Jagd mit Freunden. Udo Lau
folgte er seinen über Jahre erworbenen Kenntnissen der südnorwegischen Birkhahngewohnheiten und harrte noch aus. Diese Geduld wurde belohnt, als er im letzten Flintenlicht liegend und blitzschnell aus einem Viererschoof einen “Kullerjahn“ herauspickte, der ihm direkt vor die Füße fiel…alle Achtung und Waidmannsheil.
Nun, heute Morgen sollten auch wir anderen die Gelegenheit bekommen, unsere Jagdtauglichkeit zu zeigen. In einem ausgeklügelten Schlachtplan gingen wir strategisch diszipliniert die „Fünferriegel “ die 1.an.
Fivos wird etwa 400 m. vorher abgesetzt und soll abstreichende Hähne abfangen. Klaus, Rudi und ich bilden einen Sperrriegel. W.P. sollte ab 9: 30 – nach seinen rituellen Waschungen - auf dem Felshügel warten, wenn wir beim Rückmarsch die östliche Seite des Weges durchdrücken würden.
Klaus hält sich in der Nähe der Spielhahnwiese auf, ich auf einen schmalen Riegel mit Blick auf einen Kamm, der von einer markanter Kiefer gekrönt wird. Rudi bezieht rechts von mir eine geniale Stellung, die ihn in einer kleinen Wacholdergruppe vor den scharfäugigen Blicken der Hähne deckt.
Gegen 8: 00 Uhr haben alle ihre Positionen bezogen. Langsam geht die Sonne auf und bescheint die Szene mit ihren wärmenden Strahlen. Es tut sich lange Zeit nichts, als plötzlich ca. 10 Birkhähne vom Elchkamm hinunterstreichen, direkt über Rudi hinweg den gegenüber liegenden Hang hinauf und sage und schreibe in die hohe Kiefer einfallen. Es sind genau die gleichen Vögel, die wir am ersten Tag der Anfahrt ins Revier gesehen haben: ein Einzelner, eine Dreiergruppe, die am Vorabend vor Rudis Meisterschuss noch aus vier bestand und ein Sechserschoof.
Doch alles ging so schnell, dass selbst Klaus, der am dichtesten dran war nur noch einen Verzweiflungsschuss hinterher werfe konnte. Nun saßen sie alle verdeckt in der Kiefer, jeder konnte sie sehen, aber keiner kam ran, nicht zu fassen.
Später berichtet Klaus, dass er mit seiner Bockbücksflinte 20 Minuten lang einen genau im Visier hatte, aber die Unsicherheit wegen der Treffgenauigkeit seiner Kugel hielt ihn vom Schuss ab.
Ich lag ziemlich ungedeckt auf meinen Riegel und gab sofort jeden Gedanken an ein Heranpirschen auf. Allein der heranbrechende Tag, dessen Sonnenstrahlen die Landschaft jetzt zum Leben erweckte, das schlaue Verhalten des Birkwilds, die Freunde um mich herum, all das erfüllte mich mit einer inneren Zufriedenheit, die jede Jagdnervosität vergessen ließ.
Inzwischen hatte Fivos seinen vereinbarten Platz aufgegeben und sich in seiner typischen Unruhe – neugierig gemacht von Klaus` Schuss – unerlaubter Weise in die Gefahrenzone begeben. Auf ein Zeichen von uns ließ er sich erschöpft und nassgeschwitzt wie ein Maikäfer auf den Rücken fallen und blieb bewegungslos im Heidekraut liegen.
Da, plötzlich und völlig unvermittelt streicht der erste Hahn aus der Kiefer ab und zieht durch die Senke genau auf Rudi zu. Die anderen folgen ihm direkt hinterher, direkt über Rudi`s getarnten Platz. Jeden Augenblick erwarte ich seinen Schuss, und der Jagdfreund enttäuscht mich nicht! Schuss und hörbarer Aufschlag seines zweiten Hahns sind fast eins. Und wieder liegt die Beute keine 10 Meter in dem von ihm bevorzugten Radius.
Welch ein Erfolg, welches Jagdglück, aber auch welche Treffsicherheit. Seine vor Stolz geschwellte Brust kann er bei aller Bescheidenheit kaum verbergen. Obwohl fast alle seine Heldentat gesehen haben, wird er nicht müde, bei einem ausgiebigen Frühstück jedes Detail noch einmal ausgiebig zu schildern und die anderen zu ermutigen, ihm diese Kleinigkeit nachzumachen.
Um dieses Vorhaben für alle plastisch zu verinnerlichen, inszenierten Rudi und W.P.an dem feuchtfröhlichen Horridoabend den Ablauf der Erlegung vom Morgen noch einmal in schauspielerischer Vollendung: Rudi – rückseits auf dem Boden liegend – mit schnellem Griff zur Flinte in den Anschlag gehend, und W.P. mit beiden Armen wie mit Flügeln schlagend, hüpfend um ihn herum den Spielhahn imitierend und dann das „bum“ aus Rudis Mund als Schuss und einen zusammenbrechenden W.P. der das Ende des Spielhahns vortrefflich wiedergab.
Noch viele Fässchen Bier und mancher Bittern waren vonnöten, um diese Schauspielkunst zu würdigen.
Noch einen vollen Jagdtag und einen Abschiedsvormittag hatten wir vor uns und schon so eine pralle Tüte schönster Erlebnisse und Stunden konserviert… mehr ging fast nicht, und dennoch gaben wir nicht auf, auch die Beutelosen noch zu Schuss kommen zu lassen. So verfeinerten wir den „Fünferriegel“ ein weiteres Mal und bauten all unsere bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen ein. Das Ergebnis lässt sich auf der Skizze erkennen:
Vier Eckschützen wurden auf die zwei Kämme verteilt, nördlich Fivos und Udo, südlich Rudi und Klaus, und W.P. wurde als zentraler Jagersmann im diagonalen Mittelkreuz postiert, sozusagen auf dem Kaiserplatz.
Für den morgendlichen Ansitz müssen Fivos und ich zuerst auf die Läufe, weil wir den Elchkamm abriegeln sollen. Die Sonne versteckt sich noch hinter einem leichten Dunstschleier, als wir vorsichtig unsere Plätze einnehmen. Fivos 100 m. rechts von mir bei den 3 Espen, aber wegen des dichten Holzes nicht zu sehen. Ich wähle mir eine kleine Kieferngruppe aus, die mich nach links zum Tal hin und gegen einige Birken abschirmen, in die gestern nach Rudi`s 2. Schuss die restlichen 9 Hähne eingefallen sind. Nach vorn baue ich mir aus Kiefernzweigen einen provisorischen Schirm und bin so bestens gedeckt. Zufrieden werde ich eins mit der Natur und bereite mich auf einen schönen Sonnenaufgang und hoffentlich auf einen guten Anflug vor.
DER FÜNFERRIEGEL
Inzwischen mussten wohl auch die anderen ihre Plätze eingenommen haben: Klaus und Rudi gegenüber auf dem Kiefernriegel zwischen Moorwiese und Birkhahnwiese. W.P. im diagonalen Schnittpunkt in unserer Mitte.
Leicht verträumt von der Lieblichkeit der Landschaft schaue ich routinemäßig in die Runde und traue meinen Augen nicht: links von mir durch einen Wachholderbusch entdecke ich auf den hellen Zweigen einer Birke einen Birkhahn! Sein schwarzes Gefieder und seine rote Haube glänzen in der Sonne. Dahinter der strahlendblaue Morgenhimmel gibt der Silhouette eine unwirkliche Schönheit. Die Faszination dieses Augenblicks lässt mich die wahre Absicht dahinter fast vergessen. Ich wage kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen, nur 60 m. von mir entfernt sitzt das Ziel meiner Wünsche…wirklich?
Ich schiebe alle Zweifel beiseite und greife mit der rechten Hand im Zeitlupentempo zum Drilling. 60 Meter, für die Schrote zu weit, die große Kugel zu dick, es muss der kurze Einstecklauf schaffen. Er ist zwar mit dem kleinen Kaliber geladen, aber wann habe ich das letzte Mal damit geschossen?
In eiserner Konzentration bringe ich den Schieber auf die richtige Position, steche den vorderen Abzug ein und gehe behutsam in Anschlag: sitzend auf meinem Dreibein, angestrichen am Zielstock suche ich ein winziges Loch im Wacholderbusch, durch das die Kugel muss.
Der Hahn bewegt sich leicht auf dem schwankenden Birkenzweig. Ich muss eine ruhige Sekunde abwarten und kontrolliere noch einmal die Einstellung der Waffe, bevor ich entsichere. Es ist vielleicht meine letzte, ja vielleicht einzige Chance.
Im nächsten Augenblick ist der Schuss raus…und vorbei? Anstatt zu fallen streicht der Vogel mit einigen Flügelschlägen nach rechts ab und verschwindet in den dicht stehenden Kiefern. Ein letztes Klatschen und dann ist Ruhe…Mist! Später bestätigen mir die Freunde, die einen Teil des Geschehens beobachtet haben, dass der Hahn tatsächlich im Wald verschwunden und nicht mehr zu sehen war.
Auch Fivos, der ja im „Fünferriegel“ nicht weit von mir an den Espen sitzt konnte mir auch keine bessere Nachricht geben. Also klammere ich mich an den letzten Strohhalm und suche nach Beendigung der Ansitzaktion an der Stelle, wo ich den Hahn im Wald habe einfallen sehen. Doch in dem Gewirr von Pollgras, Zweigen, trockenen Blättern, Kiefernadeln, Kraut und Farn gleicht das der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Nach zwanzig Minuten gebe ich resigniert auf.
In der Hütte verbreitet sich kurzfristig eine gedrückte Stimmung, bevor wir uns nach dem Frühstück durch sinnvolle Tätigkeiten und lustige Spielchen ablenken. Irgendjemand kam auf die Idee, mit ein wenig Fantasie und Geschick eine provisorische Anlage für einen „Laufenden Keiler“ zu bauen. Dafür waren Klaus, Fivos und ich sofort begeistert.
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