Die Nacht von Lissabon / Ночь в Лиссабоне. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк

Die Nacht von Lissabon / Ночь в Лиссабоне. Книга для чтения на немецком языке - Эрих Мария Ремарк


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gab er mir den Pass zurück.

      „Sie haben vergessen, ihn zu stempeln“, sagte ich in der Welle der Erleichterung, ohne es zu wollen, rasch.

      Der Beamte lächelte. „Ich werde ihn schon noch stempeln. Ist Ihnen das so wichtig?“

      „Das nicht. Es macht ihn nur zu einer Art von Souvenir.“

      Der Mann stempelte den Pass und ging. Ich biss mir auf die Lippen. Wie nervös ich geworden war! Dann fiel mir ein, dass der Pass mit dem Stempel schon etwas echter aussah.

* * *

      In der Schweiz überlegte ich einen Tag, ob ich auch mit dem Zuge nach Deutschland fahren sollte; aber ich hatte nicht den Mut. Ich wusste auch nicht, ob man Heimkehrer, selbst solche aus dem früheren Österreich, nicht besonders revidieren würde. Wahrscheinlich hätte man es nicht getan; ich beschloss trotzdem, schwarz über die Grenze zu gehen.

      In Zürich begab ich mich deshalb, wie früher, zuerst zur Hauptpost. Am Schalter für postlagernde Sendungen traf man dort meistens Bekannte – Wanderer ohne Aufenthaltsbewilligung, wie man selbst, die einem Informationen geben konnten. Von dort ging ich ins Cafe Greif – dem Gegenstück zum Cafe de la Rose. Ich traf verschiedene Grenzgänger, aber keinen, der die Übergänge nach Deutschland genau kannte. Das war verständlich. Wer, außer mir, wollte schon nach Deutschland? Ich merkte, wie man mich anschaute und dann, als man merkte, dass es mir ernst war, vor mir zurückwich. Wer zurückwollte, musste ein Überläufer sein; denn wer wollte schon zurück, wenn er das Regime nicht auch akzeptierte? Und was würde jemand, der so weit war, sonst noch tun? Wen verraten? Was verraten?

      Ich war plötzlich allein. Man mied mich, wie man jemand meidet, der gemordet hat. Ich konnte auch nichts erklären; mir wurde selbst manchmal so heiß, dass ich vor Panik schwitzte, wenn ich daran dachte, was ich vorhatte; wie hätte ich es da anderen begreiflich machen können?

      Am dritten Morgen kam die Polizei um sechs Uhr früh und holte mich aus dem Bett. Man fragte mich genau aus. Ich wusste sofort, dass einer meiner Bekannten mich angezeigt hatte. Mein Pass wurde misstrauisch betrachtet, und ich wurde zum Verhör mitgenommen. Es war jetzt ein Glück, dass der Pass gestempelt worden war. Ich konnte so nachweisen, dass ich legal eingereist und „erst drei Tage im Lande war. Ich erinnere mich genau an den frühen Morgen, als ich mit dem Beamten durch die Straßen ging. Es war ein klarer Tag, und die Türme und Dächer der Stadt standen scharf, wie aus Metall geschnitten, vor dem Himmel. Aus einer Bäckerei roch es nach warmem Brot, und aller Trost der Welt schien in diesem Geruch zu sein. Kennen Sie das?“

      Ich nickte. „Die Welt erscheint einem nie schöner als in dem Augenblick, wenn man eingesperrt wird. Bevor man sie verlassen muss. Wenn man sie nur immer so fühlen könnte! Vielleicht hat man zuwenig Zeit dazu. Zuwenig Ruhe.“

      Schwarz schüttelte den Kopf. „Es hat mit Ruhe nichts zu tun. Ich habe es so gefühlt,“ „Konnten Sie es halten?“ fragte ich. „Das weiß ich nicht,“ erwiderte Schwarz langsam. „Das ist es ja, was ich herausfinden muss. Es ist mir aus den Händen geglitten – aber hatte ich es ganz, als ich es hielt? Kann ich es jetzt nicht vielleicht stärker wieder zurückgewinnen und es für immer halten? Jetzt, wo es sich nicht mehr verändert? Verliert man nicht immerfort, was man zu halten glaubt, weil es sich bewegt? Und steht es nicht still erst, wenn es nicht mehr da ist und sich nicht mehr ändern kann? Gehört es einem nicht erst dann?“

      Seine Augen waren starr auf mich gerichtet. Es war das erste Mal, dass er mich voll anblickte. Die Pupillen waren groß. Ein Fanatiker oder ein Verrückter, dachte ich plötzlich.

      „Ich habe es nie gekannt“, sagte ich. „Aber will das nicht jeder? Halten, was nicht zu halten ist? Und verlassen, was einen nicht verlassen will?“

      Die Frau im Abendkleid am Nebentisch stand auf. Sie blickte über die Veranda auf die Stadt und den Hafen hinunter. „Darling, warum müssen wir zurück?“ sagte sie zu dem Mann im weißen Smoking. „Wenn wir doch hierbleiben könnten! Ich habe gar keine Lust, wieder nach Amerika zu gehen.“

      Aufgaben zum Text

      1) Warum vergleicht der Ich-Erzähler das Passagierschiff im Tejo mit einer Arche und Amerika mit dem Berg Ararat?

      2) Warum war der Ich-Erzähler gegenüber dem Mann auf dem Quai misstraurisch?

      3) Was haben Sie aus diesem Kapitel über den Ich-Erzähler erfahren: wo war er bereits gewesen, wo wollte er hin? Was war der Grund seiner Wanderungen?

      4) Warum wollte Schwarz in dieser Nacht mit jemandem sprechen?

      5) Erzählen Sie, wie Schwarz einen gültigen Pass bekam.

      6) Warum beschloss Schwarz nach Deutschland zu gehen, obwohl es todesgefährlich war? Erklären Sie, was Emmigranten-Koller ist.

      Texterläuterungen

      Tejo der, der längste Strom der Pyrenäenhalbinsel, mündet bei Lissabon in den Atlantischen Ozean

      Arche (lat. „Kasten“) die, Schiff Noahs

      Sintflut die, im Alten Testament Überflutung der Erde als göttliche Strafe für die Sünden der Menschheit, die nur Noah mit seiner Familie und einem Paar aller Tiere überlebte

      Ararat der, erloschener Vulkan in der östlichen Türkei, nahe der iranischarmenischen Grenze. Im Alten Testament wird ein Land Ararat als Landungsstelle der Arche Noahs genannt.

      Bordeaux, kultureller Mittelpunkt sowie Haupthandels- und Hafenstadt im Südwesten Frankreichs

      Lazarus (herb. „Gott hilft“), Bruder der Maria und Martha von Bethanien, von dem mit ihm befreundeten Jesus nach 3 Tagen Grabesruhe wieder zum Leben erweckt (Joh. 11). Als Symbol der Auferweckung des Lebens gehört zu den frühesten Darstellungen der christlichen Kunst. Nach einer Legende soll er Bischof von Marseille geworden sein.

      Fado (portugies. „Schicksal“) der, in Portugal in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgekommenes, traurig gestimmtes Volkslied mit freiem, stark synkopiertem Rhythmus und Gitarrenbegleitung. Die Texte haben überwiegend sentimentalen Charakter, sie erzählen von Sehnsucht, Schicksal, Liebe und Trennungsschmerz. Herkunft wahrscheinlich aus der Musik Brasiliens oder Afrikas.

      Koller der, Ausbruch angestauter Gefühle, Wutanfall

      Garnele die, ein kleiner Krebs mit langen Fühlern und zehn Beinen, dessen Fleisch als Delikatesse gegessen wird

      Münchener Pakt der, am 29.9. 1938 von A. Hitler, B. Mussolini, A.N. Chamberlain und É. Daladier abgeschlossenes Abkommen über die Abtretung des Sudetenlands an Deutschland durch die Tschechoslowakei.

      Louvre der, ehemaliges Schloss der französischen Könige in Paris, seit 1793 Museum

      Impressionismus der, zwischen 1860 und 1870 in der französischen Malerei entstandene Stilrichtung, die den zufälligen Ausschnitt aus der Wirklichkeit darstellt und bei der Farbe und Komposition vom subjektiven Reiz des optischen Eindrucks des Lichts bestimmt ist. Bedeutende Vertreter waren C. Monet, É. Manet, C. Pissarro, A. Sisley, E. Degas, A. Renoir, P. Cézanne.

      Ingres, Jean Auguste Dominique, französischer Maler und Grafiker des Klassizismus

      Passepartout das, aus Karton geschnittene Umrahmung für Zeichnung, Grafik u.a. Gestapo die, Abkürzung für Geheime Staatspolizei, die politische Polizei im Nationalsozialismus; konnte „Schutzhaft“ in Gefängnissen und Konzentrationlslagern verhängen, foltern, liquidieren; unter anderem auch mit „Einsatzgruppen“ an der Massenvernichtung der Juden beteiligt.

      Champs-Elysées („elysäische Gefilde“), Prachtstraße in Paris, zwischen Place de la Concorde und Place Charles de Gaulle

      Breslau, Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft, (Provinz) Niederschlesien

      Sudeten Pl., Gebirgszug zwischen Schlesien und Böhmen

      Sudetenland,


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