Hotline of Love. Mia Brown

Hotline of Love - Mia Brown


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sie ihre Hände zu Fäusten ballte und ein verächtlicher Zug ihre Mundwinkel erreichte. »Es ist komisch, Lou, aber manchmal bin ich froh, sie nie gekannt zu haben«, fuhr sie bitter fort. »Diese Frau ist mir so fremd wie jede andere Unbekannte. Und es sollte nichts geben, was mich ihretwegen belastet. Aber so ist es nicht. Von dem Moment an, als Granny mir von ihrer minderjährigen Tochter erzählte, die ihr neugeborenes Baby zurückließ, um ihrem verfickten Dealer zu folgen, hasste ich sie. In meinem Unterbewusstsein wuchs der Groll auf meine verantwortungslose Mom wie ein Tumor heran. Ich konnte ihr das einfach nicht verzeihen, verstehst du? Egal, was Granny versuchte, um meine Wut auf sie zu besänftigen. Nichts half. Einmal erlittenes Unrecht konnte auch Grannys Liebe zu mir nicht ungeschehen machen. Ich war unbequem und unerwünscht und deshalb hat mich meine Mom zurückgelassen.«

      Hanna schnaufte und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann löste sie sich aus meinen Armen, zog die jammernde Lynn auf ihren Schoß und strich ihr zärtlich die aufsässigen Locken aus dem Gesicht. Mein Blick flog zu Taylor, der vergnügt krähend Bausteine zu einem Turm aufschichtete, den er anschließend begeistert umschubste. Ich lächelte. Wie gut ich Hanna verstand. Nicht nur Taylor, sondern auch Lynn waren auffallend hübsche Kinder. Während Taylor Bobs helle Haare und meine dunklen Augen geerbt hatte, waren es bei Lynn dicht bewimperte, bernsteinfarbene Augen und widerspenstige rotblonde Locken. Eine entzückende Mischung aus den Genen irischer und afrikanischer Vorfahren.

      »Vielleicht sollte ich ihr wirklich langsam vergeben? Granny hat mich gut versorgt und mit Sicherheit geliebt. Es war nicht ihre Schuld, dass ich ohne Eltern aufwachsen musste.« Hannas Blick glitt nachdenklich in die Ferne, bevor sie ihre blauen Augen auf mich richtete. Fragend und unsicher. Ich nahm ihre Hand, legte sie auf mein Herz und schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, es war nicht ihre Schuld. Alles wird gut. Nichts wiederholt sich zwingend in unserem Leben. Du wirst deine Hände über Lynn halten, sie behüten und beschützen. Kein Hamsterrad, kein Kreis, der sich nicht öffnen lässt. Du bist eine McCourt und stark, liebste Hanna. Das genügt.«

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      Gedankenverloren wich ich einer Gruppe Jugendlicher aus, die einer hübschen Gleichaltrigen hinterherpfiffen. Ich blieb stehen und lächelte ihnen zu. Eines Tages werden es unsere Kinder sein. Taylor und Lynn. Und Hanna und ich werden stolz auf uns sein, weil wir es ohne Männer geschafft haben. Zwei Jahre nach unserem Gespräch starb Hannas Granny und hinterließ ihr ein schönes Haus in Williamburgs bester Lage. Soweit ging es Hanna gut. Sie hatte ein schönes Zuhause mit vielen Erinnerungen an ihre Kindheit und die Liebe ihrer Granny, die stets gegenwärtig war. Deshalb war es keine Option, die Immobilie zu veräußern, um ihren mageren Verdienst bei McDonalds aufzupeppen. Wir mussten uns etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht sollten wir uns jetzt, nach meiner Scheidung, gemeinsam etwas Neues suchen? Bereits von Weitem erblickte ich meine liebste Freundin. Sie stand inmitten aufgestellter Tische und Stühle vor dem kleinen Restaurant, hielt die Arme in die Höhe gereckt, rief mir etwas zu und scherte sich keinen Deut um den Aufruhr, den sie verursachte. Hanna! Ich spürte das Brennen auf meinen Wangen und das peinliche Gefühl, das mir wie eine Schlange den Rücken hinauf kroch, weil alle Augen auf uns gerichtet waren.

      Hanna du wirst jetzt nicht …? Mein Unterbewusstsein hieb sich brüllend auf die Schenkel, weil es die Antwort bereits kannte. Natürlich wird sie! Du kennst sie doch. Trag es mit Fassung, Lou. Kopf hoch und durch.

      »Hallo Süße. Hier bin ich«, schallten mir Hannas Worte triumphierend entgegen. »Alles organisiert und bestellt! Ein Hoch auf deine glückliche Scheidung!« Verkrampft lächelnd eilte ich ihr entgegen, wobei ich den Ärger über das Grinsen der umsitzenden Gäste versuchte auszublenden. Tapfer ignorierte ich das Beifallklatschen an einem der Tische, die anerkennenden Worte einer Gruppe junger Männer, die sich scheinbar berufen fühlten, ihren Senf zu meinem neuen Familienstand abgeben zu müssen. Blöde Kerle, genau deshalb habe ich mich von einem wie euch getrennt. Schnell zog ich Hannas Arme herunter, umarmte sie flüchtig und schob sie auf den einzigen freien Tisch zu.

      »Herzlichen Dank, Hanna McCourt«, zischte ich in ihr Ohr, während ich meinen Kopf an ihre Wange legte und ihren blumigen Duft einatmete. »Vielleicht möchtest du eine Anzeige in der New York Times schalten? So in der Art – Meine Freundin Louisa Silverman ist gerade glücklich geschieden? Nur für den Fall, dass es irgendjemandem entgangen sein sollte.«

      »Ich freue mich auch, dich endlich zu sehen, allerliebste Lou.« Hanna lächelte entwaffnend, drückte mir einen schallenden Kuss auf die Wange und schubste mich auf die beiden freien Stühle zu. »Nun komm schon, Süße. Entspann dich. Tief einatmen und durch den Mund ausatmen. So ist es gut. Du siehst erhitzt aus. War ein harter Tag für dich, oder?« Grinsend tätschelte sie meine Wangen, die mit Sicherheit rot wie Tomaten waren, während sie die Bedienung heranwinkte. »Bringen Sie uns bitte zwei eisgekühlte Ginger Beer, eine Pizza nach Art des Hauses und einen gemischten Salat mit Kräutern und Croissants. Und zwei Gläser Champagner, aber erst nach dem Essen, okay?«

      Hanna bedachte den feschen dunkelhaarigen Kellner, der sich zuvorkommend verbeugte, mit einem verführerischen Lächeln, bevor sie ihn in das Innere der Lokalität entließ. Mit der Zunge schnalzend löste sie ihren Blick von dessen knackigem Hinterteil, dann musterte sie mich erneut. Sie hob die Brauen und nickte zufrieden. »Siehst trotzdem ganz passabel aus. Und wie du vielleicht bemerkst, ist alles organisiert. Selbst das Personal passt. Du musst nichts tun, Liebes. Nur sitzen, trinken, essen – und natürlich berichten. Wie war es?«In Hannas Blick lag so viel gebremste Neugierde, dass ich zu ihrem vorsichtig geäußerten Nachtrag, »oder ist es dir etwa nicht recht so?«, nur lachend abwinkte. »Alles prima, kleine Hanna, wie immer. Du weißt doch wie dankbar ich dir bin.« Spontan schob ich ihr die Einkaufstüte entgegen. »Und damit du siehst, wie sehr, schau einmal hinein. Für jede von uns habe ich eine dieser herrlichen Taschen erstanden, zur Erinnerung an diesen Tag. Vor mir liegt ein neues Leben und es wird sich alles ändern. Bis auf eines. Du wirst immer ein Teil von mir bleiben!«

      Schwungvoll entwand ich dem Kellner eines der Gläser mit dem eisgekühlten Ginger Beer, hob es in die Höhe und amüsierte mich über Hannas große Augen, als sie einen Blick in die Tüte warf. »Auf die Freiheit, liebste Hanna, auf Gucci und unsere Unabhängigkeit.«

      »Amen.« Hanna grinste, nahm das zweite Glas von dem glut-äugigen Kellner entgegen und prostete mir zu. Dann schüttelte sie fassungslos ihren roten Lockenkopf. In ihren blauen Augen schimmerte es feucht, untermalt von einem hilflosen Schniefen. »Du bist ja verrückt. Das kann ich nicht annehmen. Gucci?«

      Ich nickte lächelnd, streckte eine Hand aus und legte sie sanft auf ihre. Hanna war die einzige Person, der ich rückhaltlos vertraute. Eine Freundin, wie ich sie nie zuvor hatte. Ich liebte sie und freute mich tierisch, als sie vorsichtig eine der Taschen aus der Tüte nahm und sie fast ehrfürchtig betrachtete.

      »Aber ja, das musst du sogar annehmen«, bekräftigte ich meine Worte. »Immerhin waren es meine letzten Dollar – also das, was ich noch flüssig hatte. Diese Stunden sind jeden verdammten Cent wert. Keine Ahnung, was mich zukünftig erwartet.« Ich berichtete ihr von dem Prozess, von dem Urteil des Richters und meinem Entschluss, gleich morgen Kurt Logan anzurufen. »Ich brauche einen Job, Hanna, um eine eigene Wohnung bezahlen zu können. Was nützt es mir, wenn sich Bob in unserem Ferienhaus auf Coney Island aufhält? Spätestens zum Ende des Sommers ist er zurück und bis dahin muss ich ausgezogen sein. Ich will ihm nicht mehr als notwendig begegnen. Zweimal im Monat, also immer dann, wenn der grässliche Richter Bob das Besuchsrecht für Taylor eingeräumt hat, lässt sich das nicht vermeiden. Aber das war’s dann für mich.« Galle waberte bitter in meiner Kehle, überschwemmte mich mit hässlichen Emotionen. Meine Stimme hatte ihren tiefen, angenehmen Ton verloren und klang wie das Gekeife einer hysterischen Frau. Lieber Gott, bloß das nicht. Ich musste lernen, mit dem Thema Bob und Taylor entspannter umzugehen, unwichtig, wie widerlich sich das anfühlte. Hanna blickte mich mitfühlend an, setzte zum Sprechen an und hielt inne, weil der Kellner unser Essen servierte.

      »Arme Lou, ich verstehe dich so gut«, sagte sie sanft, wobei der hau-ab-du-störst-uns Blick, den sie dem anzüglich grinsenden Kellner zuwarf, kaum zu dem Tonfall ihrer Stimme passen wollte und ihn erschreckt den Rückzug antreten ließ.


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