehte sie sich um und ging zurück zu den Hütten. Ihr Herz hüpfte vor Freude, dass Andran ihr Lächeln bemerkt hatte.

      Zara schob die Decken zur Seite, die der Ratshütte als Tür dienten und trat ein. Trotz ihrer inzwischen fünfundfünfzig Jahren, war sie das jüngste Mitglied des Rates.

       Jedes Jahr wurden die vierzehnjährigen Jung Kriegerinnen einer Prüfung unterzogen, die den Übergang in ihr Erwachsenenalter symbolisierten. Fiel man durch, hatte man ein Jahr lang mit Hohn und Spott zu kämpfen, bis man die Prüfung wiederholen durfte. Zum ersten Mal in der Geschichte des Stammes, würde dieses Jahr mit Andran ein Junge an der Prüfung teilnehmen. Alle Teilnehmer dieser Prüfung mussten, bei einer feierlichen Zeremonie, einen Kieselstein aus dem Beutel der Schamanin ziehen. In dem Beutel befanden sich lauter weiße sowie ein schwarzer Kieselstein. Wer einen weißen Stein zog, hatte keine Prüfung zu erwarten die lebensbedrohlich war. Dies galt jedoch nicht für die Kandidatin, die den schwarzen Stein zog. Ihr wurde ausnahmslos eine nahezu unmöglich erscheinende Aufgabe zugetragen, die fast immer zum Tode führte. Nur sehr selten kam es vor, dass eine Jung Kriegerin diese Prüfung bestand. Aus den Kreisen derer, die diese Prüfung jedoch bestanden, wurde die zukünftige Königin gewählt. Seit Rowena als Königin über den Stamm herrschte, hatte niemand mehr diese Prüfung bestanden.

      Als Zara die Hütte betrat, waren schon alle anderen Ratsmitglieder anwesend. Rowena bedeutete Zara mit einem strengen Blick, sich zu setzen. Aus dem Augenwinkel nahm die rothaarige Amazone wahr, dass auch Elze sich in der Hütte befand, und nickte ihr freundlich zu. Einer der Ratsplätze war leer. Die Amazone die diesen inne hatte, war vor wenigen Wochen verstorben. Rowena stand auf, blickte sich im Kreis der Anwesenden um und begann zu sprechen:

      „Bevor wir über die anstehenden Prüfungen beraten, möchte ich euch eine Nachfolgerin für unsere verstorbene Schwester vorschlagen.“

      Alle Augen richteten sich auf Rowena. Die Königin hatte das unumstößliche Sagen in Kriegszeiten. In Friedenszeiten jedoch, musste sie sich immer mit dem Rat absprechen.

      „Ich möchte Schwester Elze vorschlagen, den Platz einzunehmen.“

      Elze bekam vor Überraschung ganz große Augen. Sie ging davon aus, wegen Andrans Teilnahme an der Prüfung in die Ratshütte geladen worden zu sein. Zara hingegen hatte damit schon irgendwie gerechnet und freute sich für die alte Frau. Der Vorschlag der Königin wurde einstimmig angenommen. Daraufhin bat die Königin Elze, die ein wenig im Abseits stand, sich auf den leeren Platz direkt neben Zara zu setzen.

      „Dieses Jahr haben wir fünf Prüflinge!“ fuhr die Königin fort, nachdem Elze sich auf den leeren Platz begeben hatte.

      „Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass Andran seine Prüfung mit Bravour meistern wird,“ brachte Zara mit einem Mal hervor: „genauso wenig zweifelt irgendjemand daran, das Manith dich stolz machen wird.“

      Rowena nickte Zara freundlich zu, bevor sie fortfuhr. Dabei bekam die Stimme der Königin plötzlich einen eisigen Klang:

      „Die Prüfung des schwarzen Steines wird in diesem Jahr besonders herausfordernd sein!“

      Während Elze schlagartig sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich, beugte sich Zara leicht vor:

      „Was ist außer an Andrans und Maniths Teilnahme in diesem Jahr denn so Besonderes, dass diese Prüfung noch schwerer ausfallen muss?“

      Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, biss sie sich vor Wut auf die Unterlippe. Ihr war schlagartig klar, um was es der Königin ging. Und Rowena hatte Recht.

      „Seit vielen Jahren, ist es niemanden mehr gelungen diese Prüfung zu bestehen. Jedes Jahr haben wir eine junge Schwester verloren. Es dürfen keinerlei Zweifel aufkommen, dass die Prüfung in diesem Jahr weniger anspruchsvoll sein wird, nur weil meine Tochter oder Andran daran teilnehmen.“

      „Und welche Art von Prüfung, hast du dieses Jahr für den schwarzen Stein im Sinn?“ fragte eine andere Rätin die Königin.

      „Wer auch immer den schwarzen Stein zieht,“ erklärte Rowena und sog dabei scharf die Luft ein: „wird uns einen Reißzahn von Murlog bringen!“

      Zara blickte die Königin an, als hätte diese den Verstand verloren:

      „Einen Reißzahn von Murlog? Bist du wahnsinnig geworden? Das ist keine Prüfung, das ist ein Todesurteil!“

       Murlog war eine schreckliche, mordlüsterne Kreatur, die hoch im Norden des Waldes, in einer Höhle am Rande des Drom Gebirges hauste. Etliche Amazonen Trupps hatten in der Vergangenheit versucht, dieses Wesen zu töten. Nie ist eine Kriegerin von diesem Vorhaben lebend zurückgekehrt. Selbst die Barbarenstämme, die jenseits des Gebirges ihre Heimat hatten, fürchteten Murlog. Sie behaupteten sogar, Murlog wäre ein Dämon.

      Rowena schaute missbilligend auf Zara herab:

      „Glaubst du etwa ich wünsche mir das Manith den schwarzen Stein zieht. Glaubst du etwa ich habe Freude daran eine der unseren in den Tod zu schicken, bevor ihr Leben überhaupt richtig begonnen hat? Viele der unseren haben durch diese Prüfung eine Tochter verloren. Wir müssen den Frieden unter unseren Schwestern bewahren. Was glaubt ihr alle denn, was geschehen würde, wenn die Prüfung in diesem Jahr leicht ausfällt. Ausgerechnet dann, wenn meine Tochter daran teilnimmt. Lasst uns abstimmen!“

      Keine der anwesenden Frauen brachte noch irgendeinen Einwand hervor. Der Rat der Ältesten bestand aus acht Schwestern sowie der Königin. Rowena und sechs weitere Frauen stimmten für die Prüfung. Elze stimmte dagegen, währen Zara sich enthielt.

      „Damit ist es beschlossen!“ erklärte Rowena: „Ich werde die Aufgabe für die Prüfung des schwarzen Steines direkt nach der Ziehung bekannt geben.“

      Dann wandte sich die Königin an Elze: „Ich möchte dich bitten, dass du direkt nach der Ziehung mit Rotauge in deine Hütte gehst und das Tier irgendwie ablenkst. Ganz gleich welche Farbe Andrans Stein aufweist, er muss seine Prüfung alleine bestehen.“

      Elze nickte nur geistesabwesend, während Zara ihr einen Arm um die Schultern legte:

      „Verzweifle nicht Elze,“ versuchte sie ihr Trost zuzusprechen: „noch sind keine Steine gezogen worden!“

      Der gesamte Stamm versammelte sich, kurz nach der Abenddämmerung,


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