Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland

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glaubte sich in einer starken Position und rechnete nicht damit, dass er der einzige Außenstehende war. Die vier gehörten zusammen, und die Revolver, die sie plötzlich in den Fäusten hielten, zeigten ihm, dass er auf der falschen Seite stand.

      „Soso!“, sagte ein hagerer Bursche, der ein wenig schielte. „Du hattest also ein Ass im Ärmel, und uns bezeichnest du als Falschspieler. Irgendwie kann ich deiner Logik nicht folgen. Du wirst einsehen, dass du nun büßen musst. Man beleidigt Ehrenmänner nicht ungestraft.“

      Die vier stürzten sich auf den Unbewaffneten. Dieser hatte geglaubt, in der Hudson-Metropole sein Konto etwas aufbessern zu können. Sie droschen mit den Kolben ihrer Waffen auf seinen Kopf ein und traten ihn mit Füßen.

      Stöhnend brach der Mann zusammen. Er hatte noch nicht einmal die Chance zur Gegenwehr gehabt.

      „Gebt ihm den Rest“, zischte Tayi Yang verächtlich. „Und dann überlasst ihn den Fischen zum Fraß. Misstrauische Leute wie er verderben nur das Geschäft.“

      Sie räumten die Taschen ihres Opfers aus und nahmen ihm seine beiden Ringe und die goldene Armbanduhr ab.

      Entsetzt sah der Texaner, wie sich die Mündungen der Revolver auf ihn richteten.

      Da flog die Tür mit einem Schlag auf. Ein großer Mann warf sich zwischen die Meute und verteilte Handkantenschläge nach beiden Seiten.

      Die Spieler wussten nicht, wie ihnen geschah. Aber sie begriffen, dass sie es mit einem einzigen Gegner zu tun hatten. Mit dem würden sie wohl fertig werden.

      „Das ist Bount Reiniger“, schrie der Hagere. Er war plötzlich unsicher geworden.

      „Umso besser“, triumphierte der Chinese. „Shao Ch’eng wird sich freuen, wenn wir ihm endlich den Schnüffler vom Hals schaffen.“ Seine Hände wurden zu beinharten Brettern. Mit den Füßen voraus sprang er den Detektiv an.

      Bount wich zurück. Er riss den Hageren zu sich heran und sorgte dafür, dass dieser von dem Chinesen getroffen wurde. Stöhnend brach der Mann zusammen.

      Bount riss dem Karatekämpfer die Hände auf den Rücken und ließ die Handschellen zuschnappen. Nun brauchte er sich nur noch vor den Füßen in Acht zu nehmen.

      Doch Tayi Yang gab auf. Er begriff, dass er verloren hatte.

      Der Bursche mit der Goldrandbrille versuchte, Bount in den Rücken zu schießen. Instinktiv ließ sich der Detektiv gerade noch rechtzeitig fallen. Deshalb durchbohrte die Kugel einen der Komplizen des Schützen.

      Vor Schreck war dieser nicht fähig, einen zweiten Schuss abzugeben, bevor ein Faustschlag ihn entwaffnete.

      Der vierte versuchte sein Heil in der Flucht. Bount ließ ihn laufen. Er wusste, dass der Halunke ihn zu seinem Boss bringen würde.

      Und Bount täuschte sich nicht. Er spürte Shao Ch’eng in einem raffiniert getarnten Hinterzimmer auf.

      Der Chinese fasste blitzschnell in seine Schublade, aber Bount setzte eine Kugel dicht vor ihn in die Schreibtischplatte und behielt die Automatic in der Faust.

      „Das Spiel ist verloren, Shao Ch’eng“, erklärte er hart. „Es hat lange gedauert, bis ich dich endlich überführen konnte, aber irgendwann erwischt es jeden. Diesen Spruch solltet ihr in den Schatz chinesischer Weisheiten aufnehmen.“

      Shao Ch’eng hockte wie eine fette Tarantel hinter seinem Mahagonischreibtisch. Seinen listigen Augen war deutlich anzusehen, dass er fieberhaft nach einer Möglichkeit suchte, den Privatdetektiv auszutricksen.

      Doch das ließ Bount nicht zu. Fast vier Monate hatte er gebraucht, bis es ihm gelungen war, den Beweis zu erbringen, dass der fünfzigjährige Chinese Herr über ein Imperium verbotener Spielhöllen und Bordelle war, in denen man auch nicht vor Raub und Mord zurückschreckte. Jetzt ließ er sich seinen Fisch nicht mehr wegschnappen.

      Er übergab ihn der Polizei und kassierte sein Honorar von den beiden Geschädigten, die ihn mit dem Fall beauftragt hatten.

      Zwei Wochen später erfuhr er von seinem Freund Toby Rogers, dem Leiter der Mordkommission Manhattan C/II, dass es Shao Ch’eng gelungen war, seinen Bewachern zu entkommen, als man ihn zu einer Vernehmung dem Untersuchungsrichter vorführen wollte.

      Freunde halfen dem Chinesen aus der Stadt heraus. Danach hörte man in New York City nie wieder etwas von dem Verbrecher.

      2

      An diese ungefähr zwei Jahre zurückliegenden Ereignisse wurde Bount Reiniger erinnert, als er den Brief las, den ihm June March auf den Schreibtisch gelegt hatte.

      Es handelte sich um ein Schreiben, das in Bangkok aufgegeben worden war. Der Absender war ein Notar mit unaussprechlichem Namen. Er setzte Bount mit dem Ausdruck größten Bedauerns über das Ableben des Mr. Shao Ch’eng in Kenntnis.

      'Er wurde in der Nacht zum 13. Februar auf offener Straße erschossen', hieß es da. 'Er war auf der Stelle tot.'

      Das allein war aber nicht der Grund, warum der Rechtsbeistand des alten Halunken sich mit dem Detektiv im weit entfernten Kontinent in Verbindung gesetzt hatte.

      „Er hat mich in seinem Testament bedacht“, murmelte Bount überrascht und griff nach der Kaffeetasse. „Ausgerechnet mir vermacht der Gauner umgerechnet rund achtzigtausend US-Dollar. Kannst du das begreifen?“

      „Dieser Phra Kwan Ho schreibt, dass sein Mandant die Ansicht vertrat, nur durch dein Eingreifen gezwungen worden zu sein, auf den geraden Weg der Gesetzlichkeit zurückzukehren. Dafür sei er dir außerordentlich dankbar gewesen. Außerdem habe er dich als einen absolut zuverlässigen und vor allem unerschrockenen Mann kennengelernt. Nur einem solchen wollte er das Schicksal seiner Tochter anvertrauen“, ergänzte June.

      „Ich lese es gerade“, antwortete Bount kopfschüttelnd. „Das macht es mir aber nicht leichter, es zu verstehen. Ich erinnere mich an Shao Ch’eng als ein ausgekochtes Schlitzohr, das mit allen Wassern gewaschen war. Sein absolutes Meisterstück lieferte er bei seiner Flucht. Dass er seitdem New York unbehelligt ließ, bedeutete für mich noch längst nicht, dass er sich zum braven Bürger gewandelt hatte.“

      „Und doch scheint es so gewesen zu sein, Bount. Die Seele des Chinesen bleibt eben unerforschbar. Vielleicht spielte auch seine Tochter bei dieser positiven Veränderung eine ausschlaggebende Rolle.“

      „Ich wusste nicht einmal, dass er eine Tochter hatte.“

      „Das lag daran, weil Myang in Thailand geboren und auch dort aufgezogen wurde. Phra Kwan Ho lässt offen, ob Shao Ch’eng mit der Mutter seines Kindes verheiratet war. Er erwähnt nur, dass sie nicht mehr lebt und dass Myang nach dem Willen des Verstorbenen in New York studieren soll.“

      „Ja, und darum soll ich mich nun kümmern. Myang ist zwanzig. Findest du, dass ich mich als Gouvernante für eine Zwanzigjährige eigne?“ June lächelte vielsagend. „Ich kann nur hoffen, dass Myang dir in Karate überlegen ist, damit sie sich ihrer Haut wehren kann.“

      „Na, höre mal!“, empörte sich Bount. „Ich dachte eher daran, dass so eine junge Dame mancherlei Probleme mit sich bringt.“

      „Hast du dir etwa eingebildet, die Achtzigtaugend völlig ohne Gegenleistung zu erhalten?“

      „Was


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