Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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Irrer, der irgendwo in den Wäldern hauste und sich ein paar Gold und Silbermünzen mit dem Verkauf seiner Felle verdiente. Diese gerieten allerdings schnell zu den begehrtesten Tierhäuten in der gesamten Gegend, da sie niemals Löcher von Pfeilen oder Risse irgendwelcher Fallen aufwiesen. Seine Felle waren diejenigen, die sich am besten verarbeiten ließen. Da Vitras in seinem Exil stets jegliche Art von Aufsehen unbedingt vermeiden wollte, war ihm dies schon fast zu viel an Aufmerksamkeit. Doch er beließ es dabei. Solange er keine Magie anwendete und sich dadurch nicht mit seiner magischen Signatur verraten konnte, würden seine Feinde ihn niemals finden. Selbst sein Name war hier niemandem bekannt. Für alle war er Bernard. Der alte, wunderliche Bernard. Sein Aussehen ließ ihn, trotz seiner körperlichen Größe und Kraft, wie einen Mitsechziger erscheinen. Dass er inzwischen mehr als doppelt so alt war, konnte niemand auch nur erahnen. Vitras trug einfache gegerbte Lederkleidung, wie sie unter Waldläufern üblich war. Dazu feste Stiefel und einen weiten Kapuzenumhang. Sein vom Wetter gezeichnetes Gesicht war mit einem kurzen schwarzen Bart, an dem seitlich zwei feine weiße silberne Strähnen entlangliefen, sowie einem Schnauzer versehen. Der kahle Schädel war an den Seiten mit kleinen schwarzen Runen tätowiert. Vom Stirnansatz bis zum Hinterkopf verlief eine gezackte tätowierte Linie, die in der Mitte von einem Kreis mit Blitzen unterbrochen wurde. Als Waffe führte Vitras lediglich einen Langstab mit, wenn er nach Dormal unterwegs war. Da er schon in frühester Jugend im Umgang mit allen möglichen Waffen bis hin zur Perfektion ausgebildet wurde, war dieser Stab in seinen Händen eine absolut tödliche Waffe.

      Das Unwetter hatte inzwischen einen seiner Höhepunkte erreicht, als Vitras endlich Dormal erreichte. Das Pferd hielt sofort zielstrebig auf die Stallung der Familie Angwar zu. Zern, der älteste Sohn des alten Angwar, war fluchend damit beschäftigt einen losen Fensterladen zu befestigen, als er Bernard mit seinem Karren kommen sah. Augenblicklich ließ er von seiner Arbeit ab und rannte zum Tor des Stalls, um es für den alten Mann zu öffnen. Dankbar winkte Vitras ihm zu und lenkte den Karren ins trockene, während Zern das Tor hinter ihm wieder schloss und sich seines klitschnassen Mantels entledigte.

      „Du hast dir ja ein tolles Wetter ausgesucht Bernard,“ witzelte Zern, während er auch schon daranging, das Pferd vom Karren zu lösen, um es anschließend in eine der leerstehenden Boxen zu führen und zu versorgen. Anstatt zu antworten grummelte Vitras nur etwas Unverständliches vor sich hin und warf dem schmächtigen Burschen ein Silberstück zu, der dieses geschickt auffing.

      „Du bist heute mal wieder nicht besonders gesprächig – was Bernard? Aber wann bist du das schon mal.“

      Erstaunt schaute der Bursche zu, wie Vitras vom Karren sprang und ihn mühelos, mitsamt seiner Ladung in die leerstehende Ecke, rechts vom Tor schob. Dabei hüpfte Filou aus der Manteltasche und kletterte auf die Schultern seines Herrn. Zern schüttelte leicht mit seinem Kopf. Dann beschloss er, den alten Sonderling zu warnen. Immerhin kannte er ihn seit Jahren. Zudem war Bernard ein anständiger Kerl. Offensichtlich verrückt aber anständig.

      „Du solltest dieses Mal darauf verzichten, in einem der Gasthöfe einzukehren.“

      Vitras, der gerade dabei war die Plane zurückzuschlagen und einen Ballen von Fellen vom Karren zu hieven, warf dem Jungen einen erstaunten Blick zu.

      „Wieso?“ Brummte er verstimmt. Ganz so wie man es vom alten Bernard gewohnt war.

      „Vor zwei Tagen sind hier ein paar richtig üble Burschen aufgetaucht,“ antwortete ihm Zern, der nun dabei war das Pferd mit Futter zu versorgen. „Sie werden von einem rothaarigen Kerl angeführt, der vorgibt Händler zu sein. Tatsächlich scheinen seine Geschäfte darin zu bestehen, den Bürgern und ansässigen Händlern, seine Bedingungen mit dem Schwert zu diktieren. Seine Männer bevölkern beide Gasthöfe. Mit jemandem wie dir werden sie bestimmt ihre Späße treiben wollen.“

      „Mit jemandem wie mir?“ antwortete Vitras fragend, wobei sich seine Augenbrauen leicht anhoben.

      „Na du weißt schon,“ meinte Zern und vollführte dabei eine bezeichnende Geste mit der Hand vor seiner Stirn: „Mit jemandem der etwas wirr im Kopf ist. Eben mit jemandem wie dir Bernard.“

      „Manche Dinge werden sich wohl nie ändern!“ Stöhnte Vitras, während er sich einen Schwung größerer Felle, die in eine seperate Plane gewickelt waren, über den Rücken warf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren griff er nach seinem Langstab, nickte Zern noch einmal zu und trat aus dem Tor der Stallung heraus ins Unwetter. Mit schnellen Schritten begab er sich zum Gebäude des Händlers Handevar, während der Regen ihm erneut ins Gesicht klatschte. Handevar verlor vor einigen Jahren seine Frau am Fieber und führte sein Geschäft nun mit seiner Tochter Hegren. Handevar und Hegren waren die einzigen Menschen in Dormal, die Vitras stets mit Respekt und Freundlichkeit begegneten. Die einzigen Menschen an denen ihm hier wirklich etwas lag. Zudem hatte Handevar nie versucht, ihn zu übervorteilen. Er zahlte ihm immer einen angemessenen Preis für seine Felle. Als Vitras sich dem Haus der beiden näherte, beschlich ihn zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl einer eisigen Kälte, die durch seinen ganzen Körper fuhr. Ein Gefühl, das ihn vor Gefahren warnte und ihm schon unzählige Male das Leben rettete. Rasch näherte er sich dem Haus und nahm den Lärm von zersplitterndem Glas und umstürzendem Mobiliar wahr. Lautes unverhohlenes Gelächter mehrerer Männer, das gehässig klang, sowie die dumpfen Schmerzenslaute eines Mannes. Dann das Schreien einer jungen Frau. Hegren! Im Laufschritt hielt Vitras auf das Haus zu wobei er seinen Langstab so fest gepackt hielt, dass die Knöchel seiner Hand die ihn hielten, weiß hervortraten. Mit einem Satz sprang er auf die Veranda und stieß die Tür mit einem kräftigen Tritt auf. Als nächstes warf er das Bündel mit den Fellen zu Boden, hielt seinen Stab mit beiden Händen fest gepackt und nahm die Szenerie, die sich ihm bot, auf. Zwei Männer hielten Handevar fest, während ein dritter auf ihn einschlug. Das Gesicht des Händlers war blutig geschlagen und wies jetzt schon starke Prellungen auf. Ein weiterer Kerl hielt Hegren, die sich heftig wehrte, fest von hinten gepackt, während ein anderer versuchte ihr das Kleid herunter zu reißen. Auf der Theke des Geschäftes saß ein dicker rothaariger Mann, der offenbar größtes Vergnügen an dem gesamten Spektakel zu Tage legte. Für einen Moment schienen alle wie erstarrt und blickten erschrocken zu Vitras.

      „Verschwinde Bernard,“ röchelte Handevar unter Schmerzen: „Du kannst uns nicht helfen.“

      Der Schläger verabreichte dem Händler sofort einen Schlag in den Magen und wandte sich dann Vitras zu.

      „Bring dem Kerl bei, dass man gefälligst anzuklopfen hat!“ befahl ihm der Rothaarige grinsend. Der grobschlächtige Kerl lachte, wobei er seine verrotteten Zähne entblößte. Dann ließ er von Hegren ab, zog sein Schwert und schritt bedrohlich, aber vorsichtig, auf Vitras zu.

      „Und erkläre ihm bitte auch recht deutlich,“ forderte der Anführer ihn mit einer lächerlich piepsenden Stimme auf: „Was es für Konsequenzen hat, mich bei meinen Geschäften zu stören!“

      Blitzschnell wirbelte Vitras den Kampfstab über seinen Kopf. Mit diesem Schwung ließ er das eine Ende des Stabes mit voller Wucht auf den Kopf des Schlägers nieder und zertrümmerte dessen Schädel mit einem grauenvollen Knacken. Das Schwert des Mannes fiel augenblicklich klirrend auf die Dielen, bevor er selbst tot zu Boden ging. Kreischend rollte sich der Rothaarige über den Verkaufstresen, um sich dahinter in Sicherheit zu bringen.

      „Bringt sie um!“ schrie er mit panischer Stimme: „Bringt diesen Bastard und die anderen beiden um!“

      Vitras biss sich vor Wut und Hilflosigkeit auf die Unterlippe. Es war unmöglich Hegren und ihren Vater gemeinsam retten, ohne Magie anzuwenden. Inzwischen hatten die Männer des Rothaarigen allesamt ihre Waffen gezückt und waren im Begriff, auf Handevar und seine Tochter einzustechen, bevor sie sich Vitras zuwenden würden.

      „Die Götter mögen mir beistehen!“ Die Worte kamen eher wie ein Fluch, denn einer Bitte von seinen Lippen. Die Luft um Vitras herum begann leicht zu flimmern. Mit der linken Hand ließ er den Stab los und vollführte eine Geste, woraufhin der Bandit, der Hegren gepackt hielt, mit brachialer Gewalt an die Wand geschleudert wurde. Der Kerl vor ihr riss die Augen für den Bruchteil eines Wimpernschlages ungläubig auf, als auch schon sein Genick brach. Aus einem Augenwinkel nahm Vitras wahr, wie die anderen beiden Schläger, den Händler losließen und


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