Der Widerspenstigen Zähmung. Ettlinger Karl

Der Widerspenstigen Zähmung - Ettlinger Karl


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den der heilige Georg erlegte, nicht #mehr# Ähnlichkeit mit Katharina hatte als Fafner, dann sollte man wirklich nicht so viel Aufhebens von der ganzen Affäre machen.

      Der alte Plato weiß in seinem »Gastmahl« zu berichten, daß Mann und Weib ursprünglich ein einziges zusammengewachsenes Wesen gewesen seien, das durch irgendeine Macht halbiert wurde, und daß sich die beiden Hälften nun ewig in Sehnsucht wieder zu vereinigen suchen. Beruht diese Fabel auf Wahrheit, dann wollen wir Gott danken, daß die andere Hälfte Katharinas offenbar verloren gegangen ist!

      Nun, da sie mit Adolf Borges zusammengewachsen war, glich diese Ehe einem jener lustigen Tierbilder, auf denen übermütige Zeichner einen Elefanten mit Entenfüßen ausstatten oder einem Storch einen Nashornkopf aufsetzen.

      Es gibt Ehen, die gleichen einem geruhigen Biedermeierpostwagen; hübsch langsam gleiten sie dahin, lassen sich Zeit, alle Schönheiten ringsum zu bewundern, auf dem Bock sitzt der Ehemann neben der Gattin und bläst Trara, und die ganze Postkutsche ist voll Kinderchen.

      Er bläst nicht immer ganz harmonisch, der Herr Ehemann, manchmal giekst das Posthorn schauerlich, – macht nichts, die verzückte Gattin behauptet dennoch: »Männe, so wie Du bläst keiner!«

      Andere, »modernere« Ehen gleichen einem D-Zug; der Ehemann steht als abgehetzter, unermüdlicher Führer auf der Lokomotive, hat keine Muse, sich die Schönheit ringsum zu betrachten, denn die Räder rattern unaufhörlich den einförmigen Rhythmus »Pflicht – Pflicht – Pflicht!« In einem Abteil erster Klasse sitzt derweil die Gattin, raucht eine Zigarette nach der andern, betrachtet sich zwischendurch in einem Handspiegelchen und seufzt: »Gott, ist die Fahrt langweilig!« Und der abgehetzte Lokomotivführer kann mitunter von Glück sagen, wenn er den ehelichen D-Zug glücklich an die irdische Endstation gebracht hat, ohne daß unterwegs irgendein eleganter Herr in das Abteil erster Klasse eingestiegen ist, um die Fahrt unterhaltsamer zu machen.

      Andere Ehen wiederum ließen sich mit einer elektrischen Straßenbahn vergleichen, in der man vor lauter Klingeln und Hasten sein eigenes Wort nicht versteht, und wo Wagenführer und Schaffnerin nach schwerer Tagesarbeit nur den einen Wunsch haben: sich einigermaßen gut satt zu essen und gesund auszuschlafen.

      So lassen sich die verschieden gearteten Ehen mit den verschieden gearteten Fahrzeugen vergleichen, und wer Lust hat, mag die Bilderreihe zu Tode hetzen.

      Adolfs Ehe glich einem Schubkarren. Im Schweiße seines Angesichtes drückte er ihn seine steinige, staubige Lebensstraße, und oben auf dem Schubkarren saß Frau Katharina, eine derbe Peitsche in der Hand, und wenn der arme Adolf einmal eine Schnaufpause machen wollte, pfiff ihm die Geißel um die Ohren, und er hörte eine kreischende Stimme: »Prinze unn Korferschte hätt' ich heierate könne! O Gott, ich unglicklich Fraa!!«

      Das war eine der zahlreichen Übertreibungen, derer sich Katharina in den

      durchaus einseitigen Aussprachen mit ihrem Ehemann zu bedienen pflegte.

      Selbst dem entthrontesten Prinzen wäre es niemals eingefallen, um die

      Hand der Drechslermeisterstochter Katharina Bindegerst anzuhalten.

      Aber wir wollen gerecht sein und ihr diese Übertreibung nicht zu dick ankreiden. Übertreiben ist seit der Urzeit ein Reservatrecht der Frauen, der holden wie der unholden. Als Eva gerade eine Minute lang erschaffen war, und Adam aus seinem verhängnisvollen Schlafe erwachte, war Evas erstes irdisches Wort: »Nun warte ich schon eine #Ewigkeit#!«

      Und als sich Adam nun erhob, um das Naturwunder näher zu begucken, und als er es vorsichtig betastete, da fuhr Eva auf: »Habe ich Dir nicht #schon hundertmal# gesagt, Du sollst mich nicht anrühren?!«

      Damals bekam Adam einen Heidenschreck.

      Und dieser Schreck hat sich vererbt von Generation zu Generation. Jeder junge Ehemann kriegt ihn von Neuem, an jenem Tage, an dem seine Gattin zum ersten Male mit ihm zankt, ohne daß er weiß, warum.

      Und jeder Ehemann benimmt sich alsdann genau so paradiesisch töricht und nachgiebig wie unser Urahn Adam und heftet somit selbst den letzten Stich an dem Riesenpantoffel, von dem in der Schöpfungsgeschichte nichts steht, und der sich gleichfalls von Generation zu Generation vererbt, – und zwar in der #weiblichen# Linie.

      Adolf Borges machte es um kein Haar besser. Er war ja schon von Natur stets gar schüchtern gegen das weibliche Geschlecht gewesen.

      »E Fraa is sicher was Scheenes,« sagte er sich als junger Mann, »awwer ich will's gar net so schee hawwe! Die Fraue sin wie Heckeröscher, wunnerliebliche Blümercher, die sich um de Mann ranke unn en schmicke unn verscheenern, – awwer ich habb kaa Talent zum Blummestänner! Wann sich so e Heckerösche um mich rankt, dann komme doch bloß die Wespe unn die Biene unn die Hummele unn steche mich, – naa, ich bleib liewer leddig!«

      Man hat das weibliche Geschlecht nicht mit Unrecht die Sonne dieses Daseins genannt. Aber Adolf Borges hatte von jung auf eine unüberwindliche Angst vor dem Sonnenstich. Wenn er nur von ferne so eine liebliche Sonne aufgehen sah, spannte er sogleich abwehrend seinen aus Sophismen gewobenen Sonnenschirm auf.

      »Gehstde mit danze, Adolf?« frugen ihn Sonntags seine Bekannten und

      Kollegen.

      »Ich hipp net, ich bin kaa Laubfrosch!« erwiderte Adolf, denn jeder

      Tanzboden dünkte ihn mehr oder weniger ein Blocksberg.

      Seine Freunde fuhren gröberes Geschütz auf.

      »Adolf, die dick' Anna, die Köchin von Schmidts in der Krummgaß, hat sich nach Derr erkunnigt! Ob De net nächste Sonndag nach der Goedheeruh kämst? Se hätt Derr was zu sage! – No??«

      »En scheene Gruß an die dick Anna, unn ich wär net neugierig! Unn se soll merr mit ihrer Goedheeruh mei Borgesruh lasse!« sagte er und blieb des Sonntags zu Hause.

      Oder er bummelte allein im Stadtwald und am Mainufer umher, sah die schweren Mainkähne und Flöße ziehen, sah die leichten Amseln schwirren und die drolligen Eidechsen huschen. Und empfing dabei mancherlei Schönes, was der liebe Gott nur an einsame Spaziergänger zu verschenken pflegt.

      Einmal fand er ein Vogelnest mit vier Eierchen.

      Nachdenklich stand er davor, wiegte den Kopf und sann: »Vier Kinner uff aamol, – naa, ich bleib leddig!«

      Ein andermal setzte er sich im Walde ermüdet nieder, legte den Kopf auf einen kleinen Hügel, der sich alsbald als Ameisenhaufen entpuppte.

      »So is des ganze Lewe!« sprach er und erhob sich betrübt. »E Ameisehaufe! Unn da soll merr seine Eltern noch dankbar sei', daß se ein in so was eneisetze!«

      Und er griff sich melancholisch in den Kragen, um die hurtigen Tierchen, die seinen Hals als Tanzplatz benutzten, zu entfernen.

      Selten leistete er sich den Genuß, des Abends in einer Kneipe zu einem Glas Bier oder einem Schoppen Äpfelwein einzukehren. Friedlich schichtete er daheim in der Waschtischschublade die kleinen Ersparnisse aus seinem bescheidenen Lohn und aus den Trinkgeldern, die er hie und da bei Besorgungen erhielt, zu einem Berg. Es war kein Himalaja, es war gleichfalls nur ein Ameisenhäufchen, aber er hoffte, ihn mit der Zeit zu einem kleinen Hügel anschwellen zu sehen, von dem aus er in den Zeiten des Alters und der Gebrechlichkeit die Welt mit genügsamem Lächeln zu betrachten gedachte.

      Und das wäre ihm vielleicht auch gelungen, hätte das Schicksal nicht mit ihm einen grausamen Scherz vorgehabt und ihn als Untermieter in die Wohnung des Drechslermeisters Bindegerst geführt.

      Er war damals zweiundvierzig Jahre alt, und sein Herz zählte somit bereits zu jenen Zielscheiben, denen gegenüber es sich der kleine Gott Cupido erst dreimal überlegt, ehe er noch einen Pfeil daran wagt. Entschließt er sich aber dann doch dazu, so nimmt er keinen von den kleinen goldenen Pfeilen, die so süß schmerzen, sondern er schnitzt sich einen großen, plumpen Kloben zurecht, mit scharfen Widerhaken, und versieht dieses vermaledeite Geschoß, damit es auch recht zielsicher schwirre, noch eigens mit einem Propeller aus riesigen Eselsohren.

      An jenem ersten März, als Adolf Borges mit seinem Handköfferchen die Stiege emporschlenderte, um bei dem Drechslermeister das vermietbare Dachzimmerchen zu besichtigen, spielte gerade ein Orgelmann


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