Der Widerspenstigen Zähmung. Ettlinger Karl

Der Widerspenstigen Zähmung - Ettlinger Karl


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denken!

      »Danke schee!« sagte Adolf Borges, als Katharina mit dem Festnähen des ohnehin bereits festgenähten Knopfes fertig war.

      »Haww ich Ihne aach net gestoche?« flötete Katharina und warf ihm einen

      Blick zu, bei dessen Empfang der früher erwähnte Herr Meier stolz gefragt hätte: »Adolf, haben Sie den Blick gesehen? Den Blick? Ich sag

      Ihnen, Adolf, wenn ich #wollt#' – aber ich will net!«

      Adolf war kein Meier. Er bemerkte den Blick überhaupt nicht.

      Noch stimmten die Saiten, nach deren Klang er das Tanzen lernen sollte, nicht genau, aber nur noch um kleine Schwankungen waren die Quinten unrein, und schon probierte Katharina leise, pizzikato, ob sie das Spiel wohl beginnen könne.

      Sie hatte das Tablett mit dem Kaffee auf den Tisch gestellt, doch nun fand sie, daß es nicht gut stünde. Während ihr Dachzimmerherr den Schlips umband und die Jacke anzog, rückte sie an dem Tablett herum und stellte die inzwischen kalt gewordene Tasse Kaffee und das Butterbrötchen recht handlich hin.

      Dabei schwänzelte sie geziert um den Tisch und ließ durch ein paar kokette Drehungen ihren gewitterfarbenen Rock ein wenig blähen, so daß der Regenbogen ihres oftgeflickten Unterrocks sichtbar ward.

      Aber auch an dieser Naturerscheinung ging Adolf achtlos vorüber.

      Da ließ sie ihn denn allein, stieg die Treppe hinunter und seufzte:

      »Merr hat's net leicht!«

      Adolf schlürfte den kalten Kaffee, griff, noch mit beiden Backen kauend, nach seiner Mütze, machte sich auf den Weg zu Herrn Feldmann, um die Geschäftsschlüssel zu holen, begab sich in die Schloßstraße, öffnete, zog die Rolläden hoch und begann die eintönige Arbeit des Aufwischens und Abstaubens.

      Und seufzte: »Der liewe Gott hätt' aach gescheider die Welt in #aam# Dag erschaffe unn dann #sechs# Däg geruht, schdatt umgekehrt! Dann hätte merr sechs Sonndäg in der Woch!«

      Er war noch mitten in den Aufräumungsarbeiten, da kamen schon die ersten, pünktlichsten Angestellten, und der Briefträger kam und gab die Post ab, und die Kommis suchten schnell die Privatbriefe und jene Briefe heraus, die wegen falscher Adresse zurückgekommen waren, und zuletzt kam der Herr Feldmann, und kaum war er da, da fing er auch schon an zu schimpfen und einem Kommis zu versichern: »Zum Schlafe haww ich Se net angaschiert! Schlafe kann ich selwer for mei Geld!«

      Und das ganze Personal dachte: »Dhät er's nor!«

      Und ganz zuletzt kamen die Herren Lehrlinge und behaupteten, ihre Uhren gingen nach.

      Und Adolf Borges spielte das einförmige Rondo seiner Tagesarbeit, ein gar langweiliges Rondo, in dem die beiden Themen »Pakete schnüren« und »Gänge besorgen« ewig wiederkehrten; nur die Begleitstimmen zu diesen beiden Melodien boten ein wenig Abwechslung, denn wenn er beim Paketschnüren war, schrie der nervöse Herr Feldmann: »E halb Jahrhunnert sin Se jetz bei merr unn hawwe's immer noch net gelernt!«, und wenn er von einem Besorgungsgang zurückkam, spöttelte der gemütlicher veranlagte, dicke Herr Schröder: »Es is nor liewenswerdig von Ihne, daß Se iwwerhaapts noch zurickkomme! An Ihrer Stell wär' ich iwwer Nacht gebliwwe!«

      Und Adolf dachte sich: »Grad wie nachts die Katze kreische se! Schad, daß merr kaan Bandoffel nach 'ne werfe derf!«

      – Ich muß noch einmal auf den Drachen Fafner zu sprechen kommen. Der Leser wird bereits bemerkt haben, daß ich eine Schwäche für dieses Vieh besitze. In der Tat, ich habe ihn in mein Herz geschlossen und ich bedaure nur, daß man ihn nicht herausklatschen darf wie eine italienische Opernprimadonna, auf daß er da capo singe. Er ist der bestdisziplinierte Drache, den ich kenne. Geduldig liegt er in seiner Höhle und wartet auf sein Opfer. Wer ihn nicht aufsucht, den frißt er nicht.

      Ganz anders Katharina. Sie hatte sich ihr Opfer ausgesucht, aus der reichhaltigen männlichen Speisekarte hatte sie gerade das Gericht Adolf Borges gewählt, sie hatte ihn sich bei dem Oberkellner Zukunft bestellt, und sie bestand mit aller Hartnäckigkeit darauf, ihn vorgesetzt zu bekommen.

      Eines Abends klopfte es plötzlich an die Türe des Dachzimmerchens.

      »Erei'!« rief Adolf verwundert.

      Und herein trat Katharina und sprach mit einem Lächeln, das sie für sehr liebreich hielt: »Der Vadder läßt Ihne sage, ob Se net uff e Gläsi Bier bei en erunnerkomme dhäte?«

      Sie hatte eine frischgewaschene weiße Bluse angezogen, die sie mit Parfüm von dem Friseur gegenüber besprengt hatte. Es war das erste mal in ihrem Leben, daß sie Parfüm gekauft hatte, und der Figaro von nebenan, der blondgelockte Herr Hippenstiel, der wie alle seine Fachgenossen ein Schlaukopf war, hatte gleich etwas geahnt und diskret gefragt: »Derf merr graduliere?«

      Worauf Katharina feuerrot wurde und hauchte: »Sie könne aan werklich in

      Verlegeheit bringe, Herr Hippestiel!«

      Zwei Tropfen solle sie nehmen, das genüge vollauf, hatte Herr Hippenstiel sie belehrt. Aber Katharina machte es wie die Patientinnen, denen der Arzt fünf Tropfen einer Medizin verordnet hat, und die sich sagen: »Wenn schon fünf Tropfen gut tun, wie müssen da erst zehn Tropfen helfen!«

      Sie hatte sich gleich das halbe Fläschchen der öligen Flüssigkeit auf die Bluse geschüttet und sie fand, daß sie nun sehr gut roch.

      Auch Adolf fand das, denn er sagte: »Fräulein Bindegerst, Se rieche wie e Gewächshaus!«

      Eigentlich hatte er wenig Lust, der Biereinladung Folge zu leisten. Allein seine Schüchternheit sagte ihm, es sei doch zu unhöflich, abzulehnen, und so meinte er: »Ich mach merr zwar Awends nix aus Bier, aber no, ich wer' net gleich draa sterwe!«

      Und Katharina flüsterte holdselig: »Sie sin iwwerhaapts so solid, Herr

      Borges! So'n solide Mann haww ich noch kaan kenne gelernt! Ach, Herr

      Borges!«

      Und dabei seufzte sie so tief, daß das ganze Gewächshaus sich zu heben und senken anfing.

      – »Des is recht, Herr Borges, daß Se uff'n Schluck Lagerbier komme!« begrüßte Vater Bindegerst ihn und lud ihn zum Sitzen ein. »Ich habb merrsch schonn oft gedenkt: was dhut der Mensch eigentlich so allaans da drowwe in sei'm Leuchttorm? Es is net gut, daß der Mensch allaans sei, haaßt's in der Biwel. Ich habb lang net mehr drin gelese, ich les liewer Detektivgeschichte, awwer es is e wahr Wort. Wisse Se, wenn ich kaa Gesellschaft habb, dann komm ich ins Denke, unn wannn ich erscht emal ins Denke komm, dann kimmt nix Gescheides dabei eraus! No, Prost, Herr Borges!«

      Adolf hob seinen Krug und stieß mit dem Drechslermeister an. Katharina hatte ihm das Bier eingeschenkt, in den schönsten Krug des kleinen Haushalts. Es war ein recht schmucker Krug, die selige Frau Bindegerst hatte ihn vor vielen Jahren ihrem Eheherrn geschenkt, erstens weil er Geburtstag gehabt hatte, und zweitens weil gerade in dem Porzellangeschäft Ausverkauf gewesen war. Eine alte Ritterburg war auf den Krug gemalt, an deren Portal ein Ritter Trompete blies. Man hätte ihn unbedingt für den Trompeter von Säckingen halten müssen, hätte nicht in goldenen Buchstaben darunter gestanden: Stolzenfels am Rhein.

      Auch Katharina stieß mit an, und sie hauchte dabei: »Prost!«

      Es klang wie das Piepsen eines Kanarienvogels, denn sie war, wie alle Frauen, eine Verwandlungskünstlerin. Noch hatte sie auf das Grammophon ihres Antlitzes die schmachtende Platte »O könnt ich noch einmal so lieben« aufgelegt, – aber die Radauplatte »Tararabumdieh!« lag schon bereit.

      Vater Bindegerst saß auf dem Sofa, ihm gegenüber saß Adolf auf einem

      Stuhl, und auf dem Nachbarstuhl blühte das Gewächshaus Katharina.

      Zunächst war noch ein halber Meter Distanz zwischen ihnen, aber der

      Zwischenraum verringerte sich im Laufe des Abends, obwohl Adolf kein

      Millimeterchen von seinem Platz rückte.

      Zunächst schickte sie ihre linke Fußspitze als Patrouille aus. Die Fußspitze sondierte das Gelände, fand es »vom Feinde frei«, und rückte vorsichtig weiter vor, bis sie ihr Ziel, die Borgessche Fußspitze,


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