Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller

Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller


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mit Hilfsmitteln, Waffen usw.). Probleme kann die Abgrenzung zwischen Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang gegen Sachen bereiten, etwa im Falle des Aufbrechens einer Tür. Die Abgrenzung bereitet Schwierigkeiten, weil sich die Ersatzvornahme bei Einwirkung auf eine Sache ihrem äußeren Erscheinungsbild nach häufig nicht vom unmittelbaren Zwang unterscheidet. Bei der Abgrenzung zwischen Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang gegen Sachen ist nach hier vertretener Ansicht danach abzustellen, ob der Gefahrenabwehrzweck durch die Zwangsmaßnahme unmittelbar erreicht wird (dann Ersatzvornahme) oder die Einwirkung auf eine Sache den Erfolg nur mittelbar (im Sinne einer Beugefunktion) herbeiführen soll (dann unmittelbarer Zwang gegen Sachen).81 Danach liegt im Falle des Eintretens einer Tür unmittelbarer Zwang gegen Sachen vor. Denn Gefahrenabwehrzweck ist hier die Abwehr einer Gefahr in der Wohnung. Dieser Zweck wird durch das Einschlagen der Tür nicht erreicht. Das Einschlagen der Tür ermöglicht erst die eigentlich intendierten Gefahrenabwehrmaßnahmen. Zudem kann von einer Ersatzvornahme nur dann ausgegangen werden, wenn das polizeiliche Tätigwerden mit der vom Pflichtigen vorzunehmenden Handlung identisch ist. Ist dies nicht der Fall, sind die Vorschriften über den unmittelbaren Zwang einschlägig.82 Im Falle des Eintretens einer Tür sind diese Handlungen nicht identisch, wenn dem Pflichtigen zuvor aufgegeben wurde, die Tür zu öffnen. Zwar ließe sich argumentieren, dass eine polizeiliche Gebotsverfügung, die einen Wohnungsinhaber zum Öffnen der Tür verpflichtet, die Art und Weise des Türöffnens regelmäßig nicht vorgibt. Gegen eine solche Sichtweise spricht jedoch, dass vom Pflichtigen grundsätzlich nicht das Aufbrechen seiner eigenen Tür verlangt werden darf, weil eine solche Verfügung unverhältnismäßig wäre. Die Polizei nimmt mithin keine dem Wohnungsinhaber obliegende Handlung vor. Insofern ist im Fall des Eintretens einer Wohnungstür von unmittelbarem Zwang auszugehen.83

       Art und Weise der Zwangsanwendung

      Jede Art von Zwang ist vor Anwendung grundsätzlich anzudrohen (§ 56 PolG NRW). Zwangsgeld und Ersatzvornahme sind möglichst schriftlich anzudrohen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW). Die Androhung beim unmittelbaren Zwang (§ 61 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW ist lex specialis zu § 56 PolG NRW) kann hingegen in jeder geeigneten Form erfolgen, z. B. auch mittels „Warnschuss“). Wann von der Androhung abgesehen werden kann, regeln § 56 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW und § 61 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW. Danach ist eine Androhung entbehrlich, wenn „die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist“.

       Bei Anlass: Besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

      In Betracht kommen Fesselung nach § 62 PolG NRW (unmittelbarer Zwang durch Hilfsmittel körperlicher Gewalt) und Schusswaffengebrauch gem. §§ 63 ff. PolG NRW (unmittelbarer Zwang durch Waffeneinsatz).

       Ermessen und Übermaßverbot

      Ermessen und Verhältnismäßigkeit sind nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen. Während die Prüfung des Ermessens in Klausuren regelmäßig sehr knapp erfolgen kann („Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.“), muss die Verhältnismäßigkeit von polizeilichen Zwangsmaßnahmen meist ausführlicher geprüft werden, insbesondere bei der grundrechtsintensiven Anwendung unmittelbaren Zwanges. Es ist zu klären, ob das Zwangsmittel das mildeste zur Verfügung stehende wirksame Mittel war. Dabei gilt grundsätzlich, dass das Zwangsgeld das mildeste Zwangsmittel ist, gefolgt von der Ersatzvornahme und dem unmittelbaren Zwang. Wurde unmittelbarer Zwang angewandt, muss bei der Erforderlichkeit nicht mehr geprüft werden, ob andere mildere Zwangsmittel hätten angewandt werden können. Denn das wurde vorab schon mit § 55 Abs. 1 PolG NRW geprüft. Somit ist nur bei der Ersatzvornahme zu prüfen, ob alternativ ein Zwangsgeld in Betracht gekommen wäre. Überdies ist zu prüfen, ob innerhalb des konkreten Zwangsmitteleinsatzes eine mildere Maßnahme in Betracht gekommen wäre. Ausführungen hierzu sind regelmäßig bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang erforderlich.

      I. Ermächtigungsgrundlage

       Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist.

      1. Grundrechtseingriff

      2. Zielrichtung

      3. Ermächtigungsgrundlage

      II. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen

      1. Zuständigkeit

      2. Verfahren

      – Anhörung entfällt (Ersatzvornahme/unmittelbarer Zwang sind Realakte)

      – bei a. A. Anhörung entbehrlich, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG

      III. Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme

      1. Zulässigkeit des Zwangs (§ 50 Abs. 2 PolG NRW)

      a) gegenwärtige Gefahr

      b) Notwendigkeit des Sofortvollzugs

      c) Handeln innerhalb der Befugnisse

      – Inzidentprüfung der fiktiven Grundverfügung (hypothetischer VA)

      aa) Rechtsgrundlage

      bb) Materielle Rechtmäßigkeit

      2. Zulässigkeit des Zwangsmittels (§ 51 PolG NRW)

      a) Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW)

      b) Unmittelbarer Zwang (§§ 55, 58 PolG NRW)

      3. Art und Weise der Zwangsanwendung

      a) Androhung (§§ 51 Abs. 2, 56, 61 PolG NRW)

      b) Bei Zwangsgeld: Festsetzung, § 53 Abs. 1 und 2 PolG NRW

      4. Bei Anlass: Besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

      a) Fesselung (§ 62 PolG NRW)

      b) Schusswaffengebrauch (§§ 63–65 PolG NRW)

      5. Ermessen

      6. Übermaßverbot

      a) Geeignetheit

      b) Erforderlichkeit

      c) Verhältnismäßigkeit

      IV. Ergebnis

       zu I. Ermächtigungsgrundlage

      In Betracht kommt § 50 Abs. 2 PolG NRW (Sofortvollzug).

       zu II. Formelle Rechtmäßigkeit


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