Layla. Stephan Lake

Layla - Stephan Lake


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„Ich lege ihn auf den Tisch, wenn ich darf.“

      „Dürfen Sie. Kaffee? Wasser? Bei der Hitze wäre Wasser angebracht.“

      Auf dem Tisch lag eine Akte. Braune Deckel mit wenig Papier dazwischen. Elijah schätzte, weniger als zwanzig Blätter.

      Er legte seinen Hut neben die Akte.

      „Wäre es sehr unbescheiden, wenn ich um einen Kaffee und ein Wasser bitten würde?“

      „Was möchten Sie wissen? Ob es unbescheiden wäre, oder ob Sie einen Kaffee und ein Wasser haben können?“

      Elijah lächelte wieder. „Beides.“

      „Nein, es ist nicht unbescheiden. Und ja, Sie können beides haben. Milch zum Kaffee? Zucker?“

      „Weder noch, danke.“

      Die Anwältin drehte sich um und ging hinaus und kam kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem eine Flasche Wasser und eine Kanne Kaffee standen sowie Glas und Becher und ein Kännchen Milch.

      „Habe ich vorhin frisch gemacht, den Kaffee. Sehr stark, so mag ich ihn. Schauen Sie mal, wenn er Ihnen zu stark ist, dann haben Sie hier doch ...“ Sie deutete auf die Milch. „Lassen Sie sich Zeit mit der Akte. Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie, okay?“

      „Okay.“

      Die Anwältin gefiel ihm.

      10

      „Das ist also jetzt wirklich deine Bude? So was würden mir meine Eltern nie erlauben, niemals, nie und nimmer.“ Layla legte ihren Blouson auf die Couch. Sie schaute sich noch einmal um. „Echt stark, Eli. Ich kenne keinen in unserem Alter, der seine eigene Wohnung hat. Keinen einzigen. Du kannst jetzt machen, was du willst. Aufbleiben, so lange du willst, dir selbst was zu essen machen, Musik hören, Fernseh ... gucken. Du hast keinen Fernseher. Egal, niemand stört dich. Wenn du keinen Bock auf Schule hast, bleibst du einfach liegen.“ Sie warf einen Blick auf das Bett.

      Elijah antwortete, dass er schon Lust hätte zu lernen, Problem wären die Lehrer, viele von denen gehörten nicht in die Schule sondern an ein Fließband in eine Fabrik, wo sie keinen Schaden anrichten könnten, und dass er sich vielleicht irgendwann einen alten, gebrauchten Fernseher kaufen würde, mal sehen.

      „Aber meinen Kassettenrekorder hab ich mitgenommen. Steht da hinten.“

      „Welche Kassetten hast du?“

      „Meinen eigenen Mix aus dem Radio. SWF drei, das meiste aus den Sendungen vom Laufenberg und Elmar Hörig. Dazu ein paar Sachen aus dem Fernsehen, mit dem Mikro aufgenommen.“ Er lächelte. „Aus der alten Zeit. Als ich noch bei meinen Eltern wohnte. Lang ists her.“

      „Aber jetzt sag nicht von der Hitparade mit dem Heck.“

      „Rockpalast und ein bisschen von Disco.“

      „Der Ilja Richter ist doof.“

      „Der ist manchmal langweilig, aber ansonsten ist der harmlos und nett.“

      „Und du magst harmlos und nett?“ Sie sah ihn von der Seite an mit ihren dunklen Augen und zog dann auch ihren Pullover aus. „Schön warm hier drin.“

      In ihrem T-Shirt sah sie noch schmaler aus, als er erwartet hatte. Elijah spürte, wie es in seinem Bauch zu kribbeln begann.

      „Du solltest auch deinen Pulli ausziehen, Eli, der riecht ein bisschen vom Regen. Leg ihn auf die Heizung zum Trocknen.“

      „Besser nicht die Heizung, sonst riechts noch mehr. Couch ist gut.“ Elijah legte den Pullover neben ihren Blouson und sagte, „Ich mag harmlos und nett. Von dem anderen habe ich jeden Tag genug. Live und in Farbe.“

      „Was hörst du am liebsten?“

      „Am liebsten?“

      „Welche ist deine absolute All-Times-Lieblingsband?“

      „Kann ich nicht sagen. Hab ich nicht. Ich mag von vielen Bands viele Lieder, aber von keiner Band alle Lieder. Verstehst du, was ich meine?“

      „Ich glaube. Also, was ist dann dein Lieblingslied? Was ist Top deiner persönlichen Best-Mix?“

      „Kommt auf die Stimmung an. Aber In the air tonight ist immer dabei und Whitesnake, Here I go again. Dann ein paar Sachen von Meat Loaf, Thin Lizzy, Deep Purple mit Child in time, Lynyrd Skynyrd, Bob Seger. Journey ganz klar, Don’t stop believin‘-“

      „Separate Ways. Ich liebe Journey.“

      „Verdamp lang her find ich aber auch nicht schlecht, der Westernhagen hat ein paar ganz gute Sachen, Mit 18 zum Beispiel. Styx auch, ein bisschen schmalzig vielleicht, aber trotzdem, The best of times-“

      „-are when I’m alone with you.“

      Sie sah ihn an. Ihre Augen strahlten.

      „Ja. Und wenn ich mit einem Mädchen zusammen wäre, würde ich vielleicht Romeo and Juliet einlegen.“

      „Mit einem Mädchen zusammen?“

      „Nur so zu sagen.“

      „Ah. Romeo and Juliet? Von wem ist das?“

      „Dire Straits.“

      „Um was gehts in dem Lied?“

      Um den verliebten Romeo, sagte Elijah, der nachts vor einem Haus unter dem Fenster seiner Juliet steht und ein Liebeslied für sie singt, You and me, babe, how about it? Dem Juliet aber antwortet, Hey Romeo, mein Freund ist zurück, du kannst nicht einfach so hier auftauchen und singen. Aber Romeo ist sehr verliebt, er sagt, sie soll ihn nicht ansehen, als wäre er nur irgendeiner, sie wüsste doch, wenn sie sich geliebt hätten, dann hat sie geweint und ihm gesagt, Ich liebe dich wie die Sterne am Himmel, und ich liebe dich, bis ich sterbe.

      „Oh, das hört sich so schön an“, sagte Layla. „Ich liebe dich, wie die Sterne am Himmel, ich liebe dich, bis ich sterbe. Geht es gut aus? Bitte sag, dass es gut ausgeht.“

      Elijah schüttelte den Kopf.

      „Sie ist also nicht so nett, diese Juliet, hm?“

      „Nein, das ist sie nicht.“

      „Hast du eigentlich ...“ Layla kam einen Schritt an ihn heran. „Hast du eigentlich gewusst, dass ich total harmlos und nett bin, Eli?“

      Layla stand jetzt ganz dicht vor ihm und sah zu ihm hoch.

      Elijah spürte die Wärme ihres Körpers, obwohl sie sich nicht berührten, und er spürte ihren warmen Atem in seinem Gesicht, ihr Mund nur Zentimeter von seinem Mund.

      Das Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker. Und tiefer, es wunderte ihn nicht, regte sich längst auch was. War das dasselbe Kribbeln, von dem immer die Rede war, das Kribbeln, wenn Menschen sich liebten? Wenn sie sich verliebten?

      Konnte das sein? War er verliebt in Layla?

      Warum nicht? Weshalb sonst hörte er seit Wochen das Lied mit ihrem Namen rauf und runter?

      Und wenn es so war, was sollte er jetzt tun? Sollte er sie jetzt umarmen? Sie küssen?

      Doch was, wenn sie ihn nicht mochte? Wenn sie nur einfach so mit ihm gekommen war? Wenn sie mit ihm spielte, genau wie Juliet mit Romeo?

      Aber sie hatte sich bei ihm eingehängt und dann sogar seine Hand genommen und nicht mehr losgelassen. Und sie hatte gesagt, dass Juliet nicht nett war. Das musste doch etwas bedeuten, oder?

      Oder?

      Was sollte er tun?

      Er sagte, „Vielleicht würden wir auch etwas anderes hören. Etwas altes. Aus 1970. Clapton vielleicht.“

      Layla guckte. Ihre Stimme war leise, kaum mehr als ein Hauchen. „Du ... hast Eric Clapton auf deinem Rekorder?“


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