Warum wir fotografieren. Jürgen Gulbins

Warum wir fotografieren - Jürgen Gulbins


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ausbauen und weiterentwickeln können. Dazu gehört die Einsicht, dass es Wege gibt, die man nicht gehen kann oder gehen will.

      Das Ganze mag ein wenig pathetisch klingen, ist aber sehr praktisch, sehr praktikabel. Die ›Geschichten‹ der vorgestellten Fotografen zeigen einige der Wege. Verstehen Sie dies nicht unbedingt als Ihr Vorbild, nicht als Wegweiser. Vergleichen Sie sich aber mit ihnen. Ist bei den ›Geschichten‹ etwas dabei, was Sie auch bei sich selbst finden? Was sich ausbauen lässt, was Sie gerne einmal ausprobieren würden? Oder ist etwas dabei, was auf Sie gar nicht zutrifft, was nicht Ihrem Geschmack entspricht, was Sie ablehnen, etwa weil Sie die Zeit nicht haben, das Know-how nicht besitzen, das Geld dafür nicht aufbringen können oder wollen, da Ihnen andere Dinge wichtiger sind? Es ist nicht nur nützlich zu wissen, was man tun möchte, sondern auch zu wissen, was man eben nicht tun möchte. Fotografie soll zwar Ansporn sein, aber kein Zwang. Das ist der große Vorteil der Amateurfotografie. Und was Sie heute nicht wollen oder können, kann durchaus, so Ihnen später einmal der Sinn danach steht, in einiger Zeit ein interessantes Ziel sein, etwa im nächsten Urlaub oder erst in einer späteren Lebensphase.

      Ich habe die Fotografinnen und Fotografen so ausgewählt, dass sie das Spektrum an Fotografie zeigen, das möglich ist, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben. Ich interpretiere und deute in einem gewissen Umfang ihre Fotografie, ihre Bilder und ihre Herangehensweisen.

       Meine Person in diesem Buch

      In Kapitel 7 schreibe ich auch über mich selbst und meine Fotografie. Das Buch hat dadurch einen autobiografischen Teil. Es zeigt nicht nur meinen skizzierten fotografischen Werdegang, sondern ist bereits durch die Auswahl der vorgestellten Fotografen und ihrer Bilder recht persönlich gestaltet.

      Bei allem Bemühen um Objektivität, um Neutralität, ist eine persönliche und subjektive Komponente unvermeidbar. Ohne sie wäre das Buch wahrscheinlich so technisch wie die meisten meiner anderen Bücher. Es wäre voll gepackt mit technischen, wie ich hoffe hilfreichen Informationen. Das mag oft nützlich sein, macht das Lesen aber anstrengend und ein bisschen steril.

      Man sollte also Stimmungen und Emotionen zulassen, denn ein wesentlicher Teil der nichtkommerziellen Fotografie ist durch Emotionen geprägt. Selbst ein Großteil der kommerziellen Fotografie versucht uns emotional anzusprechen – man denke nur an die Werbung und Wahlplakate mit geschönten Porträts. Und viele Amateurfotografen möchten in ihren Bildern das festhalten, was sie empfunden haben, als sie die vor ihnen liegende Szene aufnahmen. Sie kämpfen dabei mit der Herausforderung, ihre Eindrücke und Stimmungen im Bild auszudrücken.

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      Fotografieren heißt, Licht und Formen zu erkennen, einen passenden Ausschnitt und die richtige Perspektive zu wählen, eventuell das Objektiv und oft den Standort zu wechseln, auf störende Elemente zu achten sowie die richtige Belichtung zu finden – also viele im Konflikt stehende Ziele abzuwägen und abzugleichen. Eine Herausforderung ist hier z. B. der Umgang mit der Mischlichtsituation – dem von außen kommenden Tageslicht und der Innenbeleuchtung durch Halogenlicht. Der Gegensatz wurde in der Nachbearbeitung bewusst verstärkt. (Vorraum der Klosterkirche in Blaubeuren)

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      Muss man wirklich sein Stativ für solche Aufnahmen wie diese vom alten Heidelberger Schloss mitschleppen, Stativ und Kamera sorgfältig ausrichten, einen Kabelauslöser oder den Selbstauslöser einsetzen, um eine Aufnahmenserie für eine Panoramaaufnahme zu erstellen? Man muss, wenn man halbwegs vernünftige Ergebnisse erzielen möchte, die man anschließend in angemessener Größe zeigen oder gar ausdrucken möchte. (Panorama, aus drei Raw-Aufnahmen in Lightroom kombiniert und in Photoshop nachbearbeitet. EOS 5D Mk IV, 70–200 mm- F2,8-Zoom bei 70 mm, f/7,1, 25 s, ISO 200) (Foto: Jürgen Gulbins)

       Die Ausrüstung

      Für gute Fotografie brauchen Sie keine tolle Ausrüstung. Diese hilft in manchen Situationen, behindert aber in anderen. Dass man ein renommierter Fotograf ohne großartige Ausrüstung sein kann, demonstriert beeindruckend Harald Mante, der den überwiegenden Teil seiner Aufnahmen mit ausgesprochen simpler Technik erstellt hat. (Ein Artikel von Gerhard Rossbach in fotoespresso 5/2018 [1] erklärt das.)

      Andere Fotografen brauchen eine aufwändigere Ausrüstung für ihre Aufnahmen – oder weil es ihre Kunden erwarten. Hierzu gehören viele Modefotografen, die mit recht teuren Mittelformatkameras arbeiten. Für sie ist das oft notwendig; es ist das Handwerkszeug ihres Berufs, ist Teil ihrer Fotografie. Und jede dieser Kameraklassen – Smartphone, Kompaktkamera, MFT, APS-C, Vollformat und Mittelformat – hat ihre speziellen Eigenschaften, was Abbildung, Schärfentiefe und andere Parameter betrifft, die man kennen und auf die man sich einlassen muss.

      Dann gibt es da noch die ›Gear Heads‹, d. h. Fotografen, die viel Geld für aufwändige Technik ausgeben, ohne sie wirklich auszuspielen und ohne entsprechende Ergebnisse zu produzieren. Ich habe keinen von ihnen in dieses Buch aufgenommen – vielleicht mit Ausnahme von mir selbst :–). Wenn diese Fotografen damit glücklich werden, ist das aus meiner Sicht auch in Ordnung, solange die Familien unter dieser Kaufwut nicht leiden. Sie tragen dazu bei, dass die Fotoindustrie Geld verdient und neue, hoffentlich bessere Technik entwickeln kann. Sie gehören mit zum breiten Spektrum der Fotografie.

      Von einem professionell arbeitenden Fotografen habe ich einmal folgenden Spruch gehört, über den ich sehr lachen musste:

      »Sollte ich einmal vorzeitig sterben, so hoffe ich, dass meine Frau nicht so töricht ist, meine Ausrüstungskomponenten zu dem Preis zu verkaufen, den ich ihr genannt habe

      Ich erkenne mich selbst ein wenig darin wieder, ohne von mir zu behaupten, ein professioneller Fotograf zu sein. Für mich ist, wie wohl für die meisten meiner Leserinnen und Leser, Fotografie ein liebes und zuweilen teures Hobby.

       Reflexionen zur Fotografie

      Sowohl in den Kapiteln zu den vorgestellten Fotografen als auch in den separaten Kapiteln zum gedruckten Bild und in jenem zu den Informationen, die man zuweilen dem Betrachter zu den eigenen Bildern geben sollte, stelle ich Überlegungen zur Fotografie an und philosophiere dabei ein wenig. Ich kommuniziere damit natürlich zunächst meine Überlegungen, Erfahrungen und fasse manchmal Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen zusammen. Ich möchte Ihnen dabei aber nicht meine Philosophie und meinen Stil aufdrängen, sondern Sie anregen, darüber nachzudenken, zu überlegen, was Sie davon akzeptieren und für sich übernehmen möchten bzw. was Sie ablehnen, in Zweifel ziehen oder wo Sie widersprechen möchten.

      Versuchen Sie dabei einmal Ihren Widerspruch (so vorhanden) zu begründen. Dieses Nachdenken und Überdenken, diese Auseinandersetzung mit Vorschlägen, Sichtweisen und das Hinterfragen erweisen sich immer wieder als nützlich (und dies nicht nur in der Fotografie). Ich stehe Ihnen gerne auch für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung – per E-Mail, lieber aber noch per Telefon oder auch persönlich ›Face toFace‹.

       [email protected]

      Tel. +49 (0) 70 82 94 82 51

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      Er schaut noch etwas kritisch auf die nachfolgend vorgestellte Fotografin und die Fotografen. Es ist ein Schausteller auf einem Mittelaltermarkt in Niefern. Der skeptische Blick gehört zum Schaustellen. Mein Blick ist da schon sehr viel positiver und optimistischer. (EOS 5D Mk IV mit 100–400 mm-Zoom, F4,5–5,6 bei 312 mm, 1/200 s, f/5,6, ISO 200) (Foto: Jürgen Gulbins)

       Die Fotografinnen und Fotografen


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