BRENNENDE SCHATTEN. Rachel Amphlett

BRENNENDE SCHATTEN - Rachel Amphlett


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wartet ein Flugzeug darauf, dich nach London zurückzubringen«, sagte eine vertraute Stimme.

      »Was ist denn passiert?«

      »Das erkläre ich dir, wenn du hier bist. Was machst du denn gerade?«

      »Ich arbeite mit General Collins.«

      »Pack alles zusammen und übergib die Sachen den Leuten des Generals. Mach, was immer du machen musst. Hauptsache, du kommst so schnell wie möglich nach London zurück … du arbeitest jetzt für mich«, bellte David Ludlow ins Handy. Obwohl er inzwischen zum Leiter einer geheimen Dienststelle ernannt worden war, die man gegründet hatte, um die Sicherheit der Energiereserven des Vereinigten Königreichs zu schützen, verhielt er sich immer noch so wie damals, als er Dans Oberbefehlshaber in der britischen Armee gewesen war.

      Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen. Dan starrte das Handy in seiner Hand an, während sein Herz in der Brust hämmerte.

      Zeit, zu gehen.

      Kapitel 4

       London, England

      

      Als der Airbus A-380 aus der Warteschleife ausscherte, in der er die vergangenen zwanzig Minuten gesteckt hatte, und endlich seinen Anflug auf Heathrow begann, starrte Dan aus dem kleinen Fenster. Schwere graue Wolken hingen in der Luft und große Wassertropfen klebten auf der Scheibe, die zu langen Schlieren wurden, als das Flugzeug seinen Abstieg fortsetzte.

      Er hatte während des Fluges überraschend gut geschlafen. Die üblichen, von Schreckensbildern erfüllten Albträume, die er aus seiner Vergangenheit als Bombenentschärfer bei der britischen Armee mitgebracht hatte, hatte er mit umsichtiger Nutzung der an Bord servierten Gratisdrinks in Schach halten können.

      Die Wolkendecke riss nun auf und er beobachtete, wie die Landschaft unter ihnen hinwegzog. Das Flugzeug nahm jetzt Kurs auf die Autobahn M4 und folgte dann dem Betonband der Straße bis zu den Londoner Außenbezirken, bevor es langsam abdrehte und mit dem Landeanflug auf dem geschäftigen Flughafen begann. Als das Fahrwerk ausgefahren wurde, drang ein metallisches Schaben von der Flugzeugunterseite bis zu Dans Sitz vor.

      Er schloss die Augen und ignorierte den grauen Himmel. Noch vor dreizehn Stunden hatte er in der klimatisierten Abfertigungshalle des Flughafens in Phoenix gesessen und darauf gewartet, dass sein Flug aufgerufen wurde.

      Das Flugzeug erzitterte, als es ein letztes Mal durch ein Luftloch flog und die Turbulenz ließ den Airbus leicht abdriften. Der Pilot glich den Windstoß mit einer leichten Korrektur des Sinkfluges aus und setzte dann auf der Landebahn auf. Ein schwacher Stoß, ein Brüllen, als die Schubumkehr zusammen mit den Bremsklappen darum kämpfte, das Flugzeug zu verlangsamen, und dann waren sie endlich gelandet.

      Dan löste den Verschluss seiner Uhr, schüttelte sie vom Handgelenk und stellte die aktuelle Zeit ein. Acht Uhr an einem bitterkalten Donnerstagmorgen in einer der am dichtesten bevölkerten Städte der Welt.

      Nachdem er sich seinen Weg durch die Menschenmassen in der Ankunftshalle gebahnt hatte, nahm sich Dan seinen alten Seesack vom Gepäckband, ging durch den Zoll und direkt auf den Taxistand zu. Er sprang erschrocken zurück, als dicht neben ihm ein schwarzes Diplomatenfahrzeug am Bordstein anhielt.

      Die hintere Fensterscheibe wurde nun heruntergelassen und ein vertrautes Gesicht starrte heraus. »Pack deinen Sack in den Kofferraum. Man würde mich nämlich im Morgengrauen erschießen, falls du diese Sitze hier dreckig machen solltest«, sagte David Ludlow und schloss das Fenster wieder.

      Dan grinste. Er warf den Seesack in den Kofferraum, öffnete die Fondtür und ließ sich auf den Sitz neben David gleiten. Das Auto entfernte sich jetzt von der Bordsteinkante und fädelte sich in den Verkehr ein.

      Dan wandte sich an seinen ehemaligen Vorgesetzten. »Stellt die Dienststelle jetzt einen kostenlosen Taxi-Service zur Verfügung?«, fragte er.

      »Das hättest du wohl gerne«, antwortete David. »Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Briefing mit dem neuen Energieminister, deshalb dachte ich mir, ich gabele dich unterwegs auf und bringe dich in der Zeit auf den neuesten Stand, damit du sofort einsatzbereit bist. Wir haben nämlich keine Minute zu verlieren.« Er nahm einen Aktenkoffer vom gegenüberliegenden Sitz und legte ihn auf den Schoß. David ließ die beiden Messing-Verschlüsse aufschnappen, öffnete den Koffer und holte zwei Aktenmappen hervor.

      »Okay, was hast du?«, fragte Dan. Er unterdrückte ein Gähnen und rieb sich die Bartstoppeln, die sein Gesicht nach der langen Reise bedeckten.

      »Wir haben zwei Probleme«, begann David. »Zuerst einmal müssen du und Mitch mich morgen früh zu einer Komitee-Anhörung begleiten, bei der wir dem Premierminister hinter verschlossenen Türen erklären müssen, was genau passiert ist, als wir das letzte Mal zusammengearbeitet haben.«

      »Eine Anhörung vor einem Ausschuss? Das klingt aber ernst.«

      »Das ist es auch. Sowohl das Büro des Premierministers als auch das Verteidigungsministerium verlangen von mir eine Bestätigung, dass ich genau weiß, was ich tue und außerdem eine Begründung dafür, warum wir sie nicht sofort alarmiert haben, dass eine Bombe zu uns unterwegs war.«

      »Hätten sie uns denn geglaubt?«

      David zuckte mit den Achseln. »Das ist nicht wichtig, aber wir sind nun mal für unsere Handlungen verantwortlich, und zwar unabhängig von der Tatsache, dass wir damals unglaublich schnell agieren mussten und gar nicht so lange warten konnten, bis sie sich entschieden hätten, uns zu vertrauen. Oder bis sie die diversen Schriftstücke unterschrieben hätten, die für das Kapern des Schiffes auf offener See erforderlich gewesen wären.«

      »Dafür lohnt es sich doch wirklich, wieder nach Hause zu kommen.«

      »Das ist mir schon klar, aber du musst mir helfen, zu erklären, warum damals ein Zivilist, der zufällig du warst, an vorderster Front beteiligt gewesen ist. Ansonsten genehmigt man mir nämlich nicht, dass du mich bei der Lösung weiterer Probleme, mit denen ich aktuell zu kämpfen habe, unterstützen darfst.«

      Dan starrte aus dem Autofenster. Schneeregen prallte gegen die Glasoberfläche. Fußgänger eilten auf den nassen Bürgersteigen dahin, ihre Regenschirme wurden von dem bitterkalten Wind, der durch die Straßen der Stadt peitschte, gebeutelt. Graue Wolken hüllten die Hauptstadt ins Halbdunkel und Dan wünschte sich schlagartig, dass er wieder unter der Wintersonne Arizonas wäre. Er blinzelte und drehte den Kopf, um auf die getönte Glasscheibe starren zu können, die sie vom Fahrer trennte. »Und was ist das zweite Problem?«

      David schwieg, während er ebenfalls aus dem Autofenster starrte. Gedankenverloren trommelte er mit den Fingern auf die Lederpolsterung, bevor er antwortete: »Einer der wichtigsten Berater unserer Regierung beim Ausbau der Flüssiggasanlage an der Küste von Nord-Kent ist verschwunden.«

      »Seit wann?«

      »Seit letzter Nacht. Der Mann ist offenbar ein Genie und nach Aussage seiner Frau selbst zu seinen besten Zeiten ziemlich vergesslich. Allerdings war sie mit ihrem Mann aufgrund ihres Hochzeitstages in einem Restaurant verabredet und hatte nur zwei Stunden vor diesem Termin mit ihm telefoniert, was sie natürlich besorgniserregend fand.«

      »Hat sie es schon der Polizei gemeldet?«

      David nickte. »Heute Morgen. Die Informationen wurden durch einige Regierungsbehörden gefiltert, bevor sie uns erreicht haben. Der Vorfall ist als nicht vordringlich eingestuft worden, weil man wegen seines bisherigen Verhaltens davon ausgeht, dass er bald wieder auftauchen wird. Vorsichtshalber sollten wir diese Angelegenheit allerdings im Auge behalten.«

      Dan sah zu dem anderen Mann hinüber. »Aber wenn du morgen vielleicht sowieso von einem Regierungskomitee außer Gefecht gesetzt wirst, warum verfolgst du den Vorgang dann überhaupt? Willst du nicht einfach abwarten und schauen, was passiert? Denn wahrscheinlich wirst du deine Untersuchungsergebnisse ohnehin an jemand anderen übergeben müssen.«

      »Das weiß ich, aber ich befürchte, je länger man der Angelegenheit


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