Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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davon ab, wie Fitzgerald sich jetzt benimmt. Man kann dieses jähe Ende Pooks sehr leicht als Beweis gegen Jones Fitzgerald auslegen.“

      Wir vernahmen im Flur Schritte und Stimmen. Als erster trat Fitzgerald ein. Hinter ihm tauchte Garner auf. Fitzgerald war bleich und sah völlig verstört aus. Er beachtete uns nicht, starrte nur auf den Toten, und seine Lippen bewegten sich dabei zuckend, ohne deutliche Worte zu formen. Dann bemerkte ich, wie seine Augen feucht wurden. Er kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an, sagte nun leise und halb schluchzend:

      „Armer – armer Edward! Armer Junge! Ein solcher Unsinn, Dich zu verdächtigen, gerade Dich!“

      Dann wandte er den Kopf nach Garner hin.

      „Ich habe mir vorhin nicht Zeit gelassen, Ihnen etwas auf Ihre Worte zu erwidern. Mein Neffe ist niemals der Dieb – niemals! Ich kann Ihnen beweisen, daß Edward stets mit Glück gespielt und gewettet hat. Er hat auf der Bank ein Guthaben von 18 000 Pfund. Ich bitte Sie dringend, Garner, nichts von diesem völlig unberechtigten Verdacht in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen – sehr dringend! Die Obduktion der Leiche wird Ihre Annahme eines Selbstmordes sofort wiederlegen. Edward hat sich nie und nimmer vergiftet. Es kann sich nur um einen Herzschlag handeln. Vor drei Jahren hatte er sich beim Rudertraining einen Herzfehler zugezogen. Zuweilen klagte er noch jetzt über Beschwerden. Er war ein tadelloser Charakter, der gute Junge. Sein Andenken darf durch Sie nicht herabgesetzt werden, Garner! Der Ärmelknopf, den Sie gefunden haben, beweist nichts – nichts!“

      Er hatte sich in eine gewisse Wärme hineingeredet. Man fühlte, daß alles, was er sagte, ehrlich gemeint war. Jetzt blickte er auf Harst.

      „Lieber Herr Harst,“ fuhr er fort und sprach Deutsch in Rücksicht auf uns als seine Gäste, „ich habe zu Ihnen allein genügendes Vertrauen. Sie werden diesen Diebstahl aufklären. Ich weiß genug von Ihnen: Sie dulden nicht, daß dieser Verdacht auf einem Toten sitzen bleibt!“

      Harst reichte ihm die Hand. „Ich werde den Dieb finden, Herr Fitzgerald,“ sagte er einfach.

      Garner lehnte an der Tür und hatte schon wieder sein überlegenes, halbes Lächeln bereit, als er nun erklärte:

      „Ich habe nichts dagegen, daß Master Harst hier Pooks Ehrenrettung versucht. Warten wir das Ergebnis der Obduktion ab.“ Er öffnete die Tür und rief seinen Beamten herein. Sie begannen nun die beiden Zimmer zu durchstöbern, durchwühlten jedes Schubfach, klopfen die Wände ab und die Dielen, gingen auch ins Schlafzimmer und hofften offenbar, irgendwo noch einen Rest des Giftes zu finden, mit dem Pook sich getötet haben sollte. Den Götzen auf dem Nachttisch würdigten sie kaum eines Blickes.

      Jetzt trat Fitzgerald in die offene Tür und bemerkte die Tonstatue, stutzte leicht, eilte hin und betrachtete sie, nahm auch das Packpapier auf, kam dann mit dem Götzen in der Hand in das Wohnzimmer und sagte zu Harst mit bewegter Stimme:

      „Da, Herr Harst, – dieser Basuto Götze sollte zweifele los ein Geburtstagsgeschenk für mich sein. Edward wußte, daß ich gerade auf eine solche Statue längst fahndete. Sie sind sehr selten. Ein Händler hier in Kapstadt bot mir letztens genau dieselbe Statue an. Sie war mir aber zu teuer. Der gute Junge wollte mich übermorgen damit sicherlich überraschen. Ich werde 51 Jahre. Und nun – nun wird mich dieser Basuto-Götze nur immer an diesen furchtbaren Tag erinnern.“

      Er drehte die Tonstatue um. „Sie ist beschädigt. Man hat sie gekittet. Und hier dies kleine Loch auf dem Rücken habe ich noch bei keiner einzigen dieser Raritäten bemerkt.“

      Harst griff nach der Statue. Die Bewegung war seltsam hastig. – „Darf ich sie mir mal ansehen?“ meinte er.

      Wir wurden dann durch den Eintritt des Polizeiarztes abgelenkt. Dieser erklärte nach kurzer Untersuchung der Leiche, daß äußere Verletzungen nicht vorhanden seien. Eine Vergiftung sei möglich.

      Fitzgerald, Harst und ich standen beieinander am Fenster. Ich hörte, wie Harst Fitzgerald zuraunte:

      „Untersagen Sie eine Obduktion, selbst auf die Gefahr hin, daß Garner daraus für Pook ungünstige Schlüsse zieht. Weigern Sie sich auf jeden Fall. Der Tote darf nicht aus dem Hause.“

      Fitzgerald verharrte einen Moment regungslos. Inzwischen hatte der Polizeiarzt sehr bestimmt gesagt: „Eine Obduktion ist unbedingt nötig. Inspektor Garner hält hier einen –“

      Da rief Fitzgerald schon: „Ich verbiete eine Leichenöffnung. Mein Neffe ist meiner Überzeugung nach kein Dieb. Das genügt mir.“

      Garner kam schnell aus dem Schlafzimmer herbei.

      „Ich verlange eine Obduktion,“ erklärte er beinahe grob. „Willigen Sie nicht ein, Master Fitzgerald, so weiß ich Bescheid. Ich denke aber, es liegt Ihnen daran, meinen Verdacht zu zerstreuen.“

      „Das wird Herr Harst tun!“ erwiderte Fitzgerald scharfen Tones. „Es bleibt dabei: Edwards Leiche wird so beerdigt, wie sie ist.“

      „Ich protestiere!“ fuhr Garner auf. „Das Gesetz –“ Er stockte. Und Fitzgerald beendete schnell den begonnenen Satz:

      „– entzieht den Angehörigen eine Leiche nur, wenn Mord- oder Totschlagverdacht vorliegt. Hiervon ist bei Pook wohl keine Rede. – Jedenfalls würde ich sofort Beschwerde beim Gouverneur einlegen, falls Sie die Herausgabe der Leiche erzwingen wollten, Garner.“

      Der Inspektor drehte sich achselzuckend um und ging ins Schlafzimmer zurück.

      Zehn Minuten später hatte die Polizei die Villa verlassen.

      Fitzgerald, der Garner und den Arzt höflich nach unten begleitet hatte, kehrte zu uns zurück. Wir hatten den Toten schon vorher auf sein Bett getragen. Harst saß dann die ganze Zeit schweigend in der Ecke des Ledersofas in Pooks Wohnzimmer. Er hatte sich eine seiner Mirakulum angezündet, als wir allein waren, und schien angestrengt nachzudenken. Ich fragte ihn leise, weshalb die Obduktion unterbleiben solle. Er gab keine Antwort. Er blickte unverwandt auf das Muster der indischen Tischdecke. Wahrscheinlich hatte er meine Frage überhört. Er entschuldigte sich nun bei Fitzgerald, daß er sich die Freiheit genommen hätte, hier zu rauchen.

      „Für mich ist eine Zigarette dasselbe wie für andere ein Glas Sekt,“ meinte er. „Sie beschleunigt die Gedanken. Wir müssen hier ja auch bald zu einem Ergebnis kommen, Herr Fitzgerald. Vielleicht nehmen Sie gleichfalls Platz.“

      Fitzgerald setzte sich in den zweiten Klubsessel mir gegenüber. Er sah jetzt ganz erschöpft und mutlos aus. Auch der Ton seiner Stimme verriet seine Gemütsverfassung, als er Harst nun fragte: „Zu einem Ergebnis kommen? – wie meinen Sie das?“

      Harst hatte nach der Uhr gesehen, steckte sie wieder weg.

      „Es ist jetzt 1/23. Um 6 Uhr geht der Dampfer nach Sansibar ab. Schraut und ich haben beschlossen, abzureisen. – Natürlich nur zum Schein,“ fügte er hinzu. „So lange alle Welt weiß, daß ich mich Ihrer Sache angenommen habe, werde ich hier nichts ausrichten. Können Sie ein Motorboot mit verschwiegener Bedienung besorgen, das uns aufnimmt, sobald der Dampfer „Shurrfield“ das Kap der guten Hoffnung passiert hat? Dann könnten wir meiner Berechnung nach um drei Uhr morgens wieder hier sein.“

      Fitzgerald war zunächst ganz sprachlos, erklärte dann aber: „Ein Freund von mir besitzt einen Motorkutter. Ich kann mich auf ihn und seinen Bootsmann unbedingt verlassen.“

      „Gut. – Niemand darf ahnen, daß der Kutter uns von Bord holen soll. Wenn wir Ihre Villa verlassen haben, werden Sie nach der Stadt fahren und unauffällig verbreiten, daß ich es plötzlich abgelehnt hätte, mich mit dieser Angelegenheit weiter zu befassen. Tun Sie so, als ob Sie sehr empört darüber wären. Dann müssen Sie Pooks Leiche bewachen lassen. Ich halte Ihre schwarzen Diener für zuverlässig. Gestatten Sie außer diesen niemandem, Pooks Schlafzimmer zu betreten. Wenn Ihre beiden weiblichen Dienstboten, der Gärtner oder Bekannte von Ihnen den Toten sehen wollen, genügt es, wenn sie dort bis an die Tür gehen.“

      Fitzgerald schaute Harst abermals ganz verwirrt an.

      „So erklären Sie mir doch nur, was all dies für einen Zweck hat?“ meinte er bittend.


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