Mein erster Ausflug: Wanderungen in Griechenland. Kaiser Maximilian von Mexiko
Chinesen die Köpfe zu den Luken heraus und winkten auf das herzlichste, was ich ebenso erwiederte. Tags darauf hatte ich den Genuß, bei einem schönen, sonnigen Tage zum erstenmale im Meere zu schwimmen; wer sich im stehenden Wasser gleich einem Pudel abgearbeitet hat, um sich auf der Oberfläche zu erhalten, und großer Schwimmproben nur wie einer mühsamen Uebung gedenkt, der fühlt sich auf der Salzfluth wie ein Schwan von den blauen Wellen getragen und erfrischt; dazu schien die Sonne so freundlich auf den prächtigen Hafen, daß es eine Lust war, sich in diesen Gewässern zu bewegen. Nachdem wir das Bad gestärkt verlassen hatten, fischte man noch einige Zeit im reichen Meere, und zog auch Austern heraus, die wir sogleich verzehrten. Von dort begaben wir uns zu einer nicht so entzückenden, aber sehr merkwürdigen Produktion. Ein Taucher sollte vor unsern Augen die Tiefe des Meeres ergründen; es war ein schauerlicher Anblick, und hätt' ich vorher geahnt, wie die Sache vor sich geht, nimmermehr hätt' ich es zu sehen gewünscht. Wir stiegen aus das Schiff, auf dem sich der arme Taucher befand, der einzige unter achtzigtausend Menschen, der den Muth hat, dieses Geschäft zu betreiben; er saß schon, in ein Kautschuk-Gewand gekleidet auf einer Bank. Man setzte ihm einen luftdichten Helm von schwerem Eisen auf die Schultern, den man an den eisernen Saum des Kleides anschraubte; für die Augen befinden sich zwei Glasscheiben in dieser Kopfbedeckung, hinten die Oeffnung, in welche eine Kautschukröhre eingeschraubt wird, durch die man ihm mittelst einer Pumpe Luft zuführt. Schon der Anzug ist schauerlich; alles wird so zusammengepreßt und geschraubt, daß man an ein Ersticken denken muß; nun wurde ein schwerer Anker in die tiefe See geworfen, an dem der Taucher auf dem Grunde einen Strick befestigen sollte; es war freilich prosaischer als wenn er »den goldenen Becher« aus den Fluthen geholt hätte, aber das Wagstück war nicht minder groß. Schillers schöner Jüngling durfte Mantel und Gürtel wegwerfen, diesem armen jungen Manne wurden noch schwere Gewichte angehängt, um ihn unter dem Wasser zu erhalten; auch begeisterten ihn nicht die glühenden Augen einer holden Prinzessin; er stieg an einer Strickleiter hinab und verschwand in den Fluthen; nur die stets weiter und weiter werdenden Wasserringe zeigten, wo er versunken war. Lange, lange gab er kein Zeichen; es war für uns eine peinliche schreckliche Zeit; es drängte sich uns der Gedanke auf, der arme Mann könne ein Opfer unserer Neugierde geworden sein; hätte ich mich nicht vor denen geschämt die dieses Schauspiel kannten, so hätte ich gefleht, daß man den Mann von seiner gewagten Arbeit zurück rufen solle; als unsre Angst aufs höchste gestiegen war, gab er endlich das Zeichen, daß seine Arbeit vollendet sei; nun wurden die Maschinen in Bewegung gesetzt, und man zog den schwerbelasteten herauf, und schraubte ihm schnell die drückende Bürde ab; er war aufs höchste ermattet und erschöpft.
»Er athmete lang und athmete tief
»Und begrüßte das himmlische Licht,
»Und frohlockend es Einer dem Anderen rief:
»Er lebt, er ist da, es behielt ihn nicht.«
Er gestand, daß es ihm jedesmal Ueberwindung koste, sich den Fluthen anzuvertrauen; besonders das erste Mal sei ihm das Brausen der einströmenden Luft in den metallenen Helm furchtbar gewesen; einmal ward ihm am Grunde des Meeres übel, doch konnte er seinen Zustand durch ein Zeichen kund geben; er bleibt aber immer mancherlei Gefahren ausgesetzt – der Schlag kann ihn vor Hitze rühren; wird zu rasch gepumpt und zu viel Luft eingelassen, so erstickt er, was auch geschieht, wenn das Wasser einen Eingang in seine Kopfbedeckung findet. Die Dirigenten gestanden mir, daß keiner von ihnen das Wagstück versuchen würde; ich glaubte es gerne, sagte mir dasselbe und bewunderte den Muth des Tauchers um so mehr; er ist ein kaiserlicher Matrose und heißt Nicolo Rendich; er hat edle, aber krankhaft ernste Züge, und ist von feiner, fast schmächtiger Gestalt. –
Die Erscheinung einer Fata morgana auf dem Meere, die ich schon längst zu sehen gewünscht hatte, wurde mir eines Morgens in Triest zu Theil, obwohl sie in diesem Hafen nicht sehr häufig ist. Wir waren nach dem Frühstück auf den Balcon getreten, von welchem man die Aussicht auf die weite See genießt, als ich über dem Horizonte eine zweite Wasserfläche zu sehen glaubte, an deren unterer Seite Segelschiffe umgestürzt dahinflogen, und nie gesehene Küsten sich dem Auge zeigten; es war der zauberhafte Anblick eines Doppelmeeres, in dessen Scheidung sich die verschiedenartigsten Gegenstände darstellten; die schönste Sonne beschien das Schauspiel, das lange genug dauerte, um dasselbe mit Muße betrachten zu können; zuletzt zerrann das Bild wie ein schöner Traum in blauen Dunst. – Wir hielten uns nur anderthalb Tage in Triest auf und durchschnitten dann am schönsten Morgen auf dem prächtigen Dampfer Vulkan die adriatischen Fluthen, um ins schöne Hellas zu schwimmen.
Mein Gefühl, als der Hafen unsern Blicken entschwand, war das eines Siegers; denn mein liebster Wunsch ward in diesem Augenblicke erfüllt. Tausend Pläne und Hoffnungen durchkreuzten unsere Köpfe, so daß dieser Abschied einer von den heitersten war, den ich je erlebte.
Der erste Tag auf griechischer Erde.
Den 8. September 1850.
Gegen fünf Uhr Morgens trat ich auf das Verdeck und ward fast überwältigt von dem herrlichen Anblick, der sich mir darbot. In milden, rosenfarben Umrissen ruhte der wundervolle, weit ausgedehnte Golf Patras in der Dämmerung. Die Berge des Peloponnes und die hohen Felsenspitzen von Rumelien glühten im Wiederscheine der kommenden Sonnenstrahlen; zauberhaftes Halbdunkel lag auf den Ufern des blaugrünen ruhigen Meeres. Der südliche Himmel wölbte sich ins Unbegrenzte; die Farben waren in großen, massenhaften Tönen aufgetragen, vom tiefsten Blau der fernen Gebirge bis zum glänzendsten Rosenroth der leuchtenden Felsen; Man rühmt als das Schönste in der Natur einen Morgen in den Alpen; ich habe ihn gesehen, und es ist fürwahr ein großes Schauspiel; doch bleibt die Pracht und Gluth des Südens unerreicht, und die leichten Nebel in den tiefen Thälern ersetzen nicht den Zauber des Meeres. Links von uns sahen wir Missolunghi schimmern, wo die dankbaren Griechen Lord Byron ein Denkmal gesetzt haben; er starb hier, zum Befreiungskampfe für ein Land gerüstet, dessen Reize er in unsterblichen Gedichten besungen hat. Vor uns lag in dunklen Umrissen Patras; ihm zur Linken der Eingang des Meerbusens von Lepanto, den der Schimmer des jungen Tages in ein Silberband verwandelte. Plötzlich stieg in der Richtung von Korinth die Sonne empor, und die Natur jauchzte in neuem Leben. Kaum aber sahen wir die goldenen Strahlen auf den Wogen tanzen, als die Schnelle unseres Dampfers schon die hohen Gebirge von Patras zwischen uns und die Sonne legte; dann sahen wir sie noch einmal aufgehen, und diesmal blieb sie uns treu und erfreute uns mit ihrer südlichen Kraft. Nun sahen wir auch die Stadt vom Grün üppiger Weingärten umgeben. Von einer venetianischen Festungsruine gekrönt, zieht sich ihre lange, aber nicht sehr breite Häusermasse längs der Schiffsrhede hin. Da wir seit Pola nicht gelandet waren, zeigte sich uns der Süden ohne Uebergang. Die Berge waren meist entwaldet und felsig, desto lachender die Ufer; bald umgaukelten unser Schiff leichte Fischerbarken mit neugierigen Hellenen in weißen Fustanellas und malerischem Fessi, die nach den neuen Ankömmlingen spähten. Wie Schwäne durchzogen sie mit ihren dreieckigen kleinen Segeln die hellgrünen, durchsichtigen Fluthen. Als wir ungefähr zweihundert Schritte vor der Stadt Anker geworfen hatten, näherten sich mehrere Bote mit der Bitte, unser Schiff besehen zu dürfen, was aber nicht gestattet wurde, weil wir erstens keine pratica hatten, und diese Besuche für die beweglichen Gegenstände etwas gefährlich sind. Nachdem der Anker, der Erste von uns, auf griechischer Erde Fuß gefaßt hatte, konnten wir die Stadt und ihr Treiben von weitem betrachten; es war ein ausgesucht schöner Tag, wie man sich ihn zum ersten Blicke in ein heißersehntes Land nur wünschen kann; auch bemächtigte sich meiner die nur dem Reisenden bekannte Wonne, wenn er das Ziel seiner Wünsche erreicht hat. Der äußere Anblick der Stadt hat einen süditalienischen Anstrich; die Häuser sind in unregelmäßigem, malerischen Gemenge gebaut, und überall blickt die freundliche Rebe zwischen den Mauern durch. Patras ist an den Rücken einer Anhöhe gelegt, die sich unmittelbar an das hohe Gebirge lehnt; die untersten Häuser reichen bis an das Meer. Im Alterthum war es von geringer Bedeutung; es enthält auch mit Ausnahme einiger Sarkophage keine Erinnerungen an dasselbe; unter den Venetianern ward es durch das ziemlich bedeutende Fort wichtig; in der Geschichte Neugriechenlands aber wird es unvergessen bleiben; denn das der Stadt nahe Kloster Megasderion war die Wiege des aufstrebenden Hellas. Hier wurde von dem Erzbischof der Stadt der Kampf