Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten. Böhlau Helene

Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten - Böhlau Helene


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der Deckel von der Suppenschüssel gehoben wurde, den Gästen bewußt oder unbewußt in Erinnerung.

      Das war die Eigentümlichkeit dieser Suppe!

      Frau Rat hatte den Mädchen gesagt: »Die Suppe muß sein wie eine Musik oder wie ein Gedicht, die Leute sollen fröhlich davon werden.«

      Ja, es war eine feierliche Suppe!

      Draußen wirtschaftete der Sturm gewaltig. Die Fensterscheiben klirrten, und im Schornstein heulte und jammerte er.

      Nach der Suppe gab es einen Karpfen, – einen Spiegelkarpfen mit großen, goldenen Schildern und Flecken, den besten Karpfen, den der Hoffischer gehabt hatte, einen Riesen! Röse und Marie hatten natürlich mitgeholfen, ihn aus dem Behälter herauszufischen, in dessen klarem Ilmwasser die festen Karpfenburschen sich im dichten, goldig flimmernden Gewimmel durcheinander drängten, und den allerherrlichsten hatten sie also erwischt.

      Er war so schön, so unaussprechlich schön in seiner Strammheit, seiner Schlüpfrigkeit und in seinem Goldglanze gewesen.

      Der Hoffischer hatte ihn selbst geschlachtet, hatte ihm den Kopf auf den festen Tisch geschlagen, dessen Füße im Rasen neben den Fischbehältern eingerammt waren, und der über und über von Fischschuppen flimmerte. Dann hatte er den Fisch in zwei Hälften geteilt und den Ratsmädchen in den Korb gepackt und ihnen die Fischblase extra verehrt. Marie war darauf getreten, um sie zerplatzen zu lassen; es hatte auch wie ein Schuß geknallt. Das war ein althergebrachter Spaß gewesen.

      Als der Karpfen auf den Tisch im Familienzimmer kam, blau gesotten mit geriebenem Meerrettich, und ganz in Petersilie ruhend, da rief der Apotheker: »Donnerwetter, ist das ein Prachtkerl! Ist das ein einziger gewesen?«

      Diese beiden Dinge, die Suppe und der Karpfen, waren aber nur die Vorläufer vom Propheten.

      Die Gäste waren nicht zum Karpfenessen geladen, sondern zu einem wirklichen und wahrhaftigen Fasanenschmaus.

      Die Fasanen hatte der junge Adjutant Thon von einer Hofjagd mitgebracht, denn er war ein großer Jäger vor dem Herrn, und hatte sie Frau Rat Kirsten in die Küche geliefert, und nun sollten sie feierlich gemeinschaftlich verzehrt werden.

      Als die Magd diese seltenen Geschöpfe hereinbrachte, waren alle erstaunt, auch der Herr Rat, daß diese merkwürdigen, nußbraun gebratenen Tiere silberne Füße und silberne Köpfe hatten.

      »Ja,« rief der Apotheker, »Herr Adjutant, alle Achtung vor eurer Fasanenjagd! Das nenn' ich mir Silberfasanen! Silberne Köpfe und silberne Füße!«

      Röse und Marie kniffen sich gegenseitig in die Finger und waren glückselig über das Erstaunen, und daß ihr Vater auch nichts davon gewußt hatte.

      Die Schopenhauerin hatte Frau Rat, als sie von dem Geschenk gehört hatte, diesen herrlichen Ausputz für gebratene Vögel aus ihrem Silberschrank geliehen.

      Dazu brachte Herr Rat auch eine Ueberraschung: zwei Flaschen alten Steinwein in Bocksbeuteln. Diese beiden Flaschen hatte er in dem Franzosenjahr vor den gierigen Langfingern versteckt. Er hatte sie im kleinen, dunklen Höfchen unter dem Regenfaß vergraben und, als die Luft wieder rein war, wieder hervorgeholt, und seitdem lagerten sie in einer Mauernische, hoch oben in Rat Kirstens Keller, ganz von Staub und Spinnweben bedeckt; und in solchem Zustande setzte er sie, als die Vögel mit den silbernen Füßen kamen, zum Entsetzen seiner Frau stolz auf den Tisch.

      »Aber Kirsten!« sagte diese gekränkt.

      »Papperlapapp!« – Herr Rat war schon dabei, eine zu entkorken. – »Gehört sich's nicht etwa so?«

      Und der Apotheker unterrichtete Frau Rat Kirsten, daß ein alter, seltener Wein in so staubigen und schimmeligen Flaschen auf den Tisch kommen müsse; das sei für den Kenner das Feinste.

      Die Fasanen hatten einen stattlichen Hofstaat von Salaten, Kompotts und Beilagen aller Art.

      »Na, und wie steht's denn mit dem Fuchs, den Sie verspürt haben wollen?« fragte der Apotheker den jungen Thon. »Das wäre heute so eine Nacht für die Bestie, um den Fasanen im Webicht einen Besuch zu machen!«

      »Freilich, freilich, das wird er wohl auch vorhaben!« antwortete der Adjutant lebhaft.

      »Seinen Bau hat der freche Bursche übrigens an der Ilm an dem Abhang zwischen Krommsdorf und Tieffurth – so eigentlich mitten im Tieffurther Park. Verspürt ist er nun, der Lump … aber …!«

      »Ja – aber!« lachte der Apotheker und stieß mit dem Adjutanten auf den Fuchs an.

      Marie zupfte Röse am Kleid.

      Röse saß zwischen Marie und Ottokar Thon.

      »Röse,« tuschelte Marie besorgt, – »sie werden doch nicht gar zu lange bleiben?« –

      Röse fuhr wie aus einem Traum auf.

      »Was?« fragte sie.

      »Na, wenn unsre Drei nun kämen?«

      »Die kommen doch nicht eher, als bis alle hier fort sind; die werden unten schon lauern, bis der letzte hinaus ist!« flüsterte Röse.

      Jetzt erhob sich Herr Rat Kirsten und ließ seinen lieben, verehrten Gast, die Frau Geheimderat Thon, hoch leben und bedauerte, daß sie Weimar so bald wieder verlassen müsse.

      Die Dame war nur auf kurze Zeit aus Eisenach gekommen, um ihren Sohn zu besuchen.

      Darauf erhob sich Frau Geheimderat, schlug mit dem Kompottlöffelchen an ihr Weinglas und dankte sehr wohlgesetzt und stattlich.

      Es war ein wohlthuender Anblick, diese kräftige, hochgewachsene Frau in ihrem weißen Kleid so frei und vornehm stehen zu sehen.

      Sie sprach davon, wie beruhigt und glücklich sie ihren Sohn diesmal verlasse, wie beruhigend seine Zukunft, soweit menschliches Berechnen nicht trüge, vor ihren Augen läge, – und für diese Beruhigung, diese frohe Aussicht danke sie dem gütigen Elternpaare im Namen ihres Gatten.

      Sie hob ihr Glas und stieß mit Herrn Rat und Frau Rat an, dann mit Apothekers, und mit Röse ganz besonders.

      »Gott segne dich, mein liebes Kind!« sagte sie.

      Ihr Sohn trat auf sie zu und küßte ihr die Hand; darauf küßte er Röses Hand wieder tief bewegt.

      Frau Rat traten Thränen in die Augen. »Du wilder Schlingel!« flüsterte sie Röse zu.

      Aber ausgesprochen wurde das große Wort nicht. Das war auf Vater Kirstens Befehl hin so eingerichtet.

      Die jungen Leute sollten noch mit der Heirat warten, und er wollte in seinem Hause Ruhe haben, und vorderhand keinen »Verlobungstrafik«, wie er sich ausdrückte. Das Geküß und Gethu sollte möglichst eingeschränkt werden.

      Das fehlte ihm jetzt: auf Schritt und Tritt über ein verliebtes Paar zu stolpern!

      Er war Herr im Hause, damit basta!

      Der Apotheker erstickte fast an einer Rede, und die Apothekerin mußte ihren Mann zweimal am Rockschoß zupfen, als sie bemerkte, daß ihm der schönste gewürzte Verlobungstrinkspruch auf der Lippe saß.

      Einmal hatte er sich schon erhoben; da war aber der Wind mit solcher Gewalt gegen die Scheiben gefahren und hatte an den wackeligen, alten Fenstern gerüttelt, daß der Apotheker ordentlich zusammengefahren und wieder zur Besinnung gekommen war. Ihm war Wind greulich zuwider.

      Röse vermißte das Aussprechen des großen Wortes durchaus nicht. Es war gut so. Sie wünschte sich's nicht anders. Nichts schreckte sie aus ihrem süßen Traume auf. Sie fühlte sich so unaussprechlich glücklich! Und es war nichts Beängstigendes bei diesem Glück. Zugleich erschien es ihr aber auch noch fremd. Sie mußte sich erst daran gewöhnen.

      Ja, wie es ihr Vater eingerichtet hatte, so war es gut!

      Sie kannte auch Onkel Apothekers Verlobungs- und Hochzeitssprüchlein und gab ihrem Vater, als sie mit ihm anstieß, extra einen Kuß dafür, daß der in der schön gestickten, seidenen Weste nicht reden durfte.

      Der junge Adjutant Thon sah das wundervolle, blonde, kindliche Geschöpf vor sich, wie es so süß träumte. Und sie gehörte ihm, war sein eigen, sie war ihm versprochen!

      Er


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