Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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es war zwecklos gewesen. Um mich her lauerte schwärzeste Finsternis – Den Knebel im Munde fühlte ich jetzt auch, ebenso den Bindfaden, der den Knebel festhielt und meine Wangen und die Haut des Genicks einschnürte. Als letztes stellte ich nun Fesseln an den Fußgelenken fest, von denen offenbar ein Strick nach unten lief, der meinen Körper gestreckt hielt.

      Dann kehrte auch die Erinnerung an unsere Überrumpelung zurück. Palperlon hatte im Bett gelegen, und einer seiner Genossen mußte uns niedergeschlagen haben. Kaum hatte ich mir dies klar gemacht, als ich ein Geräusch hörte: das Kreischen eines Türschlosses. Nun vernahm ich auch ein leises, vergnügtes Pfeifen. Der, der das Schloß geöffnet hatte, pfiff das gefühlvolle Lied: „Heimat, süße Heimat –“

      Plötzlich wurde es blendend hell ringsum. Ich starrte in den Lichtkegel einer großen Laterne hinein.

      Das Pfeifen verstummte. Dafür sagte eine Stimme mit ironischer Liebenswürdigkeit:

      „Guten Morgen, meine Herren. Wünsche wohlgeruht zu haben.“

      Ah – kaum drei Schritt vor mir hing ja Harst in derselben Stellung wie ich! Und nun sah ich auch den Laternenträger: es war der bucklige Simpson-Palperlon!

      Er stellte die Laterne auf ein Faß, setzte sich auf ein anderes und rauchte ein paar Züge einer gut riechenden Zigarre, wobei er abwechselnd mich und Harst angrinste. Wir kehrten ihm halb die Gesichter zu und brauchten die Köpfe nur wenig zu drehen, um ihn voll vor uns zu haben.

      Sein höhnisches, gemeines Grinsen entsprach ganz seinem Maske als Gärtner. Daß dieser Mensch ein vorzüglicher Schauspieler und Verkleidungskünstler war, wußten wir ja längst.

      „Eine ganz nette Überraschung für Sie!“ begann er dann in etwas hartem, aber fehlerfreiem deutsch. „Ja – so ein bißchen schlauer als Harald Harst bin ich doch noch zuweilen. Ihre Abreise kam mir gleich verdächtig vor. Der gute Fitzgerald hat es auch etwas ungeschickt angestellt, als er mit seinem Freunde Treebram des Motorkutters wegen verhandelte. Da erst merkte ich, daß man den braven, alten Simpson durchschaut hatte und daß es für ihn ratsam war, für Harsts und Schrauts Empfang so einige Zurüstungen zu treffen. Daß Sie beide nicht mit der Polizei gemeinsam arbeiten würden, wußte ich. Ich brauchte also eine Umstellung meines Häuschens nicht zu fürchten. Die Puppe im Bett mit dem aus Lehm gekneteten Kopf und das Schnarchen taten das ihrige. Und ein Sandsack besorgte den Rest als beste Schlagwaffe. Nun hängen Sie hier im Sämereikeller meines Häuschens. Was fange ich mit Ihnen an? Ich habe allen Grund, Ihnen erneut zu zürnen. Die Geschichte mit der Muwuru-Mine haben Sie mir ja gründlich verdorben! Recht geheuer kam mir die ganze Sache dort von vornherein nicht vor. Ich ließ daher auch den braven Morrisson die Kastanien aus dem Feuer holen. Jetzt wollten Sie mir hier wieder Schwierigkeiten machen, nachträgliche Schwierigkeiten, denn die „Rose von Rondebosch“ habe ich ja bereits. Im Vertrauen: die Nachschlüssel hatte ich mir schon vor drei Jahren hier angefertigt. Doch damals klappte die Sache nicht. Wissen Sie, warum, Herr Harst?“

      Harst schüttelte den Kopf. Auch er hatte einen Knebel im Munde.

      „Ich kann es Ihnen ruhig sagen,“ grinste Palperlon. „Die Schlüssel paßten damals nicht ganz. Ich mußte sie noch ausprobieren und nachfeilen.“

      Dann faßte er in die Tasche und – holte den Stein hervor, ließ ihn im Lichte der Laterne funkeln und sprühen und meinte: „Ich werde ihn zerschneiden, denn in seinem jetzigen Form ist er unverkäuflich. Eine Million schlage ich dabei bestimmt heraus. Nun kann ich mich bald zur Ruhe setzen, Herr Harst. Dort –“ er zeigte auf einen bestimmten Mauerstein der Wand – „liegt mein Vermögen verborgen. Es sind jetzt alles in allem vier Millionen einschließlich der Rose von Rondebosch. Eine Million fehlt mir noch. Dann mache ich Schluß, kaufe mich irgendwo an und spiele den ehrenwerten Rentner. – Wie wär’s, wenn Sie mir zu dieser Million verhelfen wollten, Herr Harst? Ich habe Sie beide in meiner Gewalt. Daß Sie diesen Keller lebend nicht mehr verlassen, können Sie sich selbst sagen. Wenn Sie mir aber auf Ihr Ehrenwort versprechen, mir eine Million auszuhändigen und mich fernerhin nicht zu behelligen, dann sind Sie beide frei.“

      Harst schüttelte sehr energisch den Kopf.

      „Das dachte ich mir!“ höhnte Palperlon. „Sie hoffen, Sie werden mir wieder entwischen wie schon so oft! Diesmal gelingt es Ihnen nicht. Sie beide werden spurlos verschwinden, und kein Mensch wird wissen, wo Sie geblieben sind. Es ist jetzt acht Uhr morgens. Um acht Uhr abends ist von Ihnen nichts mehr übrig. Dieses Häuschen wird niederbrennen, nachdem ich diesen Keller entsprechend durch Holz, Stroh und Petroleum hergerichtet habe. – Schade, daß Sie so kläglich enden müssen, Herr Harst! Überlegen Sie sich’s: eine Million! Was macht Ihnen das aus!“

      Harst hatte die Augen jetzt geschlossen, regte sich nicht.

      Palperlon schien enttäuscht, weil seine Drohungen nichts fruchteten. Er saß eine Weile still da und schaute vor sich hin. Dann änderte er seine Taktik. Er wurde Weltmann; sein Ton war der des wohlmeinenden Freundes, als er sagte: „Herr Harst, Sie können überzeugt sein, daß ich Sie tatsächlich gern schonen möchte. Ich habe Ihnen bereits bei anderer Gelegenheit erklärt, daß ich zu Ihren begeistertsten Bewunderern gehöre. Das ist keine leere Redensart! Gerade ich als Ihr Gegenpol sozusagen vermag am besten Ihre eminenten Fähigkeiten als Detektiv zu beurteilen. Sie haben das Stubenmädchen nach mir ausgefragt, nachdem Sie mich schon im Park bei meiner gärtnerischen Arbeit mit einem Blick gemustert hatten, der für mich ein Warnungssignal war. Sie werden auch den abgerissenen Knopf richtig eingeschätzt haben. Ich mußte den Verdacht notwendig auf irgend jemand lenken. Daß Edward Pook sich dann den Argwohn Garners so sehr zu Herzen nehmen würde, konnte ich nicht voraussehen. Jedenfalls halte ich hier einen Selbstmord für das wahrscheinlichste. Daß Sie niemand mitgeteilt haben, wer ich in Wahrheit bin, steht für mich fest. Ich kenne Ihre Arbeitsmethode. Es ist fast eine Schwäche von Ihnen, mit Ihrem Belastungsmaterial erst im letzten Moment hervorzutreten. Ich brauche also nicht zu fürchten, daß ich irgendwie bereits in Gefahr bin. – Herr Harst, geben Sie mir Ihr Ehrenwort! Opfern Sie die Million! Sie haben dann Ruhe vor mir, und die Welt auch!“

      War das nun alles lediglich Komödie? War es ein ganz raffinierter Versuch, Harst zur Nachgiebigkeit zu bewegen? Wirklich – aus diesem Palperlon war schwer klug zu werden. Der Mensch blieb stets ein besonderer Verbrechertyp!

      Harst verhielt sich weiter regungslos. Palperlon schaute ihn forschend an. Harsts Augen waren nach wie vor geschlossen.

      „Schade!“ meinte Palperlon. Das war alles, was er noch zu sagen hatte. Dann verließ er den Keller, schloß die dicke Bohlentür ab und schritt mit knarrenden Stiefeln eine Treppe hinan.

      Stille nun; Totenstille und undurchdringliche Finsternis.

      Plötzlich fühlte ich, wie stark die Schmerzen bereits waren, die mir der unter den Armen durchgezogene Strick verursachte, an dem ich hing. Bisher hatte ich für diese Schmerzen keine Gedanken gehabt. Und – wie lange sollte ich wohl noch in dieser gestreckten Haltung hängen?! Wie lange würde ich die Schmerzen, die sich notwendig steigern mußten, noch ertragen?! Und – was würde überhaupt aus Harst und mir werden?! Würden wir hier unten wirklich lebend verbrannt werden?! Ach – wie gern hätte ich wenigstens ein paar Worte mit Harst gewechselt! Welche Beruhigung wäre es für mich gewesen, wenn ich seine Stimme vernommen hätte, wenn er so herzlich vertraut gesagt hätte: „Lieber Alter –“

      Hier riß mein Gedankenfaden jäh ab. – Täuschte ich mich?! War das nicht wirklich –

      „Hast Du sehr böse Schmerzen, mein armer Alter?“ raunte Harst aus der Dunkelheit mir zu, – wirklich – Harst. – „Nun – ertrage sie nur geduldig. Palperlon sagte, es sei jetzt acht Uhr. Dann erfreut er sich gerade noch einer Stunde seiner Freiheit. Sieh mal – er hat sich nämlich gerade diesmal verrechnet. Ich habe Treebram, als Du in der Kutterkajüte so schön schliefst, genaue Verhaltungsmaßregeln für den Fall gegeben, wenn ich ihn heute früh 8 Uhr telephonisch nicht anrufen sollte. Dann wird er zu Garner eilen und diesen veranlassen, Fitzgeralds Villa zu umstellen und das ganze Personal zu verhaften, uns aber zu suchen, da wir dann eben in einen Hinterhalt geraten seien. – Du magst Dich wundern, daß ich gerade hier meiner „Schwäche“ untreu geworden bin und einen Dritten so halb und


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