Oceanside Affairs. Alexandra B. Schopnie

Oceanside Affairs - Alexandra B. Schopnie


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      „Du meintest doch, dass Chase über den Dezember wegfährt. Vielleicht bietet das die Gelegenheit für ein bisschen Schreibpause.“

      „Ja, vielleicht.“

      Bereits auf dem Weg nach Hause spürte Maddie ihr Handy summen. Der Linienbus war abends weitestgehend leer, sie hatte sich auf einen Sitz am Fenster gesetzt, gegen das der stärker werdende Regen schlug. Die Sitzpolster waren schon abgenutzt und auf dem Fußboden zog sich eine klebrige Spur eines süßen Getränks entlang der Fahrtrichtung. Die Motor klang alt und als hätte er Husten. Maddie fragte sich, wann die neuen von Windstrom angetriebenen Busse eingesetzt würden, die angekündigt waren – und ob die Busgesellschaft Trimet dieses Ur-Modell dann endlich in Rente schicken würde. Entgegen ihrer Gewohnheit, las sie die Nachricht von Chase sofort, anstatt an ihrem Schreibtisch, der sich zum Ort ihres Dialoges entwickelt hatte.

       05.11.19, 20: 54 Uhr

      Liebe Maddie,

      du bist offensichtlich echt.

      Du machst dir echte Gedanken, zeigst echte Gefühle und stellst mich vor echte Herausforderungen.

      Das, was du beschreibst, kenne ich nicht. Ich war nie sonderlich Fan von etwas oder jemandem, höchstens inspiriert oder beeindruckt. Von daher versuche ich mich in dich hineinzuversetzen und glaube zu verstehen, wie du meinst, was du geschrieben hast.

      Du führst mir vor Augen, dass ich einen Charakter spiele, mit dem sich andere identifizieren, der vielleicht sogar die Möglichkeit bietet, sich in ihn zu ‚vergucken‘. Bedenkt man die (überwiegend weiblichen) Fans, die auf Veranstaltungen mit Herz-Plakaten auf mich warten, Fotos wollen und Unterschriften auf verschiedensten Körperteilen (ja, das passiert wirklich), hätte ich mir das schon denken können. Gut, ich wusste es und das ist mir unangenehm, weil es etwas über die Größe meines Egos aussagt. Vielleicht dachte ich auch eher, dass die Fan-Mädels es einfach mögen, einen Schauspieler toll zu finden.

      Die Leute, die mich privat kennen, sind keine Fans. Im Gegenteil, sie sind meine schärfsten Kritiker und sehen meine Ecken und Kanten, meine Fehler. Ein schönes Lächeln qualifiziert dich nicht für das echte Leben. Und die, die mich als Seriendarsteller kennen, kennen mich nicht wirklich. Diese Trennung war bisher immer wichtig und klappte ziemlich gut.

      Du kennst diese zwei Leben auch, nur aus anderer Perspektive. Auch du trennst Fan-Leben und Privatleben voneinander, damit sie sich nicht an empfindlichen Stellen berühren. Und durch meine Kontaktaufnahme habe ich dieses sensible Gleichgewicht gestört. Darüber habe ich nicht nachgedacht und es tut mir Leid.

      Was machen wir daraus? Mit dir zu schreiben, tut mir gut. Ich würde ungern damit aufhören.

      Chase

      Was bedeutete das jetzt? Der Bus hielt und ein einzelner, nasser Mensch stieg ein. Die Türen schlossen sich und würden sich an der übernächsten Haltestelle für Maddie wieder öffnen. Zuerst einmal bedeutete es, dass Chase Anderson durchaus in der Lage war, sich selbst und seine Wirkung zu reflektieren. Wie merkwürdig es sein musste, zu wissen, dass man von Fremden begehrt wurde. Bei Maddie kam es auch vor, dass sie ein Lächeln geschenkt bekam oder sie mal jemand ansprach – sie war Mitte zwanzig, sportlich, nicht auf den Kopf gefallen und hatte einen exotischen Touch, wie Lea es immer nannte. Trotzdem wurde sie nicht mit Plakaten verfolgt. Es schrie ihr auch keiner hinterher, dass er Kinder von ihr wolle oder bewarf sie mit getragener Unterwäsche.

      Die Fakten sprachen für sich: Sie war ein normaler Mensch und verknallt in einen Schauspieler. Er war eben jener Schauspieler und schaffte es, sie total damit zu verwirren, dass er tatsächlich auch hinter dem Fernseher existierte. Nur wollte sie gern weiter mit ihm schreiben, so viel stand fest und offenbar sah er das auch so. Völlig in Gedanken versunken, verpasste Maddie ihre Haltestelle und musste statt der üblichen sechs Minuten nun 15 laufen.

       05.11.19, 21: 02 Uhr

      Du bist süß – deine Entschuldigung ist aber nicht notwendig. Willst du mit mir durch den Regen gehen?

       05.11.19, 21: 03 Uhr

      Ich laufe gern mit dir durch den Portlander Regen, gebe dir auch meine Jacke, wenn du möchtest. Bist du draußen unterwegs?

       05.11.19, 21: 05 Uhr

      Wegen dir habe ich meine Bushaltestelle verpasst, ich war bei meiner Freundin Lea. Wenn du so nah wärst, dass du mir deine Jacke geben könntest, wäre ich ziemlich verwirrt. Ich fange an, sehr schnell zu reden, wenn ich nervös bin. Aber ich bin sicher, ein Spaziergang mit dir wäre etwas Schönes! Vielleicht an einem Tag ohne Regen?

       17.11.19, 21: 06 Uhr

      Oh nein – wegen mir läufst du jetzt durch die nasse Dunkelheit? Alex Logan würde jetzt einen Hubschrauber anfordern, um dich zu retten. Ich kann leider nur sagen, dass es mir Leid tut und dass ich es sicher charmant finden würde, wenn du nervös vor dich hinredest.

       05.11.19, 21: 07 Uhr

      …und vielleicht muss ich dich deshalb lieber mögen als Alex Logan, denn mit Worten scheinst du besser umgehen zu können. Er ist ja doch eher Typ schweigsam. ;-)

       05.11.19, 21: 09 Uhr

      Ich stelle mir gerade vor, wie eine kleine Gestalt mit einer Mütze durch Portland huscht, dabei am Handy tippt und sehr, sehr nass wird. Bist das in etwa du?

       05.11.19, 21: 10 Uhr

      Das bin in etwa ich. Wo bist du gerade?

       05.11.19, 21: 12 Uhr

      Ich bin zu Hause. Es ist ein Bungalow in L.A. mit vier Zimmern, in einem davon steht ein Bett, da sitze ich. Der Fernseher läuft (Top Gun), ein Fenster ist auf. Ohne Mütze und auch nicht nass - das bin in etwa ich!

       05.11.19, 21: 14 Uhr

      Fühlst du dich wohl in deinem zu Hause? Welches ist dein Lieblingszimmer, was magst du an deinem Haus besonders gern?

       05.11.19, 21: 16 Uhr

      L.A. an sich ist schon speziell. Voller Motten, die dem Licht nachfliegen und dazwischen fette Glühwürmer, die so tun, als wären sie Scheinwerfer. In meinem Haus fühle ich mich aber dennoch wohl. Mein Lieblingszimmer? Wahrscheinlich das Wohnzimmer mit offener Küche. Kochst du gern?

       05.11.19, 21: 17 Uhr

      Du hast gerade für immer meine Meinung über Glühwürmchen zerstört. Doch, ja, im Kochen bin ich ganz gut. Was ist dein Lieblingsessen?

       05.11.19, 21: 18 Uhr

      Dafür muss ich mich wohl entschuldigen, das mit den Glühwürmchen. Die Frage mit dem Lieblingsessen ist schwer, denn die Antwort ist peinlich: Burger. Ich weiß, total lahm, aber ich steh drauf. Mit Senf und Gurke! Wie lange musst du denn noch gehen? Ich sitze hier warm und gemütlich und du läufst durch die düsteren Außenbezirke einer fernen Großstadt… Lässt du dich auch nicht kidnappen?

       05.11.19, 21: 19 Uhr

      Ehrlich gesagt, bin ich schon da. Ich stehe im Hauseingang unter einem kleinen Licht und meine Hände sind kalt. Ich wäre gern dort, wo du bist!

       05.11.19, 21: 20 Uhr

      Ich möchte dir gern sagen, dass du dich aufwärmen gehen sollst, aber dann hörst du wahrscheinlich auf zu schreiben. Schließlich wartet zu Hause jemand auf dich. Willst du dich nicht bei mir aufwärmen?

       05.11.19, 21: 20 Uhr

      Du kennst mich nicht, Chase Anderson. Warum fragst du so etwas?

       05.11.19, 21: 21

      Das ist eine verdammt gute Frage!

       05.11.19, 21: 22 Uhr

      …und das war überhaupt keine Antwort. Okay, mein erster Impuls war gerade, mich über dich aufzuregen,


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