Together. Katrin Gindele

Together - Katrin Gindele


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      Irgendwie sahen alle gleich aus in ihren grauen Mänteln, mit Fell behängt. Groß, breitschultrig und vermummt von Kopf bis Fuß.

      Außer den dunklen stechenden Augen, die unter ihren dichten Kapuzen hervorlugten, sahen sie einander viel zu ähnlich.

      Aufmerksam betrachtete ich die Männer, auf der Suche nach irgendetwas, wovon ich profitieren konnte, und sei es auch nur ein klitzekleiner Hinweis auf eine Schwachstelle. Vielleicht gab es unter ihnen einen, von dem ich etwas Mitleid erhalten würde.

      Wem wollte ich hier was vormachen?

      Ich seufzte leise. Keines dieser Ungeheuer würde Mitleid zeigen, dessen war ich mir gewiss.

      Ich hasste die Männer für das, was sie unserem Vieh angetan hatten. Und dafür, dass ich von ihnen verschleppt wurde. O ja, ich hasste jeden einzelnen von ihnen abgrundtief.

      Allerdings würde sich an meiner Situation nichts ändern, solange ich nur hier im Schnee kauerte und den Kerlen böse Blicke zuwarf.

      So oder so.

      Um meine Situation zu verbessern, musste ich aktiv werden. Besser heute als morgen.

      »Meine Mutter ist die Vorsteherin«, rief ich kurz entschlossen in die Runde, ehe mich der Mut verließ.

      »Ich bin sicher, sie zahlt einen hohen Preis für meine Freilassung.«

      Auch eine Horde wilder Nordmänner würde doch wohl hoffentlich meine Stellung anerkennen? Als Erstgeborene einer Vorsteherin, wenn ich diesen Titel auch nicht ausstehen konnte, sollte mein Leben einiges wert sein – zumindest hoffte ich das.

      Wie auf Kommando verstummten sämtliche Gespräche und ausnahmslos alle Männer drehten den Kopf in meine Richtung. Unverhohlen starrten sie mich mit ihren beinahe schwarzen Augen an.

      »Da ich die Tochter einer Vorsteherin bin«, sprach ich erhobenen Hauptes und versuchte nicht zu zittern, »haben wir mehr Geld als ihr alle zusammen. Meine Mutter wird euch für meine Freilassung sicherlich reich belohnen.«

      Natürlich würde sie das, schließlich war ich ihr wertvoller als Gold und Gut.

      Ein Mann erhob sich nun langsam und kam auf mich zu. Erst als er unmittelbar vor mir stand, erkannte ich den Nordmann, der zuallererst in unser Haus eingedrungen war. Sein stechender Blick heftete sich auf mein Gesicht.

      Ich schluckte mehrmals, während er mich finster anschaute, dennoch versuchte ich mit aller Würde, die ich aufbringen konnte, seinem misstrauischen Blick standzuhalten.

      »Scheiß auf dein Geld«, stieß er hervor und spuckte direkt vor mir in den Schnee. »Wir brauchen dein Geld nicht.«

      Ohne noch etwas zu sagen, trat er den Rückweg an.

      »Aber was ...«, rief ich ihm hinterher, von meiner Verzweiflung angetrieben.

      Der Mann blieb auf halbem Wege ruckartig stehen und wirbelte zu mir herum.

      »Was wollt ihr dann von mir?«, beendete ich meinen Satz ganz vorsichtig und leise.

      Seine tiefbraunen Augen wirkten kalt und hasserfüllt, darum wagte ich es nicht, meine Stimme noch einmal zu erheben.

      »Ich könnte eine Dienstmagd gebrauchen«, rief einer der anderen Männer. »Oder eine Braut für meinen Sohn.«

      Die übrigen Nordmänner grölten vor Lachen.

      »Eine Braut?«, echote der Mann, mit dem ich eben noch zu verhandeln versucht hatte. Dabei wurden seine Augen zuerst riesengroß, dann zog er die Brauen finster zusammen.

      »Du würdest Matalo ernsthaft eine Südtochter ins Bett legen?«, fragte er den alten Mann.

      Ich konnte den Ekel aus seinen Worten heraushören, den er für mich empfand.

      »Vorher würde ich mich über die Klippen stürzen, das versichere ich dir«, schwor dieser mit eiskalter Stimme.

      »Und ich würde freiwillig hinterher springen«, warf ein anderer ein.

      Alle lachten über mich, laut und schamlos, während mir der Nordmann nun endgültig den Rücken zudrehte und sich zügig entfernte.

      Mit zusammengepressten Lippen ballte ich die Fäuste. Die Schmach, die mir soeben zuteilgeworden war, wog schwer. Ich fühlte mich in meinem Stolz verletzt – und gedemütigt.

      Ob ich den Titel nun mochte oder ablehnte, es gab Dinge, die waren in Stein gemeißelt: Niemand durfte sich über die Tochter einer Vorsteherin lustig machen.

      Mein angeknackstes Selbstbewusstsein blendete die gefährlichen Tatsachen komplett aus. Ich wusste genau, wen ich vor mir hatte und auch, wozu sie in der Lage waren. Doch das war mir in diesem Moment völlig egal.

      »Du könntest dich glücklich schätzen eine Südtochter als Frau zu bekommen«, rief ich dem Nordmann wutentbrannt hinterher. »Aber wer will schon solch ein Monster als Ehemann haben? So etwas Widerliches wie dich würde keine von uns anfassen. Du bist nicht besser als die dreckigen Schweine meines Vaters hinter unserem Haus.«

      Schon kurz nachdem die Worte meinen Mund verlassen hatten, bereute ich jede einzelne Silbe davon. In meiner Position war es äußerst unklug gewesen solche Bemerkungen zu machen.

      Während ich erschrocken den Kopf einzog, sprang der Mann, der sich gerade erst hingesetzt hatte, ruckartig wieder auf. Geradewegs kam er auf mich zu, mit hastigen Schritten und Augen, die vor Wut beinahe Funken sprühten.

      Er sagte nichts, nicht ein einziges Wort. Trotzdem rutschte mir das Herz vor Angst förmlich in die Hose, weil ich genau wusste, dass ich zu weit gegangen war.

      Kurz bevor er mich erreicht hatte, bremste er ab.

      Mit angehaltenem Atem schaute ich vorsichtig zu ihm hoch. Es folgte plötzlich ein beißender Schmerz von unvorstellbarem Ausmaß. Mein Kopf flog zur Seite.

      Durch die Wucht seines Schlages wurde ich rücklings in den Schnee geschleudert. Meine Schläfen hämmerten, der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.

      Indem ich mich mühevoll auf die Knie zwang, versuchte ich mich aufzurichten und bemerkte die Blutlache direkt vor meinen aufgestützten Handballen im Schnee. Es tropfte unaufhörlich aus meinem Mund.

      Ganz vorsichtig setzte ich mich in den Schnee und betastete mit gefesselten Händen meine aufgeplatzte Unterlippe. Bedingt durch die Wucht seines Schlages, hatte ich mir zudem auch noch auf die Zunge gebissen. Mein Kopf wollte mir zerspringen, augenblicklich wurde mir schwindlig.

      »War das wirklich nötig?«, hörte ich einen anderen Nordmann fragen. Seine Stimme klang fast ein bisschen besorgt und ein peinlich berührtes Schweigen breitete sich unter den Männern aus, die eben noch über mich gelacht hatten.

      »Ja, das war nötig«, erwiderte der Mann, dem ich diese heftige Ohrfeige zu verdanken hatte. »Dieses arrogante Gör versteht ganz offensichtlich keine andere Sprache.«

      Tief in mir drinnen begann es zu brodeln.

      Mutter wird dich dafür auspeitschen lassen, fuhr es mir durch den Kopf, vor allen Dorfbewohnern, mitten auf dem Marktplatz. Und ich werde danebenstehen und die Schläge zählen.

      Eins. Zwei. Drei…

      Ich spürte, wie sich meine Lippen teilten und die Worte formten, die sich in meiner Kehle sammelten. Doch diesmal war ich klug genug, um den Mund zu halten, denn einen weiteren Schlag wollte ich nicht riskieren. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter und versuchte stattdessen, mich auf die Schmerzen zu konzentrieren.

      Nachdem ich einen weiteren Schwall Blut in den Schnee gespuckt hatte, stellte ich erleichtert fest, dass keines mehr nachkam.

      »Wir müssen weiter«, forderte einer der Männer unvermittelt.

      Schweigend wurde zusammengepackt. Ein paar Männer beluden kleine Karren mit Fell und Fleisch, andere trugen riesige Berge Proviant auf ihren Rücken.

      Ich kauerte im Schnee, halb sitzend, halb liegend, weil ich


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