BRENNENDE SCHATTEN. Rachel Amphlett

BRENNENDE SCHATTEN - Rachel Amphlett


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es denn schon eine Lösegeldforderung?«

      David schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Deshalb möchte ich ja auch, dass du morgen Abend eine Gala besuchst, die die britische Handelskommission veranstaltet und die sich mit der Energiekonferenz, die in dieser Woche stattfindet, überschneidet. Nur für den Fall, dass das Verschwinden des Ingenieurs irgendwie mit diesem Projekt zusammenhängt. Ich möchte, dass du dich dort umschaust, Informationen sammelst und mir eventuelle Anhaltspunkte nennst. Ich habe zwar ein Team von Analysten, die Genies sind, Finanzunterlagen, Geheimdienstberichte und den ganzen anderen Rest auszuwerten, aber ich brauche jemanden vor Ort, der Menschen durchschauen und Situationen schnell einschätzen kann. Du wirst dem Sicherheitsdienst eines Scheichs aus Katar, der aktuell Gespräche mit der britischen Regierung führt, als Berater zur Seite stehen, was dir die Möglichkeit bietet, dich direkt vor Ort in Ruhe umzusehen. Allerdings solltest du dabei keine Aufmerksamkeit erregen. Du sollst nur beobachten und zuhören und mir anschließend Bericht erstatten.«

      »Worum geht es denn bei der Energiekonferenz?«

      »Es ist die jährliche World Petroleum Conference. Letztes Jahr fand sie in Houston statt. Angesichts der Tatsache, dass unsere eigenen Erdgasvorkommen nahezu erschöpft sind, hielt es die Regierung für eine gute Idee, anzubieten, die Konferenz dieses Jahres in London zu veranstalten. Wir kaufen ja bereits jetzt jede Menge Gas von Anbietern wie Katar, und es ist beabsichtigt, innerhalb der nächsten zwei Wochen einen neuen Gasliefervertrag zu unterzeichnen, was uns die Gelegenheit bietet, diese Bindungen zu vertiefen.«

      »Und wer ist unsere Zielperson?«

      »Ein Katarer namens Scheich Masoud Al-Shahiri. Der Iran versucht momentan, sich in einige von Katars langjährigen Gaslieferverträgen hineinzudrängen, doch die Katarer sind höflich darum bemüht, die Iraner zu ignorieren. Es geht also tatsächlich darum, sicherzustellen, dass die Katarer ihre Lieferverträge mit dem Vereinigten Königreich weiter fortsetzen. Es wäre eine absolute Katastrophe für die Außenpolitik, wenn wir sie verlieren würden und mit dem Iran ganz von vorn anfangen müssten. Kannst du dir vorstellen, was die Amerikaner dazu sagen würden?«

      Dan musste trotz der Ernsthaftigkeit von Davids Aussage lachen. »Das wäre bestimmt ein interessanter Anruf.« Er blickte aus dem Fenster. »Womit rechnest du denn bei den Iranern?«

      »Seit ihre Londoner Botschaft vor ein paar Jahren geschlossen wurde, sind sie in einen Bereich der omanischen Botschaft verbannt worden. Unsere Regierung legt fest, wie lange jede Delegation im Land bleiben darf, trotzdem sind die Iraner, während sie hier sind, immer auf der Suche nach Möglichkeiten, Leute zu verärgern.« Er deutete auf den Aktenkoffer. »Darin befinden sich einige Unterlagen zum Hintergrund des Scheichs, sowie mehrere Fotos.«

      Dan öffnete den Koffer und blätterte die Seiten kurz durch. »Sind die Delegationen bei der Konferenz mit dabei?«

      »Nein. Wir haben sie von der Teilnahme an der Gala ausgeschlossen, aber ich bin mir sicher, dass sie die Veranstaltung trotzdem irgendwie dafür benutzen werden, um über die letzten UN-Sanktionen zu jammern.«

      »Okay, aber wenn ihr dort bereits eine Sicherheitsfirma im Einsatz habt … wozu brauchst du mich dann noch?«

      David seufzte. »Weil es die immer gleiche Geschichte ist«, antwortete er. »Die Firma, die morgen Nacht im Einsatz ist, war der günstigste Bieter, also hat sie den Zuschlag bekommen. Doch keiner der Mitarbeiter hat jemals ein richtiges Personenschutztraining absolviert oder verfügt über deine Erfahrungen und Fähigkeiten. Es gibt da einen Kerl, der ein paar Jahre mit einem Reporterteam in Libyen unterwegs war, aber das war es auch schon. Der Rest hat lediglich sogenannte Trainingskurse absolviert und meint jetzt, den Job draufzuhaben.«

      Dan schüttelte den Kopf. »Und natürlich denken ihre Klienten, dass sie sich in sicheren Händen befinden.«

      David nickte. »Genau deswegen, brauche ich dich vor Ort. Der Scheich hat seine eigenen Sicherheitsleute dabei, aber die beauftragte Firma leitet die gesamte Show. Der Typ, dem sie die Verantwortung übertragen haben, ist ein kompletter Idiot, aber ich kann ihn nun mal nicht ersetzen lassen. Allerdings kann ich jemanden einschleusen, der ein Auge auf ihn hat.«

      »Meinst du damit, dass ich den Babysitter spielen soll?«

      David zuckte mit den Achseln. »Du sollst lediglich den Babysitter für den Klienten spielen. Alles, was den Leuten von der Sicherheitsfirma passiert, geht dich nichts an.« Er starrte wieder aus dem Fenster und rieb mit dem Ärmel seines Wollmantels das Kondenswasser von der Glasscheibe.

      »Wie sieht es mit einem Transportmittel aus?«

      »Das hängt ganz davon ab, was bei der Anhörung herauskommt. Wenn wir morgen früh noch operieren dürfen, dann können wir dir einen Wagen zur Verfügung stellen. Falls du später das Land verlassen willst, sag einfach Philippa Bescheid, damit sie für dich Pässe organisieren und alle anderen notwendigen Arrangements treffen kann. Ruf mich täglich an, um mich über deine Fortschritte zu informieren, denn der Premierminister erwartet von mir nämlich das Gleiche.«

      David beugte sich in seinem Sitz nach vorn und schlug mit der Faust gegen die Glasscheibe, die sich zwischen dem Fahrer und ihnen befand. Der Fahrer nickte daraufhin und lenkte den Wagen nach links, um am Bürgersteig anzuhalten.

      »Du steigst hier aus. Deine Unterkunft ist eine halbe Meile entfernt.«

      Dan schaute aus dem Fenster. Sie hatten auf einer vierspurigen Straße angehalten, von der mehrere Alleen abzweigten, die von dreistöckigen georgianischen Häusern gesäumt waren. Er drehte sich zu David um, der ihm nun ein Schlüsselbund entgegenhielt.

      »Nummer 34, Eaton Terrace … es ist ein Safe-House, das wir gelegentlich belegen. Es gibt dort eine sichere Verbindung und ein kleines Büro … beides kannst du exklusiv für den Zeitraum der Ermittlungen nutzen. Der Zutritts-Code für die Eingangstür ist dein Geburtstag. Ändere ihn aber bitte sofort, sobald du das Gebäude betreten hast. Pack diese Unterlagen in den Safe, wenn du sie fertig gelesen hast, und sorge dafür, dass du eine Stunde vor Beginn der Anhörung erscheinst. Dann ist nämlich noch keine Presse da und wir können eine Szene vermeiden.«

      Er griff daraufhin in seinen Mantel und zog einen flachen Briefumschlag hervor, den er Dan aushändigte. »Hier sind deine Legitimationen für morgen Nacht, damit erhältst du Zugang zum Konferenzzentrum. Mitch wird bald Kontakt mit dir aufnehmen. Philippa hat seine Anreise arrangiert, daher weiß ich nicht genau, wann er hier ankommt. Ich möchte, dass ihr zwei zusammenarbeitet, um herauszufinden, was los ist.«

      Dan grinste. Mitch Frazer war ein weiteres Mitglied des Bombenbeseitigungsteams, dem er und David während der britischen Operationen im Irak angehört hatten und ebenfalls ein Gefolgsmann in Davids undurchsichtiger neuer Welt der Politik und Spionage.

      »Also genau wie in alten Zeiten.« Er griff nach den Schlüsseln. »Wer hat denn dort als Letzter gewohnt?«

      David schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir leider nicht sagen. Aber er ist nicht lange geblieben … er bestand darauf, in das Haus eines Freundes südlich des Flusses zu ziehen. Dieses hat er dann in Leichensäcken wieder verlassen.«

      Dan hob die Augenbraue. »Plural?«

      David nickte. »Plural! Der Reinigungsservice hat gemeint, dass es eine Riesensauerei gewesen ist. Unnötig zu sagen, dass wir dafür gesorgt haben, dass das Grundstück danach verkauft wurde. Ich glaube, zurzeit lebt dort irgendein Rockmusiker im Ruhestand.« Er zuckte mit den Achseln.

      Dan schüttelte ungläubig den Kopf, griff nach dem Aktenkoffer, stieg aus und holte seinen Seesack aus dem Kofferraum. Nachdem er den Deckel zugeschlagen hatte, fuhr das Auto sofort los und ließ seine Bremslichter aufleuchten, als es nach links in Richtung Downing Street abbog.

      Dan überprüfte die Straße auf irgendwelche Anzeichen von Schwierigkeiten. Er klappte den Kragen seiner Jacke hoch und entfernte sich vom Bordstein, den Kopf wegen des Schneeregens gesenkt, während sein Blick auf der Suche nach allem, was deplatziert wirkte, schnell von links nach rechts wanderte. Er ging behutsam und lauschte dem Geräusch von Schritten, die ihm eventuell folgten.

      Am


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