Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben. Lisa Lamp

Wenn die Nacht stirbt und dunkle Mächte sich erheben - Lisa Lamp


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rief ich, aber die Blondine beschleunigte ihre Schritte, bevor sie urplötzlich stehen blieb und sich zu mir umdrehte, als hätte sie beschlossen, mir gnädigerweise zu antworten.

      »Vertrau ihr nicht, Read. Niemand sollte ihr vertrauen. Du kennst sie nicht, wie ich sie kenne«, schrie sie und zitterte am ganzen Leib. Ihre Gesichtszüge waren zu einer Grimasse verzogen. Schweiß perlte von ihrer Stirn und rollte über ihre Schläfen. Ihre Pupillen waren weit aufgerissen und Strähnen hingen ihr ins Gesicht. In meinen Augen sah sie wie eine Irre aus, die aus einer Anstalt entflohen war. Obwohl ich bezweifelte, dass es in der Psychiatrie Designerschuhe und mintgrüne Kleider gab.

      Nach ihrem Ausbruch wandte sie sich ab und lief weiter in Richtung des Mädchentrakts.

      »Wem soll ich nicht trauen? Redest du von Regan? Nicole!«, schrie ich ihr nach, doch sie antwortete mir nicht noch mal. Sie ging einfach stoisch weiter und zog ihre Jacke enger um ihren perfekten Körper.

      Als die Blondine nicht mehr in Sicht war, klopfte mir jemand auf die Schulter, woraufhin ich zusammenzuckte, weil ich beim Fluchen unterbrochen wurde. Ein Arm schlang sich um meine Taille und drückte mich an seinen harten Körper.

      »Wenn du mich fragst, hat sie den Verstand verloren«, meinte Hunter und küsste meinen Hals. Ein angenehmer Schauer jagte über meinen Rücken und ich lehnte mich in die Umarmung. Meine Hände platzierte ich über seinen und schloss die Augen. »Seit Wochen sieht man sie nur noch alleine irgendwo sitzen, wenn sie überhaupt einmal ihr Zimmer außerhalb der Unterrichtszeit verlässt. Außerdem hat der Psychologe eine posttraumatische Belastungsstörung bei ihr festgestellt. Sie weiß wahrscheinlich nicht, wovon sie redet.«

      Der Schwarzhaarige versuchte mich immer weiter von der Unzurechnungsfähigkeit der früheren Oberzicke zu überzeugen. Zugegeben, sie zickte immer noch zu viel, aber darum ging es gerade nicht. Ich wusste, dass Hunter mich nur beruhigen wollte, aber wahrscheinlich hatte er auch recht. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass Nicole keinesfalls einfach nur verrückt geworden war. Das passte nicht zu ihr. Sich zurückziehen, die Welt hassen und um sich schlagen – okay. Aber durchdrehen? Das war nicht der Stil der Höllenhexe.

      Sie klang zu aufgewühlt, fast panisch. Als erwarte sie, dass etwas Schreckliches passieren würde. Außerdem konnte ich keinen Wahnsinn in ihren Augen sehen, sondern nur entsetzliche Angst. Ich nahm mir vor, mit Tara über Nicole zu sprechen, um sie um ihre Meinung zu bitten, und legte das Thema währenddessen ad acta. Solange die Eisprinzessin nicht mit mir reden wollte, konnte ich sowieso nur spekulieren.

      »Du hättest bei den anderen bleiben sollen«, meinte ich, als Hunter begann sich meinen Hals hinunter zu küssen und meine Gedanken stoppte. Mit einem einzigen Kuss schaffte er es, dass ich die Welt um mich herum vergaß. Nicoles Gefühlsausbruch und das Gespräch mit Regan waren mit einem Mal weit weg. Nur noch die Lippen meines Gemahls hatten eine Bedeutung. Ich seufzte wohlig. So könnte das Leben von mir aus immer sein. Mit Schwung drehte mich der jüngere Morgan-Bruder zu sich und küsste sich von meiner Schulter zu meinen Wangen und schließlich zu meinem Mund. Überall, wo er mich berührte, erwärmte sich meine Haut und mein Blut begann zu kochen. Hunter schmeckte nach dem Eistee, den er zu seinem Mittagessen getrunken hatte, und Kräutern, die immer seinem Duft anhafteten. Der Geruch benebelte meine Sinne und ich lehnte mich dem betörenden Duft entgegen.

      »Fresst ihr euch gegenseitig auf oder kommt ihr wie geplant mit nach draußen?«, rief Jona vom Torbogen aus und Taranee schlug ihm gegen den Arm, während meine Mitbewohnerin kicherte.

      »Nur noch kurz«, flüsterte mein Gegenüber, als ich mich von ihm entfernen wollte, und gab mir noch einen letzten Kuss hinter mein Ohr.

      »Geh mit mir aus!«, forderte er und knabberte an meinem Ohrläppchen. Meine Beine erzitterten und ich schmolz in seinen Armen dahin.

      »Was?«, fragte ich leise und erhielt prompt eine Antwort: »Heute. Ich hol dich vor dem Abendessen in deinem Zimmer ab und wir essen an meinem Lieblingsort.«

      Hunter sah mich flehend an und drückte mich näher an sich.

      Überfordert nickte ich einfach und ließ zu, dass Tara mich am Arm packte, um mich von meinem Gemahl wegzuziehen.

      Den restlichen Tag verbrachten wir im Schulgarten, wobei Taranee und ich schon nach wenigen Stunden gingen, da Tara mir unbedingt bei der Kleiderwahl für das heutige Date helfen wollte. Wenn ich gesagt hätte, dass ich nicht nervös gewesen wäre, hätte ich gelogen. Meine Knie zitterten bei jedem Schritt und meine Zimmergenossin musste mir oft dreimal dieselbe Frage stellen, da ich viel zu abwesend war, um sie beim ersten Mal zu verstehen. Natürlich versuchte ich mir einzureden, dass es sich nur um Hunter handelte und er mich nicht abstoßen würde, falls etwas nicht nach Plan verlief. Aber in mir war dieser Drang, dass alles perfekt werden sollte. Nach gefühlt tausend Kleidern, die ich laut Taranee anprobieren musste, und hundert Schuhen, die alle meiner Meinung nach gleich aussahen, hatte ich endlich etwas Passendes zum Anziehen gefunden. Als ich zum letzten Mal, bevor der Schwarzhaarige mich abholen kam, in den Spiegel sah, trug ich eine schwarze Röhrenjeans und einfache schwarze Sneaker. Kombiniert mit dem kräftigen Rot des Shirts, das nur bis knapp oberhalb meines Bauchnabels reichte, ließ es mich ein wenig wie eine Rebellin aussehen. Tara hatte mir die Haare hochgesteckt und mir Ohrringe geliehen, die zu meinem Ring, den ich nie abnahm, passten. Selbst ich fand mich in diesem Moment, als Hunter an unser Pentagramm klopfte, wunderschön. Ich war dankbar, dass Taranee öffnete, da ich so noch kurz Zeit hatte mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen und mir selbst entgegenzulächeln. Nicht nur meine Umgebung hatte sich in den letzten Monaten verändert, sondern auch ich selbst. Ich hatte gelernt, meine Tätowierungen zu lieben, anstatt alles zu verfluchen, wofür sie standen. Nun war ich eine Hexe, oder war immer schon eine gewesen, und ich liebte es, mehr zu sein als eine durchschnittliche, unsichtbare Schülerin, die einer geschwätzigen Blondine hinterherrennt, weil sie sonst niemandem zum Reden hatte.

      »Wow«, flüsterte Hunter, der hinter mich getreten war und fuhr über meine Ellbogen, während er mich im Spiegel betrachtete.

      »Du siehst hübsch aus, Prinzessin«, hauchte er gegen meine Schläfe und küsste mich auf den Scheitel. Ich hatte mich selten so perfekt gefühlt wie in diesem Moment. Früher, als ich noch ein Niemand gewesen war, hatte ich nicht auf mein Äußeres geachtet, da mich niemals jemand registriert hatte. Doch Hunter sah mich und was noch wichtiger war: Ich wollte von ihm gesehen werden. Ich wollte, dass er mich hübsch fand und seinen Blick nicht von meinem Körper abwenden konnte.

      »Können wir?«, wollte er wissen und nahm meine Hand in seine. Schnell rief ich Taranee, die sich auf ihr Bett gelegt hatte und ein Buch las, eine Verabschiedung zu und wurde im nächsten Augenblick schon von meinem Date aus dem Raum gezogen. Lachend lief ich dem Schwarzhaarigen hinterher und war im Nachhinein froh, dass meine Mitbewohnerin mir die flachen Schuhe eingeredet hatte, weil ich sonst nicht mit Hunters schnellem Tempo hätte mithalten können. Er stoppte vor dem einzigen schwarzen Pentagramm des Ganges und klopfte mehrere Male gegen die rechte obere Spitze, obwohl der Durchgang durch die schwarze Farbe deutlich als verboten für Schüler gekennzeichnet war. Es rauchte wie bei einem Spezialeffekt unter der Mauer hervor und die Wände öffneten eine Lücke, während sich zeitgleich Stiegen aus dem Putz formten. Trotz der Veränderungen war kein Mucks zu hören. Erstaunt riss ich die Augen auf, weil ich nicht glauben konnte, wie viel Magie sich täglich um mich herum befand. An dieser Schule entdeckte ich wirklich jeden Tag etwas Neues und manches erschreckte mich immer noch, obwohl ich das Schulgebäude schon seit Wochen mein Zuhause nannte.

      »Kaum jemand weiß davon, deshalb ist es schön ruhig«, meinte Hunter und lächelte belustigt, als er meine geweiteten Pupillen bemerkte. Galant vollführte er eine Verbeugung und ließ mir den Vortritt, sodass er meine Rückansicht genießen konnte. So schnell wie möglich rannte ich die Treppe hinauf, da mich meine Neugierde fast umbrachte. Ich wollte wissen, was sich der Charmeur für unsere erste richtige Verabredung ausgedacht hatte. Bis jetzt hatte er zu keinem meiner Freunde ein Wort über seine Pläne verloren. Selbst aus Hunters Bruder war nichts herauszubekommen.

      Auf der letzten Stufe angekommen, blieb ich stehen und der Schwarzhaarige stoppte hinter mir, wobei er fast gegen meinen Rücken gestoßen wäre.

      »Gefällt es dir?«,


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