Mein erster Ausflug: Wanderungen in Griechenland. Kaiser Maximilian von Mexiko

Mein erster Ausflug: Wanderungen in Griechenland - Kaiser Maximilian von Mexiko


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getrocknete Trauben sind, ist Patras eine der bedeutendsten Städte Griechenlands. Von Tag zu Tag vergrößert sich sein Umfang. – Da es Sonntag war, so trafen wir die ganze Bevölkerung in malerischem Putz und regem Leben; Hunderte von Griechen mit den weiten Fustanellen sah man den Quai entlang dem Ton der Glocken, die zur Messe riefen, folgen; auch die Zahl der um uns kreisenden Barken nahm von Minute zu Minute zu. Anmuthig und stolz lagen die schönen Söhne von Hellas darin; die Soldaten in blauem, mit Silber gesticktem Spencer, engem rothen Gürtel, faltenreicher Fustanelle, gestickten blauen Gamaschen und rothen Schuhen. Die Züge der Griechen sind edel, ihr Haupt ruht frei auf dem stolzen Nacken, und ihr schöner Bau wird durch die Tracht hervorgehoben.

      Nachdem ein Boot von unserm Schiffe zu dem Consul gesendet worden war, entfaltete sich plötzlich über einem Gebäude am Meere das geliebte österreichische Banner; bald brachte uns auch ein griechisches Boot die pratica, und gleich darauf kehrte das Unsere mit dem Consul zurück. Es war ein magerer, schmächtiger Italiener, dessen hoher grauer Hut, gleich ihm selbst, gar manche Jahre zählen mochte; spießige graue Haare hingen vom Kopfe herab, die spitze, scharfe Nase reichte fast bis ans Kinn; von der Zahl seiner Zähne mag die Vergangenheit erzählen; um den langen, vorgebeugten Hals schlang sich eine weiße, schnupftuchähnliche Cravatte, und den dürren Leib umhüllte ein dunkelgrüner Diplomatenfrack, dessen lange Schöße die Wichtigkeit seines Postens versinnlichten; bei alledem erfuhren wir, daß er gegen die Oesterreicher sehr freundlich ist, und ihnen allerlei Festlichkeiten zu geben pflegt. Wir luden ihn zum Frühstück ein, während dessen er erzählte, daß er Officier in der österreichischen Armee war, unter Haynau und Radetzky gedient habe, später am Kampfe unter Ibrahim Pascha betheiligt gewesen, dann nach Nubien gereist, und zuletzt als Consul nach Patras gekommen sei, wo er nun schon seit 18 Jahren weilt. Wenn er ins lebhafte Gespräch kam, konnte man ihn für einen italienischen Improvisator halten. In der letzten Zeit hatte er Gelegenheit seine diplomatische Geschicklichkeit zu zeigen; eine Menge italienischer und ungarischer Flüchtlinge hatten sich nach Patras gezogen, ihn anfangs mit geringer Achtung behandelt, aber später mit Bittschriften an seine Regierung bestürmt, – um in die Heimath zurückkehren zu dürfen. – Zwei unserer Herren begleiteten ihn bald nach dem Frühstück in seine Barke; wie beneideten wir sie, die so bald das gelobte Land betreten durften, während wir, bei diesem herrlichen Tage, bis Nachmittag warten mußten; die Herren versprachen uns bald abzuholen und uns von den herrlichen, in griechischer Sonne gekochten Trauben und Feigen mitzubringen. Professor G. brachte die Zeit auf dem Räderkasten zu, mit der Zeichnung des Golfpanorama's beschäftigt, das denn auch, wie alles, was er zeichnet, vortrefflich glückte. Wir andern sprachen über zukünftige Reisepläne, ergötzten uns an dem immerwechselnden Schauspiele der Natur, an den kommenden und gehenden Barken und ergänzten unsere Tagebücher; ein Schifflein voll Musikanten umschwirrte mit lieblichen Gesängen unser Schiff; dennoch dünkte uns die Zeit lange, ehe wir das Boot des Consuls erblickten; den beiden Herren merkte man es an ihren muntern Gesichtern und ihrer lebhaften Beschreibung an, wie befriedigt sie von ihrem Ausfluge waren. Wir wurden leider noch einige Zeit durch einen Unternehmer, den der Consul mitgebracht hatte und mit dem wir einen Contract wegen unserer Landreise nach Korinth und Nauplia abschließen mußten, auf dem Schiffe zurück gehalten. Um halb zwei Uhr wurden wir endlich flott und alles was Hände und Füße hatte sprang in die Boote des Vulkans. Jauchzend schaukelten wir zwischen malerischen Kauffahrern dem Lande zu; Wonne durchzuckte mich, als ich zum ersten Male den Fuß auf hellenische Erde setzte. Acht Tage waren es erst, daß ich von Freude berauscht und lachend vom alten Freunde, dem Stephansthurm, Abschied genommen hatte, und nun stand ich schon, durch den Dampf, die Triebkraft der Neuzeit, befördert, auf dem im voraus geliebten Boden der Vergangenheit; die Schnelligkeit des Ueberganges wirkte zauberisch. Da standen wir plötzlich auf einem Platze von Patras, umringt von Bildern, deren Beschreibungen nur schwache Schatten wieder geben können. Da saß eine Gruppe reicher Griechen mit blendender Fustanelle oder faltigen dunkelblauen Beinkleidern, am Eingange eines Kaffeehauses ihre langen Pfeifen schmauchend; daneben standen andere und spielten mit ihren rosenkranzartigen Kugelschnüren, welche die immerbewegte Hand des echten Hellenen nie verlassen. Dort trieb der Sohn der Berge, in farblose Fetzen gehüllt, einen Zug von Pferden und Eseln, die die süßen Trauben, seinen einzigen Erwerb, in Körben und Säcken von den höhern Weinbergen herab tragen; hier feilschte ein Trupp lustiger Bursche im Sonntagsstaat um die auf der Erde aufgehäuften Früchte des Landes; dort wogte eine Gruppe schreiender Kinder um einen greisen Popen mit wallendem Barte; weiterhin durchkreuzte ein Trupp fröhlicher Soldaten mit gleichem Schritt und Tritt die Menge. Diese Bilder wurden von den verschiedenartigsten Gebäuden umrahmt; einige zeichneten sich durch netten Bau und reinere Farbe aus; sie gehörten den reichen Kaufleuten, die hinter den grünen Jalousien in den heißen Stunden der Siesta pflegten; andere waren von Holz in verfallenem Zustande; unter den Häusern liefen, von hölzernen Säulen gestützte Gallerien, wo sich Buden im farbenreichsten Durcheinander befanden, in denen man die den Sitten des Landes angemessenen Gegenstände verkaufte. Das Interessanteste waren alte Waffen, und typische auf Holz gemalte Heiligenbilder, von denen ich mir eins kaufte. Die Gassen sind ziemlich breit, laufen über Berg und Thal, und bieten dem civilisirten Fuß sehr unbequeme Steinparthieen, auf welchen sprudelnde Quellen kleine Wasserfälle bilden; hin und wieder stößt man auf einen Platz, in dessen Mitte sich gewöhnlich einige Bäume mit einem echt orientalischen Brunnen befinden, an welchem die Weiber mit ihren irdenen Krügen, alttestamentlich lagern; zwei dieser Plätze tragen die Namen des Königspaares. Auf meinen Wunsch schritten wir einem Garten zu, der auf einer Anhöhe lag; auf unebnem Wege, an niedrigen Hütten vorbei, welche aus morschem Gebälk aber von Weinreben umschlungen waren, schritten wir der Höhe zu. Als wir sie erreicht hatten, wurden wir durch die zauberhafteste Aussicht auf den Golf überrascht. Zu unsern Füßen lag die Stadt, dann die Schiffe auf einem Spiegel, umkränzt von den grünen Bergketten des Parnaß.

      Wir standen auf einer terrassenartigen Fläche, unter welcher sich tiefe, vor grauen Zeiten erbaute Gewölbe in den Berg hineinziehen sollen, die den Schakalen zur Wohnung dienen; eine Gruppe mächtiger Feigenbäume war von Kürbissen umrankt; auf die Erde waren Weinbeeren gestreut, welche die Sonne zu jenen süßen Rosinen austrocknete, die in den nordischen Gebäcken eine so wichtige Rolle spielen; so muß in den verschiedensten Himmelsgegenden wachsen und gedeihen was den Gaumen kitzelt, und man schlingt den Bissen hinunter, ohne an dessen Geschichte und weite Reisen zu denken. Hier behandelt man die Rosinen nicht mit so viel Achtung wie in unsern Küchen: sie werden haufenweise, mit dem Staube der Erde vermengt, in weite schmutzige Körbe geworfen, dann dem hier so häufigen Langohr auf den Rücken gepackt, der, unter der schweren Last ächzend, sie nach der Rhede bringt, wo sie mit den Füßen in Tonnen eng verstampft und nach dem Westen eingeschifft werden. Der erwünschte Garten war mit einer Mauer umschlossen, durch deren gewölbte Thüre wir eintraten; wir standen in einem Saal von Weinreben, der durch die herrlichsten, schattigsten Gänge durchschnitten war. Steinerne Säulen stützten die sich emporschlingenden Ranken, leichte hölzerne Stangen bildeten das Gerippe zum dichtesten Rebendache, durch das nur hin und wieder der tief blaue Himmel freundlich durchblinkte. Tausende von Trauben hingen lockend von der leichten Wölbung herab, von einer Größe, wie sie nur die Mythe beschreibt. Die Säulen des Blätterdoms stützten sich auf niedrige Mauern, welche auf einer Seite in einem Gartenhäuschen endigten. Der Boden des breiten schattigen Platzes vor diesem war mit großen Marmortafeln gepflastert, und auf einer denselben umgebenden Steinbank ruhten zwei Gärtner, in malerischer Stellung auf weiche Felle hingestreckt; um die Idylle zu vollenden, stand ein tiefer klarer Brunnen in der Mitte, in dem sich das Grün des Laubdaches und die Bläue des Himmels wiederspiegelten; am Rande desselben kosten zwei weiße Tauben. Auf der Erde lagen blaue Früchte, die wir für Pflaumen hielten; es waren aber die herabgefallenen Beeren der fabelhaft großen Trauben, die wir mit Lust verzehrten. Wir durchschritten nun die einzelnen Laubgänge, mit denen sich üppige Orangenhaine kreuzten; leider waren die Früchte, mit denen diese prachtvollen Bäume überladen waren, noch nicht reif. Pflanzen, die man bei uns verkrüppelt im warmen Glashause findet, wuchern hier in malerischer Abwechslung; auch die Art der Anpflanzung ist in einem genialen Durcheinander gehalten; man glaubt im Paradiese zu wandeln; eine solche Vegetation hatte ich noch nie gesehen, solche Früchte noch nie gekostet. Der Reiz dieses üppigen Gartens ward durch den Blick auf das Meer noch erhöht; der Konsul war über unser Entzücken hoch erfreut und stimmte in dasselbe ein. Wie selten mag er in den achtzehn Jahren mitfühlenden Reisenden die Wunder dieser Gegend


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