Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Außerdem jonglierte er stundenlang in der Zelle mit Waschschüssel, Kamm und Seifennapf. Seine Geschicklichkeit war verblüffend.

      Nachdem er dies alles so volle drei Monate getrieben hatte, sollte er einer Irrenanstalt zur Beobachtung überwiesen werden. Als der Arzt ihm das mitteilte, bekam Robbe einen Tobsuchtsanfall, der Doktor flüchtete entsetzt, und ich glaubte mein letztes Stündlein wäre gekommen, denn Parker Robbe war bei all seiner Schlankheit ein Athlet. Ich blieb am Leben. Robbe pappte vor das Guckloch zwei Schnitten Brot und flüsterte mir hastig zu: „Abelsen, falls du vor mir hier herauskommst, schreibe an …“ – Leider stürmten fünf Wärter herein, und Robbes vielverheißender Satz blieb unvollendet. – Er hatte jedenfalls simuliert, das wußte ich nun. Nach einiger Zeit hörte ich, er sei aus der Irrenanstalt entwichen. Dann entwich ich selbst, und nun nach Jahren stand hier in Nordaustralien Parker Robbe mit einer Pistole vor mir und Achi und befahl uns abzusteigen.

      Ich hatte ihn sofort wiedererkannt. Robbe war ein Mensch, den man nicht vergißt. Er hatte sandblondes Haar, eine breite, vorgewölbte Stirn, eine ganz leicht gekrümmte messerscharfe Nase, einen wohlgeformten Mund und ein sehr energisches Kinn. Seine blaugrauen Augen besaßen einen besonderen Glanz. Alles in allem ein hübscher Kerl.

      Ich kletterte mit erhobenen Armen aus dem Sattel. Ich hätte diesem Intermezzo eine andere Wendung geben können, aber mir lag nichts daran.

      „N’Abend, Robbe,“ sagte ich, vor ihm stehend, und mein Lachen machte ihn stutzig.

      Der Mond schien mir ins tiefbraune Gesicht.

      Robbes Gesicht ward maßlos erstaunt.

      „Abelsen?! Du?!“

      „Allerdings, Kamerad von Seitenflügel B, Zelle 112: Abelsen! – Wunderbares Zusammentreffen …“

      Er steckte die Pistole weg und schüttelte mir die Hand. „Ich hielt euch beide für Dippers …“

      „Bist du Buschklepper geworden?“

      „Ja und nein … Ich brauche Proviant und Patronen … nichts mehr. Mein Tabak ist verbraucht, und ein Schluck Schnaps wäre auch nicht übel. Kommt mit, aber leise …“

      Ich war noch etwas benommen von diesem Wiedersehen. Parker Robbe führte uns nach Norden in eine felsige Schlucht, wo zwei Pferde angepflockt waren. Der Marsch hatte eine halbe Stunde gedauert, und Achi hatte unsere Fährten sorgsam auswischen müssen und erschien erst später. So war ich denn mit Robbe zehn Minuten allein.

      „Wer ist der Schwarze?“ fragte er und rauchte mit innigstem Wohlbehagen eine meiner Zigaretten.

      Ich berichtete in gedrängter Kürze, wie ich zur Ruxa-Farm gelangt sei und weshalb ich nun in die Wildnis ginge. Von der Burg schwieg ich.

      Robbe hörte still zu. „Vielleicht hat das Schicksal unsere Wege gelenkt,“ meinte er wortkarg. „Ich freue mich dieses Wiedersehens, Abelsen …“

      Wir saßen an einem kleinen Lagerfeuer, und Robbe kochte Tee. Es war sehr kalt geworden.

      „Wie war das eigentlich damals mit dem Brief?“ fragte ich geradezu. „Ich sollte doch …“

      Er wehrte energisch ab. „Laß das ruhen … Du bist unschuldig, Abelsen, ich weiß es. Ich war es nicht, ich wollte im Nachtzuge jemand bestehlen, aber – ich war nie internationaler Bahndieb und Hochstapler. Was ich stehlen wollte, gehörte mir, du magst mir glauben oder nicht.“

      „Ich glaube dir …“

      Seine glänzenden Augen tasteten mein Gesicht ab. „Also Mallingrott ist hinter dir drein … Du scheinst viel erlebt zu haben, Abelsen …“

      „Es geht, Freund Robbe. Von Schweden über südlichstes Südamerika ist’s ein weiter Weg hierher. Ich bin Abenteurer geworden, und die Kulturwelt kann mir …“

      „Mir auch!“ nickte er ernst.

      „Und – was treibst du hier?!“

      Er überhörte die Frage. Er starrte in die knisternden Zweige und meinte leichthin: „Die Daisy Mallingrott soll ja ein Teufelsmädel sein!“

      „Soll?! Ist’s!! Eine Hexe, mit ihrem Gaul wie verwachsen, – eine glänzende Schützin, aber dunkle Punkte, Robbe.“

      Er blickte auf. „Inwiefern?“

      „Geheimnisvolle Ritte, – Maleachi meint, sie hat einen Liebhaber …“

      „Der Bengel ist ein Narr!“ rief er hastig, hüstelte dann, fügte gelangweilt hinzu: „Nirgends wird so viel geklatscht wie hier, Abelsen … Die Farmer und die Schwarzen greifen gierig nach jedem Gesprächsstoff … Die Einsamkeit beflügelt die Phantasie. – Kannst du mir Patronen überlassen?“

      Seine Snidersbüchse hatte dasselbe Kaliber wie unsere Waffen, ebenso seine Pistole. Er bekam je fünfzig Stück und bedankte sich schlicht. Als Achi dann erschien, brach er sofort auf, sattelte sein Reitpferd, drückte mir stumm die Hand, nickte Achi zu, nahm sein hochbeladenes Packtier am Leitseil und trabte gen Norden davon.

      Der kleine Prophet ließ sich am Feuer nieder. Ich war ein wenig verstimmt. Robbes Benehmen ärgerte mich. Er war über dies Zusammentreffen sichtlich erfreut gewesen, hatte aber anderseits deutlich gezeigt, daß er sich nicht in die Karten schauen lassen wollte.

      Ich ging in der Schlucht hin und her. Ich war erregt, die Vergangenheit war durch Parker Robbe in mir lebendig geworden, und der dumpfe Groll, daß das Geschick mich heimatlos gemacht hatte, stieg wieder einmal in mir empor.

      „Mussu!“

      Ich blieb stehen.

      „Nun?!“

      Achis treue Augen hingen an meinem Gesicht, dann stocherte er im Feuer, der Kessel dampfte, und der Tee duftete. Robbe hatte sich nicht einmal die Zeit gelassen, auch nur einen Schluck zu trinken.

      „Mussu, das waren große Überraschung für mich … Ich den Mann kennen … Ich gutes Gedächtnis für Gesichter …“

      „Du?!“ Ich trat rasch näher. „Woher kennst du ihn?“

      „Hinsetzen, Mussu … Tee trinken …“ Er klapperte mit den Bechern und brachte die Zuckerbüchse zum Vorschein. „Mussu, das sein viele Jahre her … Ich noch in Mission, und ich fahren mit Missionsschwester auf Küstendampfer nach Hafen Palmerston. Dort sehen den Mann … Er heißen nicht Parker Robbe, er heißen Percy Dobber und sein Neffe von sehr reichen Grubenbesitzer Old Dobber … Das sein bestimmt so. Mehr ich nicht wissen, Mussu. Nie mehr in Palmerston gewesen. Aber Leute erzählen, Old Dobber tot und anderer Neffe sein Erbe …“

      Ich trank sehr nachdenklich. Also Percy Dobber hieß er … Das alles war sehr seltsam. Was hatte Percy in Schweden zu tun gehabt?! Was tat er nun hier in der Wildnis?! Sein Jagdkostüm aus Leder hatte kein Schneider gefertigt, und sein Filz war löcherig gewesen, und die Stiefel sehr mitgenommen.

      Der kleine Prophet lutschte Zuckerstücke und blinzelte mich an. „Mussu, Percy Dobber sahen aus wie echter Buschklepper … Was auf Packpferd waren?!“

      Allerdings: Der Riesenballen erschien auch mir verdächtig.

      „Achi, wir werden ihm folgen,“ sagte ich kurz entschlossen. „Ich muß ihn sprechen.“

      „Erst essen, Mussu … Erst ausruhen. Morgenwind nicht so stark, daß Fährten verwehen … Wir Stunde Zeit haben.“

      Für meine Ungeduld war das viel zu lange. Die stille Sympathie, die ich schon in Nr. 112 für Robbe empfunden hatte, obwohl er mich gänzlich übersehen, war wieder geweckt. Ich ahnte, daß sein Leben Schatten barg. Der Name Dobber wurde hier überall nur mit Ehrfurcht genannt. Dobber war der Pierpont Morgan von Nordaustralien.

      Ich drängte zum Aufbruch. Aber Achi hatte als Nachtisch den Honigtopf vor, und ich mußte warten. Ich erkletterte die Ostwand der steinigen Schlucht. Unruhe lag mir im Blut, und ein Blick über die Wildnis zeigte mir nichts als verschwommene Bilder. Der Mond war verschwunden, der östliche Horizont zeigte einen schmalen hellen Strich,


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