Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel
mir, Master Harst.“ Dann gab er auch mir die Hand.
Wir setzten uns.
„Ich habe von Ihrem Gespräch mit Brigham genug verstanden, Mylord,“ begann Harald sofort, „um daraus den Schluß ziehen zu können, daß Sie die Jacht Mohalla mit Bessie Flepps Verschwinden in Zusammenhang bringen. Sie haben Brigham schließlich 5000 Pfund geboten, wenn er Ihnen alles mitteilen würde. Er behauptete, er wüßte nichts, und er blieb dabei, obwohl 5000 Pfund doch ein Vermögen sind. Sie gingen dann auseinander, indem Sie Brigham drohten, die Mohalla polizeilich durchsuchen zu lassen. Der Matrose lachte dazu.“
„So war’s,“ meinte Albemarle. „Ich will Ihnen auch kurz berichten, wie die Dinge liegen, Master Harst. Ich gebe zu, daß ich Bessie Flepp über alles liebe. Man spöttelt hier in Madras über diese meine Leidenschaft. Ich bin aber anderseits auch kein so blinder Narr, daß ich Bessie gegen ihren Willen zu einer Ehe zwingen würde. Vielleicht haben Sie den Verdacht gehabt oder haben ihn noch, daß ich Bessie entführen ließ.“
„Ich hatte ihn, Mylord –“
„Nun gut. Sie werden Ihren Irrtum eingesehen haben. Die Sache ist die. Ich habe Bessie beobachten lassen, schon als sie in Liverpool war. Sie hat dort einen Steuermann kennengelernt, der zu der Besatzung der Atlanta Lord Blackmoores gehört. Der Mann heißt Melkope – Thomas Melkope. Ein hübscher Bursche, ohne Frage. Ich weiß weiter, daß dieser Melkope hier in Madras mit Bessie heimlich Briefe wechselte. Die beiden waren stets sehr vorsichtig, denn mit Mutter Flepp ist nicht zu spaßen. Sie hätte Bessie eine Verlobung mit dem Steuermann nie erlaubt und sie sofort enterbt. Am Montag abend beobachtete mein Beauftragter –“
„Also ein Privatdetektiv,“ warf Harst ein.
„Ja – ein Detektiv namens Britton im Gayty-Theater, wie Bessie von einem Fremden mit blondem Vollbart – also nicht von Melkope – angesprochen und hinausgeführt wurde. Sie gingen sehr hastig. Britton kam zu spät. Das Pärchen war im Auto schon davongefahren. Britton vermutete, daß Bessie und der Fremde, den der Defektiv noch nie in Madras gesehen hatte, die Atlanta aufsuchen würden. Er eilte zum Westkai hinab und verbarg sich dort, um die Atlanta nicht aus den Augen zu lassen. Es regnete stark. Gegen Mitternacht tauchte dicht am Bollwerk der Matrose Brigham auf und unterhielt sich mit der Deckwache der Atlanta. Die beiden Matrosen, die auf der Atlanta die Wache hatten, lehnten an der Reeling. Brigham trank wiederholt aus einer Flasche, ließ dann auch die beiden anderen trinken. Nach einer Weile entfernte er sich. Britton war auf ihn argwöhnisch geworden und folgte ihm. Er kannte Brigham damals noch nicht. Er sah, daß der Mann mit den goldenen Ohrringen das Deck der Mohalla betrat und im Niedergang des Achterschiffes verschwand. Da auf der Mohalla keine Wache aufgestellt war, kroch der Detektiv an Bord and versuchte, durch das Oberlichtfenster des Kajütaufbaus in den Salon der Jacht hinabzusehen, der hell erleuchtet war. Die Oberlichtfenster waren zum Teil offen. Britton hörte, wie jemand sagte:
„Master Goorb, Sie können überzeugt sein, daß sie’s waren. Alles ist in Ordnung. Die Atlanta geht sofort in See.“
Britton wußte nun, daß der Besitzer der Mohalla, ein Franzose James Goorb aus Marseille, angeblich im Innern irgendwo weilte. Nun hatte er den Beweis, daß dies nicht stimmte. Goorb befand sich auf der Mohalla. – Er hörte noch, wie Goorb befahl: „Haltet den Motorkutter bereit!“
Dann mußte Britton seinen Lauscherposten verlassen. Eine halbe Stunde später fuhr die Atlanta bei strömendem Regen davon. Von der Mohalla aber entfernte sich der zu dieser Jacht gehörige gedeckte Motorkutter. Wer drin war. konnte Britton nicht feststellen.“
3. Kapitel
Wir lernen James Goorb kennen
Albemarle schwieg eine Weile und fügte hinzu: „Das ist alles, Master Harst.“
„Weshalb haben Sie Ihre Kenntnis dieser Einzelheiten der Hafenpolizei gegenüber verschwiegen, Mylord?“ fragte Harald nun.
„Weil ich mich nicht noch lächerlicher machen wollte! Nur deshalb. Sollte ich der Polizei verraten, daß ich Britton Bessies wegen beschäftigte?!“
„Nun gut, Mylord. Es schadet jetzt nichts, daß Sie schwiegen. – Wo befindet sich Britton?“
„Er beobachtet die Mohalla.“
„Hat er Neues in Erfahrung gebracht?“
„Nichts. Nur das eine, daß tatsächlich nur drei Mann die Jacht bewachen, der Steuermann Malcolm und Brigham und noch ein Matrose.“
„Aus der Geschichte wird kein Mensch klug,“ meinte Harald.
„Das sagt Britton auch, Master Harst.“
Harald begann zu rauchen. Der Lord bot mir eine Zigarre an. Als ich ihm das Feuerzeug hinhielt, fragte er:
„Was nun, Master Harst.“
Harald blieb stumm. – Ich flüsterte Albemarle zu: „Stören Sie ihn nicht, Mylord –“
Harst sprang plötzlich auf. „Ich muß Britton sprechen. Wo ist er zu finden?“
„Er steckt in einer leeren Kiste gegenüber dem Liegeplatz der Mohalla.“
„Mylord, besitzen Sie eine Jacht?“
„Welche Frage! Natürlich! Die schnellste Motorjacht der ganzen Ostküste. Mein Meteor ist berühmt.“
„Geben Sie sofort Befehl, daß die Jacht jeder Zeit reisefertig ist.“
„Oh – das ist sie, Master Harst. Sie liegt im Jachthafen des hiesigen Jachtklubs.“
„Dann gehen Sie an Bord und erwarten Sie uns dort. Lord Blackmoore nebst Gattin wohnen im Imperial. Wecken Sie sie und nehmen Sie sie mit auf den Meteor. Aber ohne jedes Aufsehen. Am besten geschieht das alles heimlich. Ich vermute, daß die Mohalla sehr bald in See stechen wird. Wir müssen ihr dann auf den Fersen bleiben.“
Wir trennten uns nun.
Eine Viertelstunde später umschlichen wir einen Stapel leere Kisten, der auf dem Kai gegenüber der Mohalla lag. Unterwegs zum Hafen hatte ich Harald gefragt, ob er nun bereits eine Lösung all dieser seltsamen Ereignisse gefunden hätte, worauf er erwiderte: „Du verlangst zu viel, mein Alter. Wenn Du Dir das, was wir jetzt wissen, genau überlegst, stößt Du überall auf Widersprüche. Ich hoffe aber, daß die Karo-Sieben einiges klären wird.“ –
Harald pochte hin und wieder an eine der Kisten an und rief leise: „Britton – Albemarle schickt uns.“
Niemand meldete sich. Dann kamen wir an eine ganz große Kiste, die etwas abseits lag. Wieder rief Harst. Und jetzt erhielten wir Antwort.
„Was gibt’s?“
Zu unserem Erstaunen hob sich dann der eine Seitenteil der Kiste, der oben Scharniere haben mußte.
„Schnell hinein zu mir,“ flüsterte der Detektiv.
Harald versetzte mir einen leichten Stoß in die Rippen. Das hieß: „Achtung!“
Die Kiste war sehr lang und vielleicht 11/4 Meter hoch.
Harald kroch voran. Ich hielt den Seitendeckel hoch. Dann folgte ich Harst – mit recht gemischten Gefühlen. Ich ahnte schon, daß hier etwas nicht stimmte.
Es war auch so. Kaum war der Deckel hinter mir zugefallen, als der andere Seitenteil gelüftet wurde und blitzschnell ein Mensch hinausschoß. Dann kippte die Kiste um, stand nun auf dem einen Deckel. Wir beide rutschten übereinander, lagen nun mit den Köpfen nach unten in dem großen Kasten.
Hammerschläge dröhnten über uns. Und abermals kantete man die Kiste um, so daß wir auf die Füße zu stehen kamen.
„Schießen!“ raunte ich Harst zu. „Schießen! – Da – die Kerle nageln auch den anderen