Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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„Solange ist dieser Harun Ar Sabah zwar seine Marionette, aber es bleibt genug Zeit, deine Enkel vorzubereiten, vorausgesetzt sie bleiben solange am Leben. Astorius hat allen Göttern verboten direkt einzugreifen, da er einen erneuten Krieg mit der gesamten Welt der Dämonen befürchtet. Den letzten haben wir nur knapp gewonnen.“

      Plötzlich stand Vitras auf. Er blickte sich um, bis er seinen Kampfstab entdeckte der wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Boden lag. Der Kriegszauberer streckte seinen Arm aus und der Stab schnellte augenblicklich in seine Hand. Herausfordernd blickte er den Gott in die Augen.

      „Was erwartest du von mir?“

      „Du kannst dir sicher sein, dass meine Schwester demnächst bei dir erscheinen wird. Sie wird dir sagen, was du zu tun hast. Ich sollte dich lediglich für sie finden und vorbereiten. Dich aufzuspüren hat sich Dank deines Gewaltausbruches und der damit verbundenen Schweinerei, die du hier hinterlassen hast, ja überraschenderweise als recht einfach erwiesen. Außerdem hat sie mir aufgetragen, dich zu warnen.“

      „Mich zu warnen!?“ Wiederholte Vitras die Frage des Gottes angespannt.

      „Dieser Harun Ar Sabah ist neben dir der einzige Kriegszauberer eurer Bekannten Welt. Doch dank des Dämons besitzt er im Augenblick noch gewaltigere Kräfte. Harun wird dich mit absoluter Sicherheit, jetzt genauso aufspüren können wie ich.“ Tantras hielt kurz inne, bevor er spöttisch fortfuhr: „Ihr standet euch ja immer schon besonders nahe. Er wird sicherlich alles daran dich zu töten. Geh ihm also aus dem Weg!“

      „Die Doronischen Wälder sind weit von Kushtur entfernt!“ Entgegnete Vitras, der sich inzwischen wieder vollkommen gefangen hatte.

      „Nicht für Harun Ar Sabah!“ Antwortete ihm Tantras. Der Kriegsgott erhob sich nun ebenfalls und trat dicht an Vitras heran. Er blickte ihm tief in die Augen, als ob er bis zum Grund seiner Seele spähen wollte. Der Kriegszauberer hielt seinem Blick regungslos stand. Plötzlich wandte sich Tantras von ihm ab und schritt langsam in Richtung der Treppe aus dessen Schatten er erschien.

      „Wärst du als Gott geboren wurden ...,“ sprach er laut, ohne sich jedoch noch einmal nach Vitras umzudrehen: „... hätten wir vielleicht Freunde werden können! Und vergiss das Gesindel im anderen Gasthof. Darum habe ich mich gekümmert.“ Tantras tauchte im Schatten der Treppe ein und war im gleichen Augenblick verschwunden.

      Vitras wandte sich dem Ausgang des Schankraums zu und schritt langsam hinaus ins Freie. Das Unwetter hatte aufgehört. Lediglich leichter Nieselregen fiel noch vom Himmel und auch der Wind hatte stark an Heftigkeit eingebüßt. Filou krabbelte aus seiner Manteltasche und kletterte wieder an Vitras empor, um sich auf seine Schulter zu legen. Offensichtlich hatte der Nager seine Angst abgelegt und Vitras kraulte zärtlich das kleine Köpfchen des Tieres. Tief sog er die frische Nachtluft ein, als er den Brandgeruch und das Geschreie dutzender Stimmen bemerkte. Den Stab fest gepackt betrat er die vom Regen aufgeweichte Straße und hielt einen jungen Mann fest, der aufgeregt an ihm vorbeirennen wollte.

      „Was ist jetzt wieder los?“ schrie er ihn aufgebracht an.

      „Der Gasthof Zum wilden Eber,“ sprudelte es aus dem Mann heraus. „Er ist völlig abgebrannt. Ein gewaltiger Blitz ist dort eingeschlagen. Ein Blitz wie ich ihn noch nie zuvor gesehen habe - dabei ist das Gewitter doch längst abgezogen.“

      1.2. Mirna

      Vierzehn Tage waren seit den Ereignissen in Dormal vergangen. Vitras beschloss, zu seiner Hütte in den Wäldern zurückzukehren und fürs erste dort zu bleiben. Die Ausführungen des Kriegsgottes hatten den Kriegszauberer zutiefst erschüttert. Es war schwer genug mit der Tatsache umzugehen, dass die Götter ihm den Kontakt mit seiner Tochter Morna untersagten. Ein Verbot, gegen das selbst ihre Mutter nichts ausrichten konnte. Alles was er von seiner Tochter wusste, war das sie im Schwarzen Wald aufwuchs. Ein verwunschener Ort westlich des Darkanischen Herrschaftsgebietes, der die magischen Kräfte eines jeden Zauberers blockierte. Ihre Mutter erzählte Vitras, dass die göttliche Macht seiner Tochter erdgebunden war. Lediglich im schwarzen Wald, der sich immerhin vom Hohen Norden bis in den Süden Darkans zog, besaß sie göttliche Macht. Sollte sie den Wald verlassen, wäre sie eine normale Sterbliche, bis sie den Wald wieder betreten würde. Vitras versuchte sich abzulenken, indem er das Dach seiner Hütte reparierte und verschiedene Ausbesserungsarbeiten, die nicht unbedingt nötig waren, ausführte. Seinen Kampfstab allerdings, immer in der unmittelbaren Nähe liegend. Doch seine Gedanken wollten nicht aufhören, sich um seine Enkelkinder zu sorgen. Würden die Götter ebenfalls verhindern, dass er auch sie jemals zu Gesicht bekommen würde? Wer war der Vater – der ganz offensichtlich von königlichem Blut sein musste. Harun Ar Sabah, der den Dämon ES erweckt hatte, wusste mit Sicherheit von der Prophezeiung der Zwei die Eins sein müssen. Daher lag es auf der Hand, dass Harun alles versuchen würde, der Zwillinge habhaft zu werden. Das Gefühl der Hilflosigkeit machte den Kriegszauberer rasend vor Wut.

      Wieder und wieder, ließ er die Axt auf einen frischen Holzschacht niederfahren, obwohl sein Vorrat an Brennmaterial für den Kamin inzwischen auf Wochen im Voraus gesichert war. Irgendwann bemerkte Vitras die ersten dicken Tropfen auf seinem kahlen Kopf und blickte zum Himmel. Die Doronischen Wälder waren für ihre launigen Wetterumschwünge durchaus bekannt. Aber in der letzten Zeit waren diese äußerst übellaunig. Vor wenigen Augenblicken tauchte das warme Sonnenlicht die Lichtung, auf der sich seine Hütte befand, noch in die schönsten Farbtöne. Die erneut heranziehenden schweren Wolken nahmen den Farben jetzt jeglichen Glanz. Vitras blieb gerade noch genug Zeit, das frisch geschlagene Holz auf seiner Veranda in Sicherheit zu bringen, als von neuem ein schwerer Regenguss losbrach. In dieser Gegend war es jedoch nicht unüblich, dass solch ein Unwetter genauso schnell verschwand wie es gekommen war. Vitras betrat seine Hütte, schloss die Tür und wurde augenblicklich mit einer stürmischen Attacke von Filou begrüßt. Der kleine Nager tat seiner Freude kund, indem er zunächst einmal kreuz und quer durch den geräumigen Vorraum flitzte, bevor er sich dem Hindernisparcours über sämtliche Möbel widmete, von wo aus er zum finalen Sprung auf die Schultern seines Herrn ansetzte. Als nächstes zog er ausgiebig am sorgfältig gepflegten Bart des Kriegszauberers, bis er beschloss, dessen Ohren einer ausgiebigen Wäsche zu unterziehen. Erst als es eine Nuss zur Belohnung gab, ließ Filou von seinem Opfer ab. Vitras musste schmunzeln, als ihm wieder bewusst wurde, dass der kleine Kerl es immer wieder schaffte, ihn von seinen bedrückenden Gedanken zumindest kurzfristig abzulenken. Nach dieser Attacke hing Vitras seine nasse Weste an einen der Haken neben der Eingangstür, nahm die Öllampe von einem Haken, der an der Decke angebracht war, entzündete sie und hing sie zurück. Ein weiches, warmes, gemütliches Licht durchflutete den gesamten Raum nachdem er zwei weitere Lampen entzündete. Filou beobachtete Vitras neugierig, als dieser sich einen Kräutertee auf der Kochstelle zubereitete. Dann setzte sich der Kriegszauberer in einen seiner beschaulichen Sessel, die mit den verschiedensten Fellen überzogen waren und zog sich einen ebenfalls mit Fell überzogenen Schemel heran, auf den er seine Füße legte. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass er seine geliebte Pfeife samt Tabak auf dem Kaminsims liegen gelassen hatte. Seine braun grünen Augen begannen zu funkeln. Wieso ließ er eigentlich noch immer solche Vorsicht walten? Erst recht nachdem was in Dormal geschah. Wenn er schon nichts unternehmen konnte, sollten doch andere den ersten Schritt wagen. Ein schnippen seiner Finger genügte und die Pfeife schwebte samt Tabakbeutel vom Kaminsims in seine Hand. Eine weitere Geste sorgte dafür das der Feuerscheit im Kamin augenblicklich zu brennen anfing. Vitras stopfte seine Pfeife, entzündete sie mit Kraft eines Gedankens und inhalierte tief vom Rauch des aromatischen Kirschtabaks. Seine Gedanken begannen sich nun um Kushtur zu kreisen. Er schloss die Augen und rief sich Bilder dieser fantastischen Stadt vor sein geistiges Auge, während das Kaminfeuer, eine wohlige Wärme verbreitend, angenehm vor sich hin prasselte.

       Kushtur – die Stadt der Magier, seine Heimatstadt und das letzte Bollwerk der Menschheit an der Grenze zur unbekannten Welt.

       Vor etlichen Jahrhunderten erbauten die Vorfahren, der mit der Magie Begnadeten, den Palast der Magier auf einem Felsplateau, nahe der Wüste der Tränen. Arbeiter, Handwerker, Tagelöhner, Künstler und Kaufleute aus aller Herren Länder, siedelten sich während des gewaltigen Baus rund um das


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