Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben. Lisa Lamp

Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben - Lisa Lamp


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seiner Zunge meine Tätowierungen ableckte. Er fuhr mit seinen großen Händen meine Taille entlang und stoppte diesmal nicht an meinem Bund, sondern schob seine Finger zwischen den Knopf der Hose und meiner Haut, um meine Jeans zu öffnen. Das kühle Metall des Reißverschlusses bildete einen starken Kontrast zu seinen warmen Handflächen. Ich stöhnte und hob mein Becken an, als Hunter mir: »Fühlt sich das gut an, Prinzessin?« ins Ohr flüsterte. Mitten in der Bewegung erstarrte ich und mein Gehirn schaltete sich wieder ein, da ich sofort das Bild von Maria und ihrem Gemahl, der dieselben Worte an meine Vorfahrin gerichtet hatte, vor Augen sah und plötzlich war das Gefühl der Schwerelosigkeit in meinem Inneren verschwunden. Die Wirklichkeit brach auf mich ein und der Geruch von verwesenden Körpern kroch in meine Nase, als ich mich wieder an die alten Gemäuer der Kirche erinnerte, in denen Maria ihre letzten Tage gefristet hatte. Ganz allein, während ihr Gemahl ebenfalls qualvoll sterben musste, weil er sie geliebt hatte. Was zur Hölle tat ich hier? Wir hatten uns darauf geeinigt Freunde zu sein, und wenn wir jetzt weitergingen, würden wir nie mehr eine freundschaftliche Beziehung führen können. Aber die wichtigere Frage war: Wollte ich das? Wollte ich hier auf diesem Turm meine Unschuld an Hunter verlieren? War ich bereit, es zu tun?

      Meine Ziehmutter hatte immer gesagt, dass Mädchen, die unverheiratet Sex hatten, in die Hölle kamen, aber ich war eine Hexe, deshalb würde mich der Himmel wahrscheinlich sowieso nie zu Gesicht bekommen. Aus irgendwelchen Gründen war ich trotzdem noch nicht bereit, Sex zu haben. Vielleicht, weil die letzte Zeit so verwirrend war. Vielleicht, weil ich jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, Leichen von Schülern sah. Vielleicht, weil ich mir meinen Gefühlen Hunter gegenüber nicht sicher war. Aber egal, welcher dieser Gründe mich zurückhielt, solange es sich nicht hundertprozentig richtig für mich anfühlte, sollte ich auf keinen Fall leichtfertig mit ihm schlafen, da wir ansonsten für immer ungewollt aneinander gebunden wären.

      »Hör auf«, verlangte ich leise und wollte mich aufsetzen, um ein wenig Distanz zwischen uns zu bringen, sodass mein Körper nicht erneut meinen Verstand lahmlegen konnte. Hunter drückte meinen Oberkörper wieder auf den Boden und sagte: »Entspann dich, Prinzessin.«

      Dann küsste er meine Schläfe und wandte sich wieder meinem Hosenknopf zu.

      »Hunter, du sollst aufhören!«, wiederholte ich und schaffte es diesmal mich aufzurichten, weil mein Begleiter mehr damit beschäftigt war, mich auszuziehen, als meinen Brustkorb auf die Decke zu drücken. Wie ein Wahnsinniger riss er an meiner Jeans, bis der Verschluss sich endlich öffnete und er den Stoff von meinem Körper ziehen konnte. »Hunter, ich meine es ernst, hör jetzt auf!«, schrie ich und strampelte mit den Füßen. Was war in ihn gefahren? Ich biss erzürnt die Zähne zusammen, als Hunters Gewicht meine Beine in den Boden drückte und mir somit jegliche Bewegungsfreiheit nahm.

      »Stell dich nicht so an«, fluchte er und hielt meine Arme fest. Unbehagen erfüllte mich und am liebsten hätte ich ihn für diese Aktion geschlagen, da er meinen märchenhaften Abend ruinierte. Außerdem benahm der Schwarzhaarige sich vollkommen irrational. Er zupfte und riss an mir, wie ein Kind an einer leblosen Puppe. Mit diesem Verhalten war es kaum vorstellbar, dass er mich vor wenigen Minuten noch wie eine Königin behandelt hatte.

      »Was soll das?«, zischte ich und versuchte mich aus seiner Umklam-merung zu lösen.

      »Du machst mir Angst«, kreischte ich und wollte seinen Griff lockern, indem ich mich gegen ihn stemmte. Zum ersten Mal verfluchte ich, dass er stärker war als ich mit meinen 70 Kilogramm Kampfgewicht, und wurde panisch. Kurz erhaschte ich einen Blick in Hunters Augen, die eine seltsam milchige Farbe angenommen hatten und mich aggressiv ansahen.

      »Hunter?«, fragte ich wimmernd und versuchte von ihm weg zu krabbeln, weil seine Hände zu Fäusten geballt waren. Angriffslustig fuhr er sich übers Gesicht und mahlte mit den Zähnen. Als der Schwarzhaarige wieder nach mir griff, bekam ich seine Hand zu fassen und stellte mir vor, wie meine Finger heiß wurden. Augenblicklich schrie der jüngere Morgan-Bruder laut auf vor Schmerz und ließ von meinem Bein, das er wie einen Schraubstock festhielt, ab. Augenblicklich ließ ich die Flammen wieder verschwinden, um nicht aus Versehen das Dach in Brand zu setzen. Trotzdem war Hunters Handfläche krebsrot, aber seine Haut warf keine Blasen, wie es Nicoles Oberarm getan hatte, als ich zum ersten Mal meine Kräfte gegen einen Menschen eingesetzt hatte. Obwohl dieser Mistkerl es im Moment genauso sehr verdient hätte, wie die Eisprinzessin damals.

      »Wo ist dein Problem?«, schrie er mir entgegen.

      Was mein Problem war? Was war denn bitteschön sein Problem?

      »Du hast mir wehgetan und du hast nicht aufgehört, als ich dich gebeten habe«, keifte ich zurück. Am liebsten hätte ich mich in eine Decke eingerollt und geweint.

      »Als du nicht mehr wolltest? Wir machen ständig, was du willst. Du denkst immer nur an dich. Hast du dich jemals gefragt, was ich vielleicht will?«, fauchte er und Tränen der Wut traten mir in die Augen, weil ich einerseits wusste, dass er recht hatte, aber es andererseits keinesfalls entschuldigte, was für eine Show er gerade abzog. Außerdem hatte ich ihn oft gefragt, ob er irgendetwas anderes tun wollte und er hatte immer verneint. Er wollte mir Zeit lassen. Zumindest dachte ich das.

      »Ich denke immer nur an die anderen. Auch an dich«, behauptete ich, um mich selbst zu verteidigen. Ich schniefte mitleiderregend und konnte nicht verhindern, dass sich salzige Tränen aus meinem Augenwinkel lösten. Warum nahm er mich nicht in den Arm, um mich zu trösten, wie er es sonst tat? Er stand einfach nur da und sah mich aus ausdruckslosen Augen an.

      »Aber was du willst, wissen wir jetzt: Du willst mich einfach nur ficken«, setzte ich nach und kurz konnte ich einen Schimmer Reue in seinen Gesichtszügen erkennen, bevor er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte. Meine Worte waren hart. Das war mir bewusst, aber ich wusste nicht, wie ich anders mit der Trauer in meinem Herzen hätte umgehen sollen.

      »Nein, ich wollte dich lieben, dich vergöttern, aber das willst du ja nicht«, warf er mir vor und schnappte sich sein Shirt vom Boden, um es wieder überzuziehen. Wütend funkelte er mich an, während er sich wiederaufrichtete.

      »Ich kann nichts dafür, dass alles so unglaublich kompliziert ist«, murmelte ich kleinlaut und schlang die Arme um meinen Körper, um äußerlich Stärke zu signalisieren, obwohl der Versuch in Anbetracht meiner Tränen lächerlich war. Ob ich ihn beruhigen konnte, wenn ich ihm lange genug gut zuredete?

      »Doch, weil du alles verkomplizierst. Bevor du an diese Schule gekommen bist, war alles leichter«, behauptete er angriffslustig und mir fiel es schwer, nicht zu schluchzen. Mit Reden kam ich in dieser Situation wohl nicht weiter. Das hielt er also von mir? Dass es besser gewesen wäre, wenn ich es nie an die Hexenschule geschafft hätte? Hunter reduzierte mich von einem Menschen zu einem wandelnden Problem auf zwei Beinen. Vielleicht nicht absichtlich, aber deshalb tat es nicht weniger weh.

      »Schön. Dann wäre es wohl besser, wenn ich ganz schnell wieder von hier verschwinde«, flüsterte ich gekränkt, doch da er mir antwortete, wusste ich, dass er mich gehört hatte.

      »Ja genau, spiel wieder das arme Mädchen, das für nichts etwas kann, aber ganz ehrlich: Ich habe mich wochenlang um dich bemüht und von dir kam absolut gar nichts. Glaub mir, ab jetzt brauchst du keine Angst mehr haben, dass ich mit dir schlafen will. Du bist einfach nur erbärmlich.«

      Autsch. Das hatte gesessen.

      Wenn er mich geschlagen oder angespuckt hätte, wäre die Botschaft nicht halb so erniedrigend gewesen. Noch vor einer Stunde dachte ich, dass alles zwischen uns in Ordnung war und nun verfluchte er jedes Wort, das ich je gesagt hatte. Kurz erstarrte Hunter, als ich ihm den Rücken zuwandte, weil er nun eine gute Sicht auf die Narben, die meine Ziehmutter mir zugefügt hatte, bekam. Aber das war mir lieber, als noch länger halb nackt vor ihm zu stehen, obwohl er mir nur Groll und Hass entgegenbrachte. Nackt war ich viel zu angreifbar. Der Leidensdruck in meiner Brust verstärkte sich und ich hatte das Gefühl, dass mein Herz zerbrach, sodass am Ende Millionen kleine Splitter gegen meine Organe stachen, jedes Mal, wenn ich einatmete. Ich beugte mich zu meinem Shirt und zog es über meinen geschundenen Körper. Was auch immer mit dem Schwarzhaarigen nicht stimmte, in dem Moment, in dem er einfach ging, ohne ein Wort zu sagen, wusste ich, dass das nicht mehr mein Hunter war. Mein Held hätte mich nie weinend


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