BRENNENDE SCHATTEN. Rachel Amphlett

BRENNENDE SCHATTEN - Rachel Amphlett


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einen ähnlichen Apparat untersucht, nur war dieser fest in eine Werkbank eingespannt und nicht aktiviert gewesen, als er ihn in Ruhe methodisch auseinandergenommen und sich dabei bemüht hatte, ihm seine Geheimnisse zu entlocken.

      Dieses Mal war es vollkommen anders.

      Er versuchte zu rekapitulieren, was er gestern herausgefunden hatte … welchen Draht er ohne Gefahr durchschneiden konnte und welchen er besser in Ruhe lassen sollte … und was für eine gewaltige Explosionskraft unter diesen Metallschichten verborgen lag.

      Dan verdrängte nun alle Gedanken an das, was eventuell passieren könnte, beugte sich nach vorn und schob eine der Zangen sanft über die knochentrockene Erde auf die Sprengvorrichtung zu. Normalerweise würde jedes Bombenbeseitigungsteam der Welt einen speziell dafür entwickelten Roboter verwenden, um eine solche Bedrohung zu neutralisieren, das Problem war nur, dass einige Vorrichtungen mit Absicht an Stellen platziert wurden, an denen Roboter nicht eingesetzt werden konnten.

      Zwischen der lockeren Erde und der glänzenden Oberfläche des Objektes entdeckte Dan jetzt einen etwa ein Zentimeter breiten Spalt. Ein dünner gelber Draht ragte an dieser Stelle aus dem Gerät hervor, mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar. Er zog die Zange langsam wieder zurück und blieb einige Sekunden nachdenklich in der Hocke sitzen. Anschließend legte er sich flach auf den Boden, schlängelte sich behutsam vorwärts und bewegte das Werkzeug erneut mit zur Seite geneigtem Kopf auf die Vorrichtung zu.

      Vorsichtig übte er Druck auf die Zange aus und die Schneiden schlossen sich langsam um den gelben Draht. Als sie die farbige Plastikabdeckung berührten, hörte er kurz zu atmen auf.

      Über ihm war das ferne Dröhnen eines Düsenjägers zu hören, der seine Kondensstreifen quer über den azurblauen Himmel ausspie. Er wartete, bis der Jet vorübergeflogen und die Stille zurückgekehrt war und das einzige Geräusch, das seines Herzschlages war, der in seinen Ohren widerhallte.

      Ein weiterer Herzschlag folgte, dann durchtrennte er den Draht. Er atmete langsam wieder aus und zog die Zange vorsichtig zurück, während sein Puls anfing zu rasen.

      Plötzlich drang ein schrilles Heulen aus dem Objekt.

      Dan riss erschrocken die Augen auf. Mühsam sprang er auf und begann so schnell wie nur möglich von der Sprengvorrichtung wegzurennen. Sein Ziel war ein Absperrband, das zwischen zwei Zaunpfosten in der Brise flatterte.

      In seinem Kopf zählte er die Sekunden … allerdings mehr aus alter Gewohnheit als aus dem Wissen heraus, wie viel Zeit ihm tatsächlich noch blieb.

       Es würde verdammt knapp werden.

      Als er das abgesperrte Areal endlich erreichte, ließ er sich auf die Knie fallen, glitt unter dem Absperrband hindurch und rutschte dann hastig in einen flachen Graben hinein, der erst vor wenigen Stunden ausgehoben worden war. Dort rollte er sich zu einer Kugel zusammen und legte seine Arme schützend über den Kopf.

      Die Explosion ließ die gesamte Umgebung erzittern. Der Boden schien plötzlich zu kochen und wölbte sich in die Höhe. Erde, Sträucher und Steine wurden in die Luft geschleudert. Ein kleiner Schwarm Krähen stob krächzend auseinander, als Sand und Felssplitter auf Dans Körper niederregneten und ihn mit einer Staubschicht bedeckten.

      Dann herrschte endlich Stille.

      Dan hob langsam den Kopf und schaute über die Schulter. Eine dicke Staubwolke verbarg nun das Areal, auf dem er gerade versucht hatte, die Vorrichtung zu entschärfen. Er richtete sich vorsichtig auf und fluchte leise, als ihm kleine Erdbrocken in den Kragen fielen und den Nacken hinunterrutschten. Während er sich den Staub vom Körper abklopfte, schluckte er ein paar Mal, um das Klingeln in seinen Ohren loszuwerden, doch dann hörte er hinter sich einen Schrei und drehte sich hastig um.

      Zwei große weiße Allradfahrzeuge parkten hundert Meter entfernt von ihm und bildeten dort einen Bereich willkommenen Schattens. Er hatte zwischen den beiden Wagen eine Plane gespannt, die das Licht der hellen Wintersonne abhielt. Ein breiter Streifen rotes Absperrband flatterte in der leichten Brise und markierte den äußeren Rand der temporären No-go-Area.

      Dan ging langsam auf die Fahrzeuge zu, anfangs allerdings noch etwas unbeholfen, weil er seine geschundenen Gliedmaßen erst wieder in die Gänge bringen musste. Unwillkürlich fragte er sich, wie viele blaue Flecken er sich wohl dieses Mal zugezogen hatte. Als er das Absperrband erreichte, kam hinter dem Heck eines der Allradfahrzeuge ein Mann hervor. Dieser steckte sein Handy in die Gesäßtasche seiner Jeans und verschränkte wartend die Arme vor der Brust.

      »Gute Arbeit«, sagte er, als die staubige Gestalt sich ihm weit genug genähert hatte.

      Dan nahm das Schutzvisier ab und runzelte die Stirn, während er sich mit der Hand durch sein braunes Haar strich, das er seit dem vergangenen Sommer länger trug. Zumindest verglichen mit dem Stoppelhaarschnitt, den er während seiner Dienstzeit in der britischen Armee bevorzugt hatte. Er blieb nun stehen und drehte sich um, dann betrachtete er die zerstörte Landschaft hinter sich und den feinen Rauchfaden, der sich in den blauen Himmel hinaufschlängelte. Danach wandte er sich dem Mann zu, der jetzt genau neben ihm stand.

      »Das da«, sagte er und zeigte über seine Schulter hinweg auf den rauchenden Krater im Boden, »war ein wirklich, wirklich hinterhältiger Sprengsatz, Chris.«

      Der Mann neben ihm schützte seine Augen mit der rechten Hand und nickte. »Nach meinen Informationen hat man sie bei einem Kerl gefunden, der an einem israelischen Kontrollpunkt verhaftet wurde. Natürlich ein Mitglied der Hisbollah …«

      »Hatten die Israelis so etwas schon zuvor gesehen?«, fragte Dan.

      Chris schüttelte den Kopf. »Nein, deshalb haben sie uns ja ein paar davon zur Verfügung gestellt … und aus demselben Grund haben wir auch dich dazu geholt. Damit wir gemeinsam herausfinden können, wie zur Hölle man diese Dinger entschärfen kann und auch um ihre Sprengkraft zu testen, damit wir eine Ahnung davon bekommen, womit wir es hier überhaupt zu tun haben.«

      Dan nickte. Er hatte die britische Armee verlassen, nachdem er im Irak bei der Explosion einer Sprengfalle schwer verletzt worden war. Danach hatte er es sich zum Ziel gemacht, so viel wie möglich über die neuen terroristischen Waffen zu lernen … damit das, was ihm zugestoßen war, wenigstens einen Sinn gehabt hatte, und um andere Menschen davor zu bewahren, durch die gleiche Hölle gehen zu müssen, durch die er hatte gehen müssen.

      Obwohl seine Albträume allmählich verschwunden waren, genügte bereits ein entsprechender Nachrichtenbericht, um den Schalter sofort wieder umzulegen und ihm für Wochen schlaflose Nächte zu bescheren. Als Berater der britischen Armee zu arbeiten und dabei seine Fähigkeiten als Kampfmittelräumer anzuwenden, befriedigte ihn irgendwie.

      In den vergangenen Monaten hatte er sich mit Chris Lewis zusammengetan, einem ehemaligen SEAL-Munitionsexperten, der nach einem Trainingsunfall, bei dem er zwei Finger der linken Hand verloren hatte, von der US-Navy in Pension geschickt worden war.

      Dan drehte sich jetzt um und ging zu einem der Allradfahrzeuge. Im Schatten der Plane fing er an, die einzelnen Teile der Kevlar-Körperpanzerung auszuziehen.

      Chris folgte ihm unter das provisorische Zelt und half ihm, die schwere Schutzjacke über den Kopf zu heben. Dan kam bei dieser Anstrengung fast ins Stolpern. Als Chris die Jacke auf den Boden warf, zog Dan seine Stiefel aus und schälte sich langsam aus der ebenfalls gepanzerten Hose. Darunter trug er eine blaue Jeans und ein schwarzes Poloshirt, die beide schon durch jahrelanges Tragen ausgeblichen waren. Während Chris die Kevlar-Körperpanzerung auf dem Rücksitz von Dans Pick-up verstaute, schnürte Dan seine Stiefel wieder zu, dann ging er zu einem Mini-Kühlschrank hinüber, der an einen kleinen Generator angeschlossen war, und nahm sich eine Limonade. Nachdem er den Verschluss geöffnet hatte, trank er die halbe Dose in drei Zügen aus und rülpste dann laut.

      Verlegen grinsend stellte er die Dose auf dem Kühlschrank ab. Daneben lag auf einer auf dem Boden ausgebreiteten Plane eine ganze Ansammlung von ausgeschlachteten Metallteilen, Drähten und Sprengvorrichtungen. Dan zog ein Paar Handschuhe an, dann bückte er sich und nahm eine der zerlegten Vorrichtungen in die Hand. Er drehte sie zwischen seinen Fingern hin und her, während seine blauen Augen auf das


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