Oceanside Affairs. Alexandra B. Schopnie

Oceanside Affairs - Alexandra B. Schopnie


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aber es ist eben doch nicht dasselbe. Warst du schon mal in Australien?

      Chase

       29.10.19, 21: 45 Uhr

      Australien? Du meinst den Kontinent, wo 80% aller tödlichen und giftigen Tierarten leben? ;-) Bisher nicht. Wenn ich ehrlich bin, bin ich noch gar nicht aus den USA rausgekommen bis auf einen Besuch bei meiner Verwandtschaft in Puerto Rico als Kind. Mein Vater kommt von dort, aber die Familie ist schwierig und wir haben vor allem Kontakt zu denen, die auch in die USA ausgewandert sind. Die Familie meiner Ma besteht aus engstirnigen Südstaatlern, die der Meinung sind, mein Dad sei nicht gut genug für meine Mum. Klassischer, unausgesprochener Minimalrassismus. Es läuft also meistens auf uns drei hinaus, da kommen wir auf den größten gemeinsamen Nenner.

      Ist es jetzt schon wieder merkwürdig, dass ich weiß, wie deine Eltern heißen? Damit es fair bleibt: ich habe keine Geschwister und meine Eltern heißen Rose und Esteban.

      Ich bin müde, obwohl es noch früh ist. Die Tage werden immer grauer und kürzer hier, ich vermisse die Sonne. Schickst du mir im Dezember etwas australisches Wetter mit Sonnenlicht und Kängurus? Ich wäre sehr neugierig auf deine Heimat, trotz der giftigen Tiere.

      Bezüglich der Convention: Ja. Du hast Recht, ich habe die Frage übergangen. Meine beste Freundin Lea und ich werden da sein und ich werde eine von Tausenden im Publikum sein, die dir zujubeln und mir dabei vermutlich komisch vorkommen, denn jetzt kenne ich dich. Maddie

      29.10.19, 22: 11 Uhr

      Ich kenne jetzt die Namen deiner Eltern, aber deinen immer noch nicht. Ich tippe auf Madeline, richtig? Wenn deine Mutter einen Puerto-Ricaner geheiratet hat, hast du vielleicht einen klangvollen spanischen Nachnamen, dunkle Haut und dunkle Augen.

      Mir ist aufgefallen, dass du mir fast immer abends schreibst, meist am Wochenende. Liegt das daran, dass du wann anders keine Zeit findest oder daran, dass du Momente findest, in denen dir niemand über die Schulter sehen kann? Okay, jetzt habe ich mehr oder weniger doch nach deinem Beziehungsstatus gefragt – tut mir Leid. Und natürlich schicke ich dir Sonne mit Kängurus, die Frage war wirklich süß.

      Und was die Convention angeht, finde ich, dass allerhöchstens ich mir komisch vorkommen sollte – schließlich baut das ganze Konzept darauf auf, dass ich zwei Tage lang die richtigen Sachen sage, immerzu witzig und charmant bin und meine Haare perfekt sitzen. Vermutlich kommen sich alle Beteiligten manchmal merkwürdig vor, aber unterm Strich macht es Spaß. Oder? Chase

       29.10.19, 22: 14 Uhr

      Lieber Chase,

      ja, es macht Spaß. ☺Du bist gut in dem, was du tust, und deine Kollegen sind genauso super.

      Ich weiß nicht, wie mein Freund Pete, mit dem ich zusammenlebe, es finden würde, wenn er wüsste, dass ich mit jemandem so regelmäßig schreibe. Deshalb ja, ich verstecke dich. Er soll sich keine Gedanken machen – für ihn bist du weiterhin weit weg, nur eine Fernsehschwärmerei namens Alex Logan. Daher auch mein Zögern: wenn ich dir meinen ganzen Namen sage, wirst du mich googeln und dann bist du auf einmal viel weniger weit weg.

      Deine Madeline Valentina (…)

       29.10.19, 22: 18 Uhr

      Liebe Maddie,

      ich stelle mir dich als eine lebendige, wortreiche Person vor, irgendetwas zwischen Mädchen und junger Frau. Ich glaube, dass du mit ganz viel Energie und Empathie deinen tollen Job meisterst und ich frage mich, wie es kam, dass du so gern Oceanside Murders guckst, wo du doch wahrscheinlich gar kein Typ bist für (manchmal) flache Dialoge und Schusswaffen. Was magst du daran? Du bist vermutlich klug, sportlich und offensichtlich kommunikativ – kein Wunder, dass jemand da ist, der bei dir lebt und dich für sich haben möchte. Ich kann ihn verstehen. Du weißt mehr über mich als ich über dich und ich bin weit weg von Portland. Und wenn Detective Alex Logan deine Schwärmerei ist, braucht Pete sich keine Gedanken machen, der ist ja nicht echt ;-)

       29.10.19, 22: 22 Uhr

      Du stellst aber unangenehme Fragen… Die Serie mag ich vor allem deinetwegen. Ich mag den Detective vielleicht auch deshalb so gern, weil er nicht echt ist. Dich mag ich, weil du echt bist. Ergibt keinen Sinn, nicht wahr…? Ich glaube, ich muss dringend ins Bett. Ich wünsche dir eine gute Nacht!

       29.10.19, 22: 24 Uhr

      Dir auch eine gute Nacht. Warum habe ich jetzt einen kleinen, müden Dinosaurier vor Augen?

       01.11.19, 20: 37 Uhr

      Ich habe die letzten zwei Tage daran gedacht, wie schön ich es finde, dass du mir sagst, dass du mich magst. Bist du immer so offen und warmherzig? Sprudelt aus dir ein Teil puerto-ricanische Lebensfreude? Sagst du immer, was du denkst oder geht das vor allem gut, wenn du schreiben darfst? Für mich gilt eher Letzteres. Na, ist wahrscheinlich für viele Menschen so. Ich nehme mir Zeit für die Nachrichten an dich, das entschleunigt mich. Ich setze ich mir Stück für Stück ein Bild der Maddie zusammen, die bisher nur auf dem Display und in meinem Kopf existiert. Wie ein schönes Puzzle.

      Chase

       03.11.19, 08: 23 Uhr

      Lieber Chase, heute erhältst du mal morgens eine Nachricht. Mein Herz hüpft, wenn du mir Komplimente machst, weißt du das? Ich habe mir nach deiner letzten Nachricht vorgenommen, ganz offen zu dir zu sein (was mir schwer fällt, entgegen des Bildes deiner Maddie in deinem Kopf): Mit dir zu schreiben, ist so sonderbar!

      Da ist diese ganz eigenartige Vertrautheit, die mich immer dazu verführt, zu glauben, ich würde dich kennen. Wie jeder Fan weiß ich Dinge über dich, über dein Engagement für Sportvereine und Naturschutz – das bewundere ich an dir. Ich stelle mir vor, wie du aussiehst, wenn du mir schreibst. Ich kenne die Form deiner Grübchen, deiner Mundwinkel und kenne deine Hände. Ich weiß, wie lang deine Wimpern sind und dass deine blauen Augen von stromlinienförmigen Mustern durchzogen sind, wie Wasseradern im Polareis.

      Seit vielen Monaten sehe ich dir im Fernsehen dabei zu, wie du dich bewegst, wie du in deiner Rolle lachst oder leidest und frage mich jetzt immerzu, wie viel von dem Protagonisten, den ich kenne, tatsächlich du bist. Ich finde zu viel an dir wunderbar, alberne Sachen, wie die Art, wie du dich umdrehst, wenn du jemanden ansiehst, der an deiner Seite steht, oder wie du immer den Gürtel mit der Dienstwaffe zurechtrückst, auch dein Lächeln, das dein ganzes Gesicht erstrahlen lässt. Ich habe nie, nie, nie einen Mann mit einem so schönen Lächeln gesehen und das ist doch nicht fair, wenn mich der Fernseher ständig so anlächelt!

      Du warst mein geheimer Kick für Gänsehaut und Sehnsucht, dem ich nachgeben durfte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Du warst einfach kein Teil der echten Welt!

      Aber jetzt bist du es, zumindest ein bisschen und das ist wirklich, wirklich immer noch sehr verwirrend für mich. Ich weiß nicht, ob ich diese Gefühle gegenüber der fiktiven Fernsehfigur Alex Logan habe oder dir gegenüber. Die Wahrheit ist: vermutlich für euch beide, denn du bist er und er ist du. Und es ist noch viel verwirrender, weil du nicht die gleichen Gefühle für mich haben kannst. Du kennst mich nicht, du weißt nicht wie ich aussehe, du schreibst mir einfach, als wären wir so etwas wie Brieffreunde (also Twitterfreunde klingt doof) und für mich verbinden sich so viele „Fan-Gefühle“ mit deinen Nachrichten, dass ich das alles nicht einsortieren kann.

      Ich weiß, ich verkompliziere jetzt alles. Und es tut mir Leid, dass ich dir nun so viel Interpretationsspielraum gegeben habe. Aber du kannst dich nicht einfach in ein Fan-Leben einmischen und davon ausgehen, dass du keine Turbulenzen auslöst.

      Abgesehen davon wünsche ich dir einen schönen Tag – deine verwirrte ‚echte‘ Maddie.

      *

      Ein Scheinwerfer wurde neu ausgerichtet, Chase kniff die Augen zusammen, als der Lichtstrahl dabei sein Gesicht streifte. Die Szene stellte sie alle vor Herausforderungen, das Gelände der felsigen Höhle war unwegsam und die Deckenhöhe an einigen Stellen zu niedrig, als dass die Teams von Bild und Ton frei mit ihren Gerätschaften hantieren konnten. Die Höhle so auszuleuchten,


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