Andran und Sanara. Sven Gradert

Andran und Sanara - Sven Gradert


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      Tantras beendete sein klatschen und trat weiter auf Vitras zu, bis er kurz vor ihm stehen blieb. Das Leuchten seiner blauen Augen konnte Vitras trotz der tiefsitzenden Kapuze erkennen. Es verstärkte sich als der Gott des Krieges die Kapuze leicht nach hinten zog, wodurch seine erhabenen Gesichtszüge erkennbar wurden. Sie spiegelten eine ungemeine Härte als auch Strenge, sogar Grausamkeit wider, die jedoch mit einer atemberaubenden Schönheit gepaart waren.

      „Dich töten? Hier?“ Angewidert ließ Tantras seinen Blick durch den großen Schankraum schweifen, bevor er fortfuhr:

      „Abgesehen davon, dass ich die kommenden tausend Jahre auf den Zorn meiner Schwester verzichten kann, haben sich gewisse Umstände gravierend verändert?“

      „Gewisse Umstände?“ Vitras zog fragend die Augenbrauen hoch.

      „Du hast mich schon richtig verstanden. Wir müssen uns unterhalten!“ Die Augen des Gottes bekamen einen seltsamen Ausdruck: „Was nicht bedeutet, dass ich mit dir fertig bin.“ Fügte er drohend hinzu. Ein kurzes Kopfnicken des Gottes reichte aus, die Leichen und sämtliches Blut einfach verschwinden zu lassen. Das zertrümmerte Mobiliar fügte sich wie von Geisterhand genauso wieder zusammen, wie die Splitter von zerborstenen Gläsern, welche daraufhin ordentlich in ihre Regale schwebten. Auf dem Tisch, der sich eben noch zertrümmert zwischen dem Gott und Vitras befand, platzierte sich eine edle, schwere weiße Tischdecke. Wie aus dem Nichts erschienen ein goldener Kelch sowie zwei goldene Becher auf dem Tisch. Selbst der drückende, üble Gestank, der den Raum eben noch beherrschte, wich einer frischen, angenehm riechenden Luft.

      „Setz dich!“ forderte der Gott des Krieges den Zauberer auf und wies dabei auf einen der beiden Stühle, der plötzlich weich gepolstert war und elegant geschwungene Armlehnen aufwies. Vitras setzte sich, woraufhin sich der Kelch vom Tisch erhob und süßen, schweren Wein in die beiden Becher goss. Tantras setzte sich Vitras gegenüber und erhob seinen Becher. Der Zauberer zögerte.

      „Ist das dein Ernst?“ Lächelte Tantras amüsiert: „Glaubst du wirklich mir fällt nichts Besseres ein, als dich in diesem Drecksloch zu vergiften?“

      Dem Kriegsgott eine Antwort schuldig bleibend, ergriff Vitras den Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Seine Augen weiteten sich voller Erstaunen. Eine angenehme Wärme durchflutete seinen gesamten Körper. Sein Geschmackssinn verpasste ihm ein wahres Glücksgefühl. Dies war der beste Wein, den er jemals getrunken hatte.

      „Die Reben aus denen dieser Wein gefertigt wird, stammen von den Hängen des Singariums. Audris selbst kontrolliert die Weinlese Jahr für Jahr.“ Klärte Tantras ihn auf.

      „Der Wein der Götter!“ Brachte Vitras voller Ehrfurcht hervor und drehte den Becher verträumt in seiner Hand. Er schloss kurz die Augen, konzentrierte sich und schüttelte das wohlige Gefühl, das seinen Geist zu benebeln begann ab. Er hatte nicht vor, sich von Tantras einlullen zu lassen. Er öffnete wieder die Augen und stellte den Becher auf den Tisch. Seine Augen bekamen einen harten Glanz. Er war nicht nur ein einfacher Zauberer – Vitras war der mächtigste Kriegszauberer seiner Zeit. Die Zeit des Versteckens war nun vorüber, und neben Tantras Schwester mochte es vielleicht doch noch den einen oder anderen Gott geben, der ihm wohlgesonnen war.

      „Von welchen Umständen sprichst du Tantras?“ Forderte Vitras den Gott auf, das freundliche Geplänkel zu beenden.

      „Von der Prophezeiung!“ Antwortete der Gott nüchtern, während er seinen Becher ebenfalls abstellte. Die Augenbrauen des Kriegszauberers zogen sich ungläubig zusammen, bevor er antwortete:

      „Es gibt viele Prophezeiungen. Davon abgesehen, halte ich nicht viel von solchen Weissagungen. Wenn man sich tausende von ihnen vornimmt, wird man immer den einen oder anderen Satz finden, der auf ein vergangenes Ereignis schließen lassen könnte. Menschen wie Götter neigen dazu, ihr gesamtes Verhalten zu verändern, nur um irgendwelchen uralten Texten entgegenzuwirken. Selten kommt etwas Gutes dabei heraus.“

      Tantras funkelte den Kriegszauberer wütend an:

      „Ich rede von Der Prophezeiung. Die, welche sogar das Ende der Götter einleiten könnte.“

      „Die Zwei die eins Sein müssen?“ Fragte Vitras ungläubig nach. Er kannte Teile dieser Weissagung, hielt von ihr aber nicht mehr als von anderen Prophezeiungen.

      „Genau von der spreche ich. Sie ist eingetreten.“ Plötzlich bekam Tantras Tonfall einen eisigen Klang:

      „Du bist ein wichtiger Teil dieser Prophezeiung. Und - es gibt nicht wenige Götter im Singarium, die dich sogar für sie verantwortlich machen!“

      „Ich bin wohl kaum dafür verantwortlich, wenn sich irgendwo in der bekannten oder unbekannten Welt das absolut Böse erhebt. Genauso wenig habe ich etwas mit Zwillingen zu tun, die sowohl göttliches als auch königliches Blut in sich tragen müssen.“

      Amüsiert griff Tantras wieder nach seinem Becher:

      „Sagte ich dir nicht, dass sich gewisse Umstände geändert haben?“ Der Kriegsgott fixierte Vitras mit einem neugierigen Blick und stellte zufrieden fest, dass dieser anfing sich zusehends unwohl zu fühlen.

      „Das absolut Böse ist erwacht. In deiner Heimat Kriegszauberer.“

      Vitras starrte sein Gegenüber ungläubig an, während Tantras fortfuhr.

      „Anstatt sich den Schwierigkeiten in Kushtur zu stellen, hast du deine Heimatstadt verlassen. Harun Ar Sabah hat kurz danach die Führung im Magischen Rat übernommen. Um ehrlich zu sein, ging ich davon aus, dass er die umliegenden Königreiche mit Krieg und Terror überzieht, was mir eine gewisse Freude bereitet hätte. Stattdessen begann er tief unterhalb der Katakomben, des Palastes der Magier, einen übermächtigen Dämon zu erwecken. Eben das Böse, von dem in dieser Prophezeiung die Rede ist.“

      „Und ihr Götter macht mich dafür verantwortlich?“

      „Hättest du Kushtur nicht verlassen, wäre dieser Harun wohl kaum dazu in der Lage gewesen ES zu erwecken.“

      „ES?“

      „So bezeichnen wir den Dämon, da niemand seinen wahren Namen kennt. Nicht einmal wir Götter! Außerdem wäre da noch die andere Sache - die mit den Zwillingen.“

      „Ich habe einzig eine Tochter, wie du ja sehr wohl weißt! Sie besitzt lediglich...“

      Vitras wurde plötzlich schwindelig. Seine Gedanken überschlugen sich, und er war mit einem Mal nicht mehr fähig, den Satz zu Ende zu sprechen. Spöttisch führte Tantras den Gedankengang seines Gegenübers fort:

      „Deine Tochter besitzt dank meiner Schwester göttliches Blut. Richtig. Ihre Kinder dagegen, Zwillinge übrigens... wie soll ich sagen... Großvater... sie besitzen göttliches und königliches Blut.“

      Genüsslich trank der Gott einen weiteren Schluck des Weines und beobachtete Vitras. Die Neuigkeiten hatten den Kriegszauberer bis ins Mark erschüttert und Tantras hatte wahrlich seine Freude daran. Er konnte nicht anders. Somit versetzte er Vitras den nächsten Stich.

      „Was hat die Prophezeiung nun in Gang gesetzt? Das Erwachen des Dämons, wofür man dir zumindest eine Teilschuld gibt. Oder die Geburt der Zwillinge, zu der es ohne deine tatkräftige Mithilfe wohl nie gekommen wäre.“

      Vitras brachte kein Wort mehr hervor. Er saß zusammen gesunken in seinem Stuhl und versuchte die Worte des Gottes zu verarbeiten. Es gelang ihm nicht. Tantras beobachtete ihn genau. Er hasste Vitras dafür, dass er es als Sterblicher gewagt hatte, ein Kind mit einer Göttin zu zeugen, obendrein noch mit seiner Schwester. Doch die Prophezeiung war nun einmal in Gang gesetzt und Tantras hatte genaue Anweisungen von Astorius, dem Gott des Lebens und mächtigsten aller Götter erhalten.

      „Komm wieder zu dir Zauberer!“ Brüllte der Gott ihn plötzlich an: „Es ist noch längst nicht entschieden, wie die ganze Sache ausgeht.“

      Vitras streckte seinen Rücken, so dass er wieder gerade saß und erhob seinen Kopf. Fragend blickte er Tantras an.

      „Der


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