1177 v. Chr.. Eric H. Cline

1177 v. Chr. - Eric H. Cline


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Die Länder Peleset, Tjeker, Šekeleš, Danunäer und Wašaš verbündeten sich. Sie legten Hand an alle Länder bis ans Ende der Welt; ihre Herzen waren zuversichtlich und voller Vertrauen.5

      Wir kennen die Orte, die von den Invasoren angeblich überrannt wurden, sie waren im Altertum allesamt berühmte Stätten. Ḫatti war das Land der Hethiter, sein Kernland befand sich auf der Hochebene im Landesinneren von Anatolien in der Nähe des heutigen Ankara; das Reich erstreckte sich von der Küste der Ägäis im Westen bis nach Nordsyrien im Osten. Qadi lag wahrscheinlich im heutigen Südosten der Türkei (möglicherweise handelt es sich um die antike Region Kizzuwatna). Karkemiš ist eine bekannte archäologische Stätte, die von einem Archäologenteam ausgegraben wurde, dem neben Sir Leonard Woolley (den man eher durch die Ausgrabung von Abrahams »Ur in Chaldäa« im Irak kennt) auch Thomas E. Lawrence angehörte (der vor seinen Heldentaten im Ersten Weltkrieg, die ihn am Ende zum Hollywoodhelden »Lawrence von Arabien« machten, in Oxford klassische Archäologie studiert hatte). Das Land Arzawa kannten die Hethiter gut, es lag innerhalb ihres Einflussbereichs in Westanatolien. Alašija könnte die Insel gewesen sein, die wir heute als Zypern kennen – eine Insel mit großen Metallvorkommen, die vor allem für ihr Kupfererz berühmt war. Amurru lag an der Küste Nordsyriens. In den Kapiteln und in den Geschichten, die folgen, werden wir all diesen Orten noch einmal begegnen.

      Die sechs Einzelgruppen, aus denen die Seevölker bei dieser Invasionswelle bestanden – die fünf oben von Ramses in der Inschrift in Medinet Habu aufgezählten sowie eine sechste Gruppe, die man Šardana nannte und die in einer weiteren Inschrift erwähnt wird – sind um einiges rätselhafter als die Länder, die sie angeblich überrannten. Sie hinterließen keine eigenen Inschriften, so dass wir sie fast ausschließlich aus ägyptischen Inschriften kennen.6

      Abb. 1 Seevölker als Gefangene in Medinet Habu (nach Medinet Habu, Bd. 1, Taf. 44. Mit freundlicher Genehmigung des Oriental Institute der University of Chicago).

      Die meisten dieser Gruppen sind auch in archäologischer Hinsicht nur schwer zu fassen, obwohl Archäologen und Philologen genau dies seit fast 100 Jahren immer wieder ganz tapfer versuchen – erst mittels linguistischer Versuche, in jüngerer Zeit dann anhand von Keramik und anderen archäologischen Funden. So hat man zum Beispiel die Danunäer mit Homers Danaern aus der bronzezeitlichen Ägäis identifiziert. Von den Šekeleš nimmt man immer wieder an, dass sie aus dem heutigen Sizilien stammen, die Šardana aus Sardinien – die Basis dieser Annahme ist einerseits die Ähnlichkeit der Konsonanten, andererseits Ramses’ Bemerkung über die »Fremdländischen« von den »Inseln«; bei den Šardana heißt es in Ramses’ Inschriften zudem explizit, sie wohnten »auf See«.7

      Diesen Vorschlägen schließen sich allerdings längst nicht alle Wissenschaftler an. Eine ganze Forschungsrichtung ist der Ansicht, die Šekeleš und die Šardana seien gar nicht aus dem westlichen Mittelmeerraum gekommen, sondern aus Gebieten im östlichen Mittelmeer – später, nach dem Sieg der Ägypter, seien sie dann nach Sizilien und Sardinien geflüchtet; so seien diese Regionen überhaupt erst zu ihren Namen gekommen. Dafür spricht die Tatsache, dass die Šardana schon lange vor dem Aufkommen der Seevölker für und auch gegen die Ägypter kämpften. Dagegen spricht, dass Ramses III. erwähnt, die überlebenden Angreifer hätten sich in Ägypten niedergelassen.8

      Von allen ausländischen Gruppen, die hier zu jener Zeit aktiv waren, ist es bislang nur bei einer gelungen, sie zu identifizieren. Es gilt als sicher, dass das Seevolk der Peleset mit den Philistern identisch ist, die laut der Bibel von Kreta stammten.9 Die linguistische Identifizierung war so offensichtlich, dass Jean-François Champollion, der die ägyptischen Hieroglyphen entschlüsselte, dies bereits vor 1836 vorgeschlagen hatte; 1899 identifizierten biblische Archäologen in Tell es-Safi, dem biblischen Gath, erstmals bestimmte Keramik- und Architekturstile sowie weiteres Material als »philistisch«.10

      Auch wenn wir über Herkunft und Motivation der Angreifer nichts Genaues wissen, können wir doch immerhin feststellen, wie sie aussahen – wir kennen ihre Namen und ihre Gesichter von den Reliefs an den Mauern des Totentempels Ramses’ III. in Medinet Habu. Diese antike Stätte ist reich an Bildern und hieroglyphischen Texten. Rüstungen, Waffen, Kleidung, Schiffe und mit Habseligkeiten beladene Ochsenkarren der Invasoren sind in den Darstellungen deutlich sichtbar, und zwar in einer solchen Detailfülle, dass diverse Wissenschaftler Individuen und sogar Schiffe, die dort abgebildet sind, analysiert haben.11 Es gibt auch weitaus martialischere Bilder: Eines zeigt Invasoren und Ägypter mitten in einer chaotischen Seeschlacht; einige sind eindeutig tot – sie treiben mit dem Kopf nach unten im Wasser –, andere kämpfen weiterhin heftig aus ihren Schiffen heraus.

      Seit den 1920er Jahren haben Ägyptologen vom Oriental Institute der University of Chicago die Inschriften und Bilder in Medinet Habu untersucht und sorgfältig kopiert. Dieses Institut war und ist noch heute eine der weltweit führenden Institutionen, wenn es um das Studium der antiken Zivilisationen Ägyptens und des Nahen Ostens geht. Gegründet wurde es von James Henry Breasted nach dessen Rückkehr von einer abenteuerlichen Reise durch den Nahen Osten in den Jahren 1919 und 1920; das Startkapital von 50.000 Dollar stellte John D. Rockefeller Jr. bereit. Archäologen vom OI (wie man es meistens nennt) waren an Ausgrabungen im gesamten Nahen Osten beteiligt, u.a. im Iran und in Ägypten.

      Über Breasted und die OI-Projekte, die unter seiner Leitung angestoßen wurden, hat man viel geschrieben, beispielsweise über die Ausgrabungen in Megiddo (dem biblischen Armageddon) in Israel, die von 1925 bis 1939 dauerten.12 Zu den Highlights gehörten mehrere Epigraphik-Surveys in Ägypten, im Rahmen derer hieroglyphische Texte und Szenen, die die Pharaonen in ihren Tempeln und Palästen in ganz Ägypten hinterließen, von Ägyptologen akribisch kopiert wurden – eine unglaublich mühsame Arbeit. Stunden um Stunden standen die Mitarbeiter des Instituts in der prallen Sonne auf Leitern oder hockten auf Gerüsten und versuchten, die längst verblassenden Symbole an Toren, Tempeln und Säulen abzuzeichnen. Dennoch sind die Ergebnisse dieser Bemühungen von geradezu unschätzbarem Wert, vor allem da viele Inschriften seither stark unter der Erosion und dem Ansturm von Touristen gelitten haben. Hätte man diese Inschriften nicht rechtzeitig übertragen, wären sie irgendwann verschwunden und für künftige Generationen verloren. Die Abschriften von Medinet Habu wurden in mehreren Bänden veröffentlicht; der erste erschien 1930, weitere Bände in den 1940er und 50er Jahren.

      Zwar diskutiert die Wissenschaft auch weiterhin über die Land- und Seeschlachten an den Mauern von Medinet Habu, aber die meisten Experten sind sich inzwischen einig, dass die dort dargestellten Szenen wahrscheinlich nahezu zeitgleich stattfanden, und zwar entweder im Nildelta oder in der Nähe von Medinet Habu. Es kann gut sein, dass sie eine einzige große Schlacht zeigen, die zugleich an Land und auf See ausgetragen wurde, und einige Forscher haben darauf hingewiesen, hier könne dargestellt sein, wie die Ägypter beide Streitmächte der Seevölker in einen Hinterhalt lockten.13 Das endgültige Ergebnis bezweifelt indes niemand – in Medinet Habu hält der ägyptische Pharao ganz eindeutig fest:

      Abb. 2 Seeschlacht mit Seevölkern in Medinet Habu (nach Medinet Habu, Bd. 1, Taf. 37. Mit freundlicher Genehmigung des Oriental Institute der University of Chicago).

      Der Same derer, die meine Grenze erreichten, ist ausgelöscht, mit ihren Herzen und ihren Seelen hat es auf ewig ein Ende. Diejenigen, die zusammen über das Meer gekommen waren, erwartete an den Flussmündungen die volle Flamme, während ein Meer aus Lanzen sie am Ufer umgab. Man lockte sie ins Landesinnere, schloss sie ein und tötete sie an der Küste niedergestreckt, schichtete ihre Leichname zu Haufen. Ich habe die Länder dazu gebracht, den Namen Ägyptens nicht auszusprechen; wenn sie in ihrem Land meinen Namen dennoch aussprechen, dann werden sie verbrannt.14

      In einem berühmten Dokument, das man als »Großer Papyrus Harris« bezeichnet, führt Ramses dies weiter aus und nennt noch einmal die Namen seiner besiegten Feinde:

      Ich stürzte die, die sie von ihrem Land aus überfielen. Ich schlug die Danunäer, die auf ihren Inseln [sind], die Tjeker und die Peleset wurden zu Asche. Die Šardana und Wašaš des Meeres – sie wurden behandelt, als hätten


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