Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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Aufgabe die man dir auferlegt hat,“ fuhr Andran fort: „ist unmöglich zu bewerkstelligen. Das weiß deine Mutter – das weiß der gesamte Stamm.“

      „Und wem nützt es, wenn wir beide draufgehen?“ fragte Manith, wobei ihre Stimme einen traurigen Klang bekam. Zum ersten Mal glaubte Andran, in ihren Augen so etwas wie Hoffnungslosigkeit zu erkennen. Von ihrem Stolz, als sie ihm auf dem Platz vor der Ratshütte noch schwor lebend wieder zurückzukehren, war nicht mehr viel zu erkennen.

      „Ich habe nicht vor, mich von diesem Biest zerlegen zu lassen,“ begann Andran ihre Frage zu beantworten:

      „Gemeinsam haben wir eine Chance. Stell dir doch nur die Gesichter unserer Schwestern vor, wenn wir gemeinsam zurückkehren. Wenn jeder von uns einen Reißzahn von diesem Biest bei sich trägt. Außerdem vergisst du da noch eine Kleinigkeit!“

      Manith blickte ihn nur fragend an.

      „Wir sind jetzt zu dritt!“ Dabei zeigte er auf Rotauge, die sich unweit von ihnen hingelegt hatte und sie neugierig beobachtete.

      „Also gut!“ brachte Manith endlich ihr Einverständnis hervor: „Die Kriegerinnen die mich aus dem Dorf herausgeführt haben, erklärten mir genau wie ich Murlogs Höhle finden kann.“

      „Worauf warten wir dann noch?“ fragte Andran und deutete ein verständnisloses Schulterzucken an.

      Manith zeigte nach Westen: „Wir müssen dort entlang!“

      Sie drehte sich und marschierte augenblicklich vorweg. Ein Lächeln huschte mit urplötzlich über ihre Lippen. Zum ersten Mal, seitdem ihr bewusst wurde, dass sie den schwarzen Stein gezogen hatte und die damit verbundene Aufgabe erfuhr, schöpfte sie wieder Hoffnung. Sie war unendlich dankbar dafür, dass Andran ihr mit Rotauge gefolgt war. Doch das würde sie niemals zugeben.

      2.3. Gulinor

      Obwohl sie sich wahnsinnig schnell fortbewegten und sich nur wenig Schlaf gönnten, benötigten Andran und Manith zwei volle Tage um die ersten Ausläufer des Drom Gebirges zu erreichen. Einen weiteren brauchten sie um die großen abgestorbenen Schwarzkiefer zu finden, die laut der Kriegerinnen einen Wegpunkt markierte, der zu Murlogs Höhle führte.

      „Von hier aus kann es nicht mehr weit sein!“ erklärte Manith.

      Die Bäume des Waldes wurden immer lichter und wichen beständig unzähligen Bergsträuchern. Die beiden kletterten seit einer ganzen Weile über Unmengen von Geröll als Rotauge plötzlich stehen blieb, den Kopf leicht senkte, und bedrohlich zu knurren anfing. Manith nahm sofort einen Pfeil aus ihrem Köcher und legte ihn in die Sehne ihres Bogens. Andran ging neben Rotauge in die Knie und versuchte zu erkennen, was die Wölfin so aufregte. Dann entdeckte er frisches Blut. Andran stand auf, ging ein paar Schritte weiter und betrachtete eine Blutlache. Überall befand sich frisches Blut. Wachsam, in alle Richtungen blickend, schlich Manith heran:

      „Wahrscheinlich von einem Tier,“ brachte sie leise hervor.

      „Das glaube ich nicht!“ Antwortete Andran: „Rotauge würde sich nicht so verhalten, wenn das hier Tierblut wäre! Außerdem liegen hier überall kleine Stofffetzen. Und siehst du die Spuren da vorn? Hier hat ein Kampf stattgefunden.“

      Manith blickte sich jetzt noch wachsamer um:

      „Wer ist denn so irre und verläuft sich in diese Gegend?“

      „Vielleicht jemand der genauso irre ist wie wir!“ antwortete Andran. Manith blickte ihn ungläubig an:

      „Du glaubst doch nicht wirklich..., dass noch jemand hinter Murlog her ist?“

      „Das finden wir schon noch heraus. Lass uns am besten der Blutspur folgen!“ antwortete Andran, der jetzt ebenfalls seinen Bogen in die Hand nahm und einen Pfeil aus dem Köcher zog. Unter äußerster Anspannung gingen sie weiter. Je länger sie den blutigen Spuren folgten, desto nervöser schien die Wölfin zu werden. Das kräftige Tier fletschte ununterbrochen die Zähne und stieß ein Knurren aus, das immer bedrohlicher klang. Als sie den Eingang einer Höhle erreichten, blieb Rotauge stehen und ihre Nackenhaare richteten sich auf. Vor der Höhle sah es aus wie auf einem Friedhof, bei dem man darauf verzichtete Gräber auszuheben. Soweit sie blickten lagen Unmengen ausgebleichter Knochen, die sich hier und da sogar stapelten. Andran und Manith erkannten sofort, dass es sich nicht nur um tierische, sondern auch um menschliche Überreste handelte. Rotauge schlich bis zum Höhleneingang und weigerte sich weiterzugehen.

      Manith verschlug es beinahe die Sprache: „Sie scheint Angst zu haben!“

      „Ihr Instinkt rät ihr, die Höhle nicht zu betreten.“ erwiderte Andran und schritt als erster durch den Eingang, der ins Felsmassiv führte. Rotauge knurrte wütend als sie sah wie Andran in der Dunkelheit verschwand. Widerstrebend folgte sie ihm. Manith schloss schnell zu Andran auf. Schulter an Schulter, Schritt für Schritt bewegten sie sich in der Dunkelheit vorwärts und hielten ihre Bögen mit eingelegten Pfeilen schussbereit in den Händen. Der Höhlengang durch den sie sich bewegten, war zumindest breit und hoch genug, so dass sie aufrecht gehen konnten. Doch sie traten immer wieder auf Knochen, die unter ihrem Gewicht zerbrachen. Das Geräusch der berstenden Gebeine hallte von den Wänden wider und ließ die beiden jedes Mal zusammenzucken. Irgendwann erreichten sie schließlich eine Biegung und blieben wie angewurzelt stehen. In weiter Ferne konnten sie den schwachen Schein einer Fackel oder eines kleinen Feuers ausmachen.

      „Zumindest haben wir jetzt einen Orientierungspunkt.“ flüsterte Andran: „Wusstest du, dass das Biest Feuer machen kann?“

      „Nein!“ Brachte Manith hervor. In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Angst mit. Andran musste sich jedoch eingestehen, dass ihm das Herz ebenfalls bis zum Hals schlug. Rotauge hielt sich unmittelbar hinter den beiden auf. Andran war sich jedoch sicher, dass die Wölfin sich auf alles stürzen würde, dass sie bedrohen würde. Langsam schritten sie weiter. Als sie den Höhlenabschnitt erreichten, aus dem der Schein des Feuers herrührte, stockte beiden der Atem. Eine Fackel steckte zwischen zwei Steinen und etwa fünf, sechs Schritt von ihr entfernt, saß ein blutüberströmter Krieger mit dem Rücken an die Felswand gelehnt. Sein linkes Bein war zwischen zwei Felsen eingeklemmt, so dass er sich nicht fortbewegen konnte. Seine gewaltige Streitaxt lag für ihn unerreichbar ebenfalls einige Schritte entfernt auf dem Boden. Andran schätzte den extrem kräftigen Mann auf vielleicht Mitte Zwanzig. Er hatte langes, strähniges blondes Haar, in das kleine Tierknochen eingeflochten war, sowie einen vollen blonden Bart. Über seinen breiten Schultern hing ein völlig zerrissener Pelz. Die nackten kräftigen Oberarme waren mit Symbolen tätowiert, deren Bedeutung weder Andran, noch Manith kannten. Es war beiden jedoch sofort klar, dass sie es mit einem Barbaren von jenseits des Drom Gebirges zu tun hatten. Der Krieger war bei vollem Bewusstsein und musterte die beiden abfällig. Mit einem Mal bekam er einen Lachanfall, wobei ihm das Blut aus dem Mund lief. Andran und Manith blickten einander fassungslos an, als der Barbar lospolterte:

      „Kinder! Zwei Kinder! Bei Borons nacktem Arsch! Kinder!“

      „Wer ist Boron?“ flüsterte Andran Manith zu.

      „Ich glaube einer ihrer Götter!“ gab sie ihm, ebenfalls flüsternd, zur Antwort.

      Schlagartig verstummte der Barbar, als er Rotauge bemerkte. Die riesige Wölfin bewegte sich nach vorne, wobei sie Andran und Manith regelrecht zur Seite schubste. Langsam schlich sie auf den Krieger zu und fixierte ihn mit ihren roten Augen. Der Barbar musst schlucken und starrte ungläubig, regelrecht bestürzt zu Andran. Rotauge senkte ihren Kopf und schnupperte am Gesicht des hünenhaften Kriegers, der keinen Laut mehr hervorbrachte. Dann wandte sich das Tier von ihm ab und setzte sich vor Manith, ließ den Fremden allerdings nicht aus den Augen.

      „Wer bei allen Göttern seid ihr?“ brachte er schließlich hervor, nachdem er sich wieder einigermaßen gefangen hatte.

      Andran streichelte zunächst den Kopf der Wölfin, bevor er zwei Schritt auf den Barbaren zu trat und vor ihm in die Hocke ging. Manith richtete sofort ihren Pfeil auf den Fremden.

      „Wer seid ihr?“ fragte Andran


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