Hotline of Love. Mia Brown

Hotline of Love - Mia Brown


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ein raffinierter Racheakt war. Er ließ mich bewusst zappeln, wobei mir sein schmales Gesicht mit den buschigen Augenbrauen und dem lauernden Blick lebhaft vor Augen stand.

      »Okay, wenn das so ist, dann erübrigt sich unser Gespräch tatsächlich«, konterte ich selbstbewusst und schickte für alle Fälle einen theatralischen Seufzer hinterher. »Ich werde es bei einer anderen Agentur versuchen. Nichts für ungut, Kurt.«

      »Hey, Baby, nicht so hastig.« Sein Atem ging stoßweise und ich lachte triumphierend in mich hinein. Fast konnte ich sie spüren, seine Hand auf meinem Arm, die mich festhielt. »Ich könnte eine Ausnahme machen«, sagte er langsam und ich wusste um sein breites Grinsen, das wie Brei durch den Satz tropfte. »Vorausgesetzt, du bist noch ebenso schön wie vor fünf Jahren, wovon ich ausgehe, weil du dich ansonsten kaum als Model bewerben würdest. Körper und Gesicht sind nun mal das Markenzeichen unserer Branche, Louisa. Da muss ich hart sein. Lass mal ein aktuelles Foto rüberwachsen.« Wieder eine Kunstpause, bevor mich sein bewundertes Lachen als Kommentar zu meinem eilig abgesandten Selbstporträt erreichte. »Wow, Baby! Einsame Spitze! Echt! Du siehst klasse aus. Im Übrigen sind reife Model momentan total angesagt. Wie alt bist du jetzt? Fünfundzwanzig? Perfekt. Dann haben sich Ecken und Kanten abgeschliffen, sind weich und griffig geworden. Eingeritten bist du außerdem.« Er lachte keckernd. Anscheinend fand er seine unverschämte Bemerkung ungeheuer witzig, zumindest sein albernes Kichern deutete darauf hin. Ich schnappte nach Luft.

       Leg sofort auf, Louisa! Das musst du dir nicht antun! Der Kerl ist total übergeschnappt und spielt nur mit dir!

      Ernüchtert schwieg ich, das Telefon in der Hand, unfähig ein Wort zu sagen. Erst sein verlegenes Räuspern ließ mich aufschrecken. »Entschuldige, Lou, ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber Spaß muss sein. Geile erwachsene Frauen wie du sind nun mal genau das, was die Kerle lieben, Darling.«

      »Aber wir reden noch immer vom Modeln und der Präsentation von Unterwäsche, oder habe ich dich falsch verstanden?« Wütend und enttäuscht schnappte ich zurück, unfähig, meinen Ärger über seine frechen Anspielungen auf mein Alter, meine Ehe, sein Baby, Girl oder Darling-Gesülze zu verbergen. Hoffentlich beging ich keinen Fehler. Bobs Bemerkung über geile alte Männer und Fleischbeschau kam mir in den Sinn und nahm plötzlich sehr reale Formen an. Kurt musste mittlerweile mehr als fünfzig Jahre zählen, vielleicht war sein verändertes Verhalten bereits dem geschuldet? Midlife-Crisis oder nur Theaterdonner vor dem körperlichen Aus? Himmel! War es das, was ihn so ordinär reden ließ?

      »Solltest du allerdings mit deiner Agentur etwas anderes als damals vermitteln, dann bin ich wirklich nicht interessiert«, relativierte ich mit fester Stimme meine Frage, um irgendwelche Missverständnisse von vorn herein auszuschließen.

      »Hey, hey, Louisa. Wie soll ich das verstehen? Selbstverständlich geht es um Mode, was dachtest du denn?«

      »Okay. Darf ich daraus schließen, dass du interessiert bist?«

      »An dir immer, Baby.« Wieder dieser falsche Zungenschlag und das süffisante Keuchen im Hintergrund, das mir eine unangenehme Gänsehaut bescherte.

      »Du kannst in meiner nächsten Show am Broadway laufen, wenn du willst«, sagte er plötzlich ziemlich nüchtern. »Riana, das dumme Weib, hat sich schwängern lassen und ich riskiere wegen ihrer ständigen Übelkeitsattacken eine böse Niederlage, falls sie die Wäsche besudelt. Das kann ich mir nicht leisten, verstehst du? Ich bin Geschäftsmann, keine soziale Einrichtung für ledige Mütter. Also was ist nun mit dir? Kannst du es einrichten? Wäre schön und beseitigt mein akutes Problem.«

      Nein, das verstehe ich nicht, ganz und gar nicht und nichts davon lässt sich einrichten, perverser alter Mann! Genau das wollte ich ihm in die Ohren brüllen. Stattdessen sagte ich: »Gut, wann soll ich wo sein?«, so unüberlegt und hastig, dass ich mich verblüfft fragte, was in mich gefahren war. Viel zu schnell kam meine Antwort. Ungefiltert, ohne meinen Verstand einzuschalten, der etwas vollkommen anderes signalisierte. War ich tatsächlich so geil auf einen Job, dass mich die traurigen Begleitumstände vollkommen unberührt ließen? Wollte ich eine werdende Mom aus dem Sattel heben? Mein Gott! Was war mir der verdammte Laufsteg wert? Kurts abwertende Bemerkung sprach Bände und mein Gewissen trommelte mit Keulen auf mich ein. Er musste sich verändert haben, daran bestand kein Zweifel. Ich erinnerte mich an die Wohnung, die er mir seinerzeit vermittelt hatte, seine väterliche Fürsorge, die er allen jungen Models angedeihen ließ, seine Fairness, die zu seinen heutigen Worten kaum passen wollte. Aber welche Alternative gab es für mich? Sollte ich die einmalige Chance, endlich wieder das machen zu können, was ich einigermaßen beherrschte, sausen lassen? Wegen eines Anfalls störender Gewissensbisse? Ich brauchte diesen Job ebenso wie jedes andere Model auch. Mal ehrlich, Louisa! Am Broadway? Wenn du nicht zusagst, dann nimmt er die nächste. Du kannst weder dieser unbekannten Riana helfen, noch Kurt ändern. Hey! Du bist nicht Mutter Teresa. Es geht um Taylor und dich. Greif endlich zu!

      »Okay! Dann sehen wir uns morgen, schöne Lou«, beendete Kurt meine innere Zwiesprache und grub jedem meiner potenziellen Einwände das Wasser ab. Shit Happens. Ich kapitulierte vor meinem Ehrgeiz und der Aussicht auf gutes Geld. Aufhören geht immer, beruhigte ich mein schlechtes Gewissen und nickte meinem Handy zu, während ich Kurt zuhörte.

      »Wir treffen uns am Herald Square direkt vor dem Kaufhaus Macy’s. Die Show beginnt um zwanzig Uhr. Wenn du zwei Stunden vorher dort bist, haben wir ausreichend Zeit, um alle Einzelheiten zu besprechen. Das Übliche eben. Aber das kennst du ja noch. Ich erwarte dich also an der Kreuzung 6th Avenue, 34th Street, direkt vor dem Haupteingang. Es wird dein Tag, Louisa. Verpass ihn nicht.«

      »Bestimmt nicht und danke, Kurt«, antwortete ich herzlich und überzeugt davon, dass lediglich meine angespannte Situation der Auslöser meiner Horrorvisionen sein konnte. Ich hatte einen Job! Und was für einen. Mich erwartete ein Laufsteg in dem größten Kaufhaus der Welt. Was wollte ich mehr?

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      Zu meiner Erleichterung hatte der andauernde Regen in den späten Nachmittagsstunden des folgenden Tages nachgelassen. Dunkle Wolkenfetzen waberten noch immer zwischen hoch aufragenden Häuserzeilen, Autofahrer fuhren durch Pfützen, Wasser spritzte auf, Passanten kreischten, sprangen beiseite und hasteten weiter, während ich die Subway am Herald Square verließ und inmitten eines Menschenpulks zum Überweg lief. Suchend richtete ich meinen Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite. Mein Herz machte einen Satz. Kein Zweifel. Der grauhaarige Typ in dem sommerlichen Anzug vor dem Macy’s war unverkennbar Kurt Logan. Sein Gesicht erschien mir schmaler, seine Haare hatten ihre satte dunkle Farbe verloren, seine Schultern die Festigkeit jüngerer Jahre. Zweiundsiebzig Monate waren seit unserer letzten Begegnung ins Land gezogen. Eine lange Zeit. Wie alt war er jetzt? Doch schon sechzig? Er hatte sich verändert, war deutlich älter geworden, sehr alt irgendwie. Halb verdeckt von einem haltenden Lieferwagen blickte er abwechselnd in meine Richtung und auf seine Armbanduhr. Zögernd blieb ich stehen und warf einen skeptischen Blick hinunter auf meine weißen Sneakers. Erst in letzter Minute fand ich sie wegen des feuchten Wetters praktischer als meine High Heels, meinen dunklen Minirock samt Lieblingstop angemessener, als zuvor das dünne Sommerkleid. Sportlich unauffälliger Dress und keineswegs übertrieben sexy, fand ich. Aber genügte das tatsächlich für meine erste Vorstellung? Wie kam das bei Kurt an, der wie ein Dressman gekleidet vor den großen Schaufenstern des Kaufhauses auf und ab flanierte, sich mit hastigen Gesten die Haare aus der Stirn strich und suchend seinen Blick über die Menschentrauben schweifen ließ? War er ebenso nervös wie ich? Plötzlich war ich mir meines schlichten Outfits nicht mehr sicher. Ich war zu früh dran, wie mir ein kurzer Blick auf mein Handgelenk bestätigte. Mehr als eine halbe Stunde sogar. Warum wartete Kurt dann bereits auf mich? Hatte ich irgendetwas in unserem Telefonat falsch verstanden? Unruhig knetete ich die weiche Ledertasche unter meinem Arm, während ich auf das Umschalten der Ampel wartete. Plötzlich spürte ich die spitzen Absätze der High Heels, die ich vorsichtshalber in die Tasche gestopft hatte, und die sich jetzt vertrauensvoll in meine Handfläche bohrten. Fast von selbst legte sich das Grinsen auf mein Gesicht. Alles easy, Louisa. Du hast dein wichtigstes Handwerkszeug dabei und die übrige Kleidung wirst du ohnehin wechseln müssen.

      In


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