Gaunerinnen. Jana Denole Яна Деноль

Gaunerinnen - Jana Denole Яна Деноль


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schreckliche Tag, an dem das Imperium der zwei Freundinnen unterging.

      Artschik wurde von der Polizei wegen Menschenhandels verhaftet. Er fand sich schnell zurecht und lieferte Natalja und Stella mit ihren ganzen schmutzigen Geschäften ans Messer. Er erzählte von ihren gefälschten Diplomen, um selbst einer Freiheitsstrafe zu entgehen. Der Fall wurde unverzüglich an die Staatsanwaltschaft abgegeben, geriet aber, Gott sei Dank, auf den Tisch eines Bekannten von Stella, der selbst in Machenschaften verwickelt war, die mit der Eröffnung ihres Büros zusammenhingen. Leider war er gezwungen, diesen großen Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. An diesem Tag ging alles den Bach hinunter.

      Ewgeni Pawlowitsch fuhr zum Notariat der Gaunerinnen. Hastig schaute er sich nach allen Seiten um und ging schnell herein.

      Stella sah den Leiter der Staatsanwaltschaft vom Fenster aus. Ihr Herz raste, als ob sie einen Marathon gelaufen wäre. Sie hatte ein schlechtes Gefühl. Er kam ins Büro und sah ihr schweigend in die Augen. Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, fragte Stella mit heiserer, verlorener Stimme:

      „Wieviel Zeit haben wir?“

      „Ein paar Minuten. Ins Auto, schnell!“

      „Gibst du uns zehn Minuten? Ich muss etwas von unten aus dem Safe holen.“

      „Im Gefängnis hast du zehn Jahre Zeit! Wenn dein Anwalt gut genug ist“, giftete er zurück.

      „Wofür?“, schrie Natalja, die wie versteinert dastand und dem Gespräch zuhörte.

      „Für Urkundenfälschung, illegale Benutzung eines staatlichen Notarsiegels und für Prostitution!“ Der Mann blickte in Richtung der Tür, neben der diejenige stand, die wegen des letzteren Delikts angeklagt werden könnte.

      Stella errötete bei diesem Vorwurf, als ob sie selbst dieses Verbrechens beschuldigt würde. Die tatsächliche Hure dagegen lächelte ruhig über das ganze Gesicht. Sie sah aus wie eine Frau, die ein Kompliment bekommen hatte.

      Die Freundinnen gingen schweigend den Korridor entlang, wo Kunden mit ihren Dokumenten saßen und auf deren Beglaubigung durch einen falschen Notar warteten. Mit großem Bedauern schaute Stella auf Nataljas Rücken, die vor ihr schritt und die Hüften wiege, als ob sie aus Gummi wären. Wegen des losen Plappermauls dieser schmutzigen Nutte drohte ihr grandioser Lebensplan zu zerfallen.

      „Ihr müsst umgehend euer Geld von allen Konten abheben, bevor euer Vermögen samt den Bankkonten beschlagnahmt wird“, sagte Ewgeni.

      „Schnell zur Bank!“

      Bei der Bank war nicht so viel Bargeld vorrätig, wie sie angefordert hatten. Ewgeni musste einige Leute anrufen, die über die nötigen Beziehungen in der Bankwelt verfügten. Für diesen Rettungsdienst forderte er von jedem Mädchen je 5.000 Dollar. Die beiden Freundinnen brauchten nicht zu antworten, denn die Frage selbst klang schon bejahend.

      Dabei erklärte er, dass die Fahndung nach ihnen eingeleitet würde, sobald man die Fälschung der Diplome bewiesen habe, was sehr bald passieren könnte.

      „Wie bald? In einer Woche? Einem Monat?“

      „Alles hängt von der Antwort aus Lugansk ab. Wer ist in die Sache verwickelt, den Verkauf der Diplome und so weiter?“

      „Dahinter stecken ernstzunehmende Leute! Die Diplome sind mit den Original-Siegeln versehen.“

      „Wenn es so ist, Stella, dann wird die Überprüfung sicher mehrere Monate dauern. Aber für euch ist es das Beste, wegzufahren, damit ihr nicht im Untersuchungsgefängnis landet. Lasst die anderen damit klarkommen.“

      „Verstanden. Hab vielen Dank!“

      „Sagt Bescheid, falls ihr nochmal Hilfe braucht, ihr kleinen Schwindlerinnen!“, scherzte der Staatsanwalt.

      „Auf Wiedersehen, Ewgeni!“ Stella umarmte den Freund. Ihre Augen wurden feucht. „Danke dir für alles…“

      Die Mädchen verließen die Stadt. Unterwegs mieteten sie ein schickes Haus, kauften sich Lebensmittel und jede Menge Alkohol. Sie saßen am Kamin, tranken und wechselten kein Wort miteinander.

      Stella brach das Schweigen. Nach der ersten geleerten Flasche war sie praktisch noch nüchtern.

      „Am besten wäre es, das Land zu verlassen.“

      Natalja war den Tränen nahe.

      „So ein Arschloch, dieser Artschik! Ein Schweinehund! Das Land verlassen?“ Das Mädchen schluchzte. „Und meine Mutter? Meine Familie?“

      „An die Familie hättest du früher denken müssen! Du hast in einer Notarkanzlei mit gefälschten Papieren gearbeitet, bist auf den Strich gegangen und hast dabei noch deinen Zuhälter gevögelt! Was hast du eigentlich erwartet? So naiv kann man doch gar nicht sein!“

      Natalja kam schweigend auf Stella zu. Es sah aus, als ob sie Angst hätte, Stella würde sie beißen. Sie umarmte ihre Freundin und seufzte wie ein Kind.

      „Verzeih mir! Das wollte ich nicht!“ Lass uns irgendwo hingehen, nur, bitte, verlass mich nicht!“

      Aber Stella konnte nicht ihr alles einfach so verzeihen. Sie schrie ihr ins verweinte Gesicht:

      „Wegen dir, du Schlampe, sind alle meine Träume kaputtgegangen! In einem Augenblick! Das ganze Geld! Endlich hatte ich ein anständiges Auskommen! Und alles ist zusammengebrochen! Alles! Ich hasse dich! Warum hast du mit deinem verdammten Gewerbe nicht aufgehört? Für eine schöne Zukunft? Was hat dir gefehlt? Hattest du nicht genug Geld? Warum musstest du dich mit irgendwelchem Lumpenpack als Nutte herumtreiben? Eine schöne Notarin bist du! Hol dich der Teufel! Dreckige Schlampe! Man sieht es dir gleich an, was du für eine billige Schnalle bist! Du hast allen erzählt, dass du Notarin bist. Dabei warst du besoffen und auf Eсstasy. Hast die Bar vollgesabbert und bist vom Hocker gefallen.“

      „Aber du, Stella! Du bist so ein braves Mädchen, das noch nie Tabletten genommen hat! Säuferin! Du trinkst Bier und Whiskey literweise wie ein Mann! Und erzählst mir irgendeinen Stuss! Spielst hier die Zimperliese! Dabei schläfst du mit Männern, genau wie ich! Bloß umsonst! Also wer ist hier billig? Natürlich! Dafür mögen dich alle! Weil du's gratis mit ihnen treibst!“

      Stella hörte den Schwall von Vorwürfen schweigend an. Vielleicht war sogar etwas dran. Wenigstens zum Teil könnte Natalja recht haben. Aber Stella war schlicht und einfach nicht fähig, für Sex Geld zu nehmen.

      Die Leidenschaften legten sich und die Freundinnen konnten etwas schlafen. Am Morgen rief Stella alle Agenturen an, die Mädchen ins Ausland vermittelten. Am Abend kam die Leiterin einer solchen Agentur zu ihnen. Sie brachte alle Unterlagen mit, die erforderlich waren, um Arbeitsverträge für Einsätze von drei, sechs oder acht Monaten im Jahr in verschiedenen Ländern abzuschließen. Die Mädchen saßen am Tisch und sahen sich verschiedene Varianten für die nächste Zeit an. Stella interessierte sich für die USA und die Schweiz, Natalja dagegen nur für die Schweiz, weil sie dort Bekannte hatte. Bei dem Job ging um Stangentanz und Alkoholkonsum. Laut Vertrag wären sie verpflichtet, mindestens sechs Mal pro Nacht an der Stange zu tanzen und dazwischen mit Kunden alkoholische Getränke aller Art zu trinken. Wenn ein Gast ein Glas Champagner für ein Mädchen bestellte, das im Klub als Tänzerin tätig war, kostete ihn das sechzig Schweizer Franken, also circa fünfundfünfzig Dollar. Davon erhielt das Mädchen zehn Prozent. Wurde eine ganze Flasche Champagner bestellt, sei es Dom Perignon, Belle Epoque, Krug, Veuve Clicquot oder gewöhnlicher Moet & Chandon, stand dem Mädchen natürlich eine höhere Kommission zu, weil eine einzige Flasche Krug locker zweitausend Franken kosten konnte. Der Champagner floss in Strömen in den Klubs der Millionäre. War das Mädchen nicht im Stande, so viel zu trinken, war es erlaubt, Getränke auf den Boden oder an die Wand zu schütten; diese waren mit einem Teppich bedeckt, der die Flüssigkeit sofort aufnahm. Die Kunden sollten das nicht bemerken, alles musste heimlich vor sich gehen. Jeden Morgen kam der Reinigungsdienst mit spezieller Ausrüstung und spülte Tausende von Dollar von den Wänden des Lokals. Es war möglich, mit Kunden gegen Geld zu schlafen, aber keine Pflicht. Die Mädchen konnten das tun, wenn sie den Wunsch hatten. Im Klub gab es speziell ausgestattete Zimmer, so genannte Separees, wo man mit dem Kunden zu einem privaten Tanz oder einfach zum Trinken allein sein konnte. Dafür musste er eine Flasche Champagner im Wert von


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