Layla. Stephan Lake

Layla - Stephan Lake


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ob Sie Currywurst essen, Leblanc.“

      „Tue ich auch nicht. Aber ich kann lesen. Und das stand auf der Preistafel. Zwei Euro fünfzig für eine Currywurst mit Brötchen.“ Elijah sagte, „Ein pensionierter Kommissariatsleiter geht also wegen zwei Euro fünfzig Currywurst mit Brötchen und, was, zehn Euro Pizza ins Gefängnis. Warum?“

      „Ich hab immer mit Pommes bestellt. Currywurst mit Pommes und Mayo. Kostet mehr. Zweisiebzig glaub ich, drei Euro, so was um den Dreh. Hier riecht es auch nach was zu essen. Aber mitgebracht hast du mir nichts, wie ich sehe. Das nächste Mal, bring mir was mit, Leblanc, okay? Halbes Hähnchen vielleicht oder ‘nen Döner.“

      „Ja, wie Sie aussehen, können Sie was gebrauchen, Snydr, aber ein halbes Hähnchen reißt es bei Ihnen nicht raus. Ihre Klamotten hängen an Ihnen, als hätten Sie zwanzig Kilo abgenommen. Die Zeit hier drinnen bekommt Ihnen nicht so wirklich gut, oder? Schmeckt Ihnen das Essen nicht, oder schlägt Ihnen doch die Situation hier auf den Magen? Soll ich mal mit der Kantine reden? Oder mit dem Arzt?“

      Keine Regung in Snydrs Gesicht und keine Antwort.

      „Warum gehen Sie wegen Zechprellerei ins Gefängnis, Snydr?“

      „Du hast also die Akte gelesen?“

      „Sonst wäre ich nicht hier. Warum?“

      Snydr schüttelte den Kopf. „Hör auf, Leblanc. Ein Polizist wie du, vom BKA und all das, Erfahrung beim FBI, fünf Jahre oder wie lange warst du da drüben – Musst du mir mal gelegentlich erzählen, Leblanc, wenn wir mit all dem hier fertig sind, kapier ich nämlich nicht, wie das gehen kann, fünf Jahre FBI für einen deutschen Bundeskriminalisten.“ Er sagte, „Wo war ich? Ja, jemand wie du hat das doch längst geschnallt. Längst.“

      „Ich wills von Ihnen hören, Snydr. Oder es endet hier.“

      Snydr kniff die Augen zusammen und ballte die Fäuste. „Dann wird meine Anwältin mein Schreiben der Staatsanwaltschaft überbringen. Heute noch. Und deine eigenen-“

      „Darauf lasse ichs ankommen. Also hören Sie auf mit den Grimassen, Snydr. Mich interessieren Ihre Grimassen so wenig wie meine Sie interessieren.“

      Elijah sah Snydr an.

      Snydr sah Elijah an. Und blieb still.

      Elijah stand auf.

      „Bleib sitzen, Leblanc.“

      Snydr schielte an Elijah vorbei auf d’Antonio, genau wie Nevada.

      „Fertig?“, fragte d’Antonio.

      „Leblanc, komm schon, bleib sitzen.“

      Elijah ließ einen Atemzug verstreichen. Dann schüttelte er den Kopf, setzte sich und sah Snydr an.

      „Na gut, Leblanc. Damit wir hier weiterkommen. Ich habe gedacht ...“ Snydr wischte sich mit beiden gefesselten Händen die Augen und über den Schädel und schielte wieder auf d’Antonio und flüsterte. „Nevada. Der Ami. Ich hab gedacht, er wäre Amadeus.“

      „Und was wollten Sie von Amadeus?“

      „Wollen Sie von Amadeus, Leblanc. Ich will immer noch.“

      „Und was wollen Sie von ihm?“

      „Na, Sie haben mit Nevada gesprochen, oder?“

      Elijah nickte.

      „Dann haben Sie ihn auch dazu gebracht, zu erzählen, was passiert ist. Was ich gesagt hab. Dann wissen Sie, was ich von Nevada wollte.“

      „Ich will, dass Sie es sagen, Snydr.“

      „Warum? Was spielt das für eine Rolle? Sie wissen es, ich weiß es.“

      „Sie wissen es, ich vermute es. Und Sie wollen etwas von mir. So sieht es aus.“

      Snydr beugte sich näher an Elijah und sprach noch leiser. „Tragen Sie ein Mikro? Wollen Sie so aus der ganzen Sache rauskommen? Wird Ihnen nicht gelingen. Ich sitze hier fest. Noch fünfzig Tage. Hätte mir nichts ausgemacht, wenn Nevada Amadeus gewesen wäre. Trotz der echt beschissenen Küche, haben Sie völlig richtig erkannt, furchtbarer Fraß, hätte mir trotzdem nichts ausgemacht. Jetzt aber macht es mir etwas aus. Denn Amadeus läuft immer noch da draußen herum, wo er verdammt nochmal nicht hingehört, und ich kann nichts tun.“

      „Ich trage kein Mikro, Snydr.“

      Snydr nickte auf Elijahs Hut.

      „Auch nicht im Hut, Snydr, meine Güte, gucken Sie halt nach.“

      Snydr nahm Elijahs Hut und drehte und tastete.

      „Ich wollte“ – er warf den Hut zurück auf den Tisch – „Nevada erschrecken.“

      „Erschrecken? Reden Sie keinen Müll, Snydr. Wie haben Sie es eigentlich geschafft, zu Nevada in die Zelle zu kommen?“

      „Die sagen hier Haftraum, nicht Zelle.“

      „Wie haben Sie das geschafft?“

      „Seien Sie nicht naiv, Leblanc, Sie wissen selbst, wie so etwas funktioniert.“ Snydr flüsterte wieder. „Ich war lange Polizist. Ich kenne viele Leute hier. Also, ich wollte ihn zum Sprechen bringen. Weil ich glaubte, er wäre Amadeus. Aber ich bin kein Mörder.“ Er schielte erneut auf d’Antonio. Von dort kam keine Reaktion.

      „Und was hätten Sie gemacht, wenn er gesprochen hätte? Was hätten Sie danach mit ihm gemacht?“

      Snydr sah an Elijah vorbei zum Fenster. „Nichts, natürlich.“

      „Natürlich.“ Elijah flüsterte jetzt auch. „Also, Sie haben die Zeche geprellt, weil Sie eine Ersatzfreiheitsstrafe haben wollten.“

      „Ich habe erfahren, dass Amadeus hier einsitzt. Nein, nicht Amadeus, sondern dass der Kerl, von dem ich nach fünfunddreißig Jahren Suche überzeugt war, felsenfest überzeugt war, dass er Amadeus ist, dass der hier einsitzt. Ich musste also hierher. Wegen Pillepalle ein paar Tage in den Knast zu gehen war die einfachste und schnellste Möglichkeit. Und die harmloseste für mich. Weniger als zwei Monate, das ist auszuhalten.“

      „Und jetzt kommt die Preisfrage: Über was wollten Sie mit Amadeus sprechen?“

      „Wollen. Sie haben die Akte gelesen.“

      „Ja. Aber die Akte umfasst nur die Ermittlungen der ersten vier Wochen. Ein Amadeus kommt da nicht vor.“

      Snydr schüttelte müde den Kopf. „Sie enttäuschen mich, Leblanc.“

      Elijah wartete.

      „Das verschwundene Mädchen ... Astrid Zimmermann“, sagte Snydr und guckte erneut zu d’Antonio und rief, „Könnt ihr uns eigentlich mal allein lassen? Wir sind Polizisten, wir haben was zu besprechen. Vertraulich, verdammt nochmal.“

      „Keine Chance, Snydr. Wir habens Ihnen gesagt.“

      Elijah mischte sich nicht ein. Kein Sinn. Irgendetwas war geschehen, und d’Antonio würde sich an die Regeln halten.

      „Astrid hat-“ Snydr schüttelte den Kopf. „Nein, Leblanc. Ich will Ihnen nicht sagen, was ich weiß und was ich noch erfahren hab in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten und welche Schlüsse ich gezogen habe. Ich brauche Ihren Sachverstand, Ihre Erfahrung. Unbeeinflusst. Deshalb habe ich Sie gebeten, die Akte anzuschauen. Ich muss herausfinden, wo ich einen Fehler gemacht habe. Ich muss. Verstehen Sie das? Also, was denken Sie? Ihr Eindruck?“

      „Gebeten?“

      „Ich muss herausfinden, wo ich einen Fehler gemacht habe, Leblanc.“

      Snydr sah müde aus, dachte Elijah. Seine Arme lehnten schwer auf dem Tisch, sein Blick suchte wie ängstlich in Elijahs Gesicht. Von dem harten Hund, der Snydr noch am Morgen gewesen war, war nicht mehr viel übrig. Snydr war müde von den Tagen im Gefängnis und von achtundsechzig Jahren Leben, vor allem aber müde und verzweifelt, weil er immer noch nicht die Person gefunden hat, die für das Verschwinden von


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