Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten. Böhlau Helene

Ratsmädel- und Altweimarische Geschichten - Böhlau Helene


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daß sie an seiner Seite so bräutlich verschämt schwieg, erschütterte ihn.

      Er empfand ihre junge Liebe wie den Duft einer Blume. Ein berauschender Duft! –

      Marie flüsterte Rösen ins Ohr: »Du, Röse, sie wird doch heut auch wirklich spuken?«

      »Wer?« fragte Röse.

      »Ach geh!«

      »Wenn das so werden soll, wenn du ewig nur vor dich hin gucken willst! – Na dann –!« Marie sprach sich nicht weiter aus, schien aber entrüstet zu sein.

      »Jesses,« flüsterte Röse, »wenn ich nicht gleich aufpaß! Mich freut's grad so wie dich, wenn sie spukt; vielleicht noch mehr!«

      Der noch nicht offizielle Bräutigam hörte die beiden zankend miteinander tuscheln.

      »Ich denke, die Demoisellen sind immer ein Herz und eine Seele?«

      »Sind wir auch!« sagte Röse.

      Er lächelte und sprach eifrig mit seiner jungen, zukünftigen Braut; etwas würdig, wie er es mit jedem jungen Mädchen that, aber jedes Wort bebte und zitterte und war beladen mit allem möglichen, und die Blicke beider hingen aneinander, – forschend, ergründend und scheu den Anblick genießend.

      Draußen fauchte in langen Zügen unvermindert der Wind und trug jetzt, wie es schien, einen merkwürdig hellen, rhythmischen Pfiff auf seinen Flügeln.

      Röse, die eben im lebhaftesten Gespräche mit ihrem Anbeter war, spitzte die Ohren, erhob sich wie im Traume, ging dem Fenster zu, blieb aber zögernd, wie unverrichteter Sache stehen und begab sich wieder auf ihren Platz.

      Der junge Thon beobachtete sie.

      »Schaf!« flüsterte Marie ihr zu. »Wenn sie's merken, lassen sie uns bei dem Wetter nicht fort!«

      Es war etwas übermütig Glückseliges in Röses Gesicht gekommen.

      Die Ratsmädel kniffen sich gegenseitig versteckt in die Arme.

      Frau Rat aber hatte auch den Pfiff gehört und dachte bei sich: »Das war ja Budangs Pfiff; was lauert denn der?«

      Jetzt schellte es unten.

      Das sind sie! dachten Röse und Marie gleichzeitig erschreckt und sprangen beide auf, um die Hausthür zu öffnen. Was ihnen denn nur einfiele! Waren sie denn des Kuckucks!

      Sie trafen aber ganz etwas andres, als sie vermuteten.

      Die Schopenhauerin schickte als Dessert nach dem Fasanenschmaus für Röse ein weißsamtenes Ridikül mit Perlenstickerei und mit einem Veilchenbouquet daran gebunden, etwas unsagbar Schönes, Bräutliches. Sie hatte jedenfalls nicht anders gedacht, als daß die Verlobung doch bei einem Gläschen Wein trotz alledem feierlich abgesprochen worden sei.

      Röse und Marie wußten nicht recht, was sie damit beginnen sollten; sie beratschlagten und hielten sich deshalb ziemlich lange auf der Treppe auf. Marie kam auf den schlauen Gedanken, das wundervolle Ding mitsamt den Veilchen in ihr Schnupftuch zu wickeln; so wollten sie es aufheben, bis die Gäste fort wären, denn beide fürchteten, es möchte dem Vater nicht recht sein, wenn sie das Verlobungsgeschenk der Schopenhauerin jetzt mit hereinbrächten. Und es geschah so, wie sie sich vorgenommen.

      »Was war denn?« fragte Frau Rat ernst, als die Mädchen wieder eintraten.

      Röse errötete und flüsterte ihrer Mutter etwas ins Ohr.

      Der junge Thon fand, daß die beiden Mädchen seit einiger Zeit von einer merkwürdigen Unruhe befallen waren. Es war ihm, als müsse er mit Röse ein feierliches, großes Wort reden.

      Eine bange Unruhe überfiel ihn. Liebte sie ihn auch wirklich? War er ihrer sicher?

      Die beiden Mädchen hielten sich, während sie ganz vernünftig und liebenswürdig sprachen, unter dem Tisch an den Händen fest.

      »Heut wär' eine schöne Nacht für meinen Fuchs!« dachte der junge Thon mitten in seinem Herzensrausch. Er hat bereits gestern die halbe Nacht platt auf dem Bauche vergeblich vor dem Fuchsbau gelegen und sieht sich schon, wie er an der nur ihm bekannten Stelle abermals auf den Fuchs paßt. Er hört im Geiste die knospenden Bäume über sich rauschen, fühlt wohlthätig den kühlenden, weichen Sturm. Und das Lauern, das scharfe Hinhorchen, – das Spannen, – die Naturlaute, die nachts hie und da geheimnisvoll auftauchen, – da wird's ihm wohl werden!

      Die Gäste empfehlen sich zur Bürgerstunde. Alle machen Frau Rat Kirsten Komplimente über das splendide Gastmahl, und Frau Geheimderat Thon drückt Röse mütterlich zärtlich an sich und flüstert ihr etwas ins Ohr. Röse errötet tief und küßt ein wenig zaghaft und verlegen die Hand ihrer künftigen Frau Schwiegermutter.

      Und wieder ist sie durchschauert von etwas Ungeahntem, Unbekanntem, als Ottokar Thon ihr zum Abschied die Hand drückt, so erregt und bewegt, als wäre dieser einfache Händedruck eine heilige Handlung.

      Als alle fort waren, fällt sie ihrer Mutter in die Arme und küßt sie und lacht, und dabei glänzen ihr die Thränen in den Augen.

      Die Mädchen müssen noch mit aufräumen, alles an Ort und Stelle bringen; sie sind zu diesem Behuf aus ihren weißen Kleidern in die grauen Ginghamalltagskleider geschlüpft und wirtschaften mit wahrem Feuer und so ordentlich und vernünftig, daß Frau Rat ihre Freude hat und bei sich denkt: »Was für ein paar flinke Mädchen sind sie doch, pflichttreu und brav!«

      »Jesses, Röse,« flüstert Marie, »mach zu! Wenn du so trödelst, wann denkst du denn, daß wir fortkommen?«

      »Erst müssen doch alle im Bett sein,« sagt Röse bang, »was hilft's denn sonst? – Poltere doch nicht so!« Marie ging darauf hin auf den Fußspitzen.

      Drüben bei Thons war schon alles dunkel.

      »Ach Gott!« brummte Marie, »weshalb dauert's denn bei uns so lang?«

      Die Magd schlürfte noch draußen herum; der Vater sah nach diesem und jenem; die Mutter schloß das gespülte und geputzte Silberzeug in den Schrank.

      Röse beguckte sich noch einmal nachdenklich die silbernen Füße und Hälse der Fasanen.

      Nach und nach zog aber auch in das Kirstensche Haus Dunkelheit und Nachtruhe ein.

      Die beiden Mädchen waren hinauf in die Kammer geschickt; die Magd, Vater und Mutter, jedes war schlafen gegangen, und keine Maus rührte sich.

      Es schlug elf Uhr. – Da war es, als wenn auf der dunklen Treppe sich vorsichtig etwas bewege. Es knarrte eine Stufe; es huschte und schlich etwas. Zwei Stimmen wisperten vorsichtig. »Ach Gott im Himmel,« sagte Röse tief erregt, dicht am Ohr Maries, »mir ist's ordentlich angst, – so was haben wir noch nie gethan! Glaubst du, daß der Vater bös sein würde?«

      »Röse,« erwiderte Marie mit Herzklopfen und verhaltenem Atem, »jetzt ist's zu spät! – Mach nur leise, – du trampelst ja!«

      »Na,« murrte Röse, »wenn das Trampeln is! Gar nich!« Aber da krachte die alte Stufe so entsetzlich. Den beiden kam es wie ein Kanonenschuß vor. – Sie standen ganz starr und hatten nicht den Mut, sich wieder zu regen. – »Ach Gott!« klagte Marie.

      Dann aber schlichen sie langsam und vorsichtig weiter.

      »Ich höre da draußen wen,« brummte Herr Rat in seinen Kissen.

      Frau Rat war schon am Einschlafen und entgegnete undeutlich: »Der Wind; auch wohl die Katze.«

      Das leuchtete Herrn Rat ein, denn der Wind rasselte draußen an den Dachrinnen, klirrte mit den Fensterscheiben, sang und jodelte in den Schornsteinen. Es war eine wilde, stürmische Osternacht. Zerrissene Wolken fuhren über den Himmel.

      Unten an der Hausthür fingerten jetzt ein paar ängstliche, zitternde Händchen vorsichtig, um den großen Hausthürschlüssel geräuschlos ins Schlüsselloch zu stecken.

      Röse und Marie hatten diesen Schlüssel, pochenden Herzens, aus der Mutter Speisekammer stibitzt.

      Nun standen sie draußen, im Sturm aufatmend, und schauten mit ängstlichem Blicke nach dem Fenster oben. Sie seufzten beide tief, denn es war ihnen nicht geheuer zu Mute. Sie


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