Hotline of Love. Mia Brown

Hotline of Love - Mia Brown


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seine Schultern und stürzte mir mit erhobenen Armen entgegen.

      »Kleine Lou, wie schön dich zu sehen«, sprudelte er kurzatmig hervor, wobei er mich so heftig an sich zog und meine Wangen abschleckte, dass mir vor Überraschung der Atem stockte. Was war das denn? Immerhin waren wir uns in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal begegnet, hatten keinerlei Kontakt gehabt. Und abgesehen davon, dass er es mit seinem Adjektiv für mich entschieden übertrieb, weil er mit Mühe meine Größe erreichte, störte mich diese distanzarme Begrüßung sehr. Wie kam er dazu? Warum gebärdete er sich wie der nette Familienonkel, den ich mindestens einmal pro Woche zum Kaffee einlud? Er hatte mich damals beschimpft und unsere Trennung mehr als unschön verlaufen lassen. Einvernehmlich sah anders aus. Nun ja, das musste ich jetzt wohl in den privaten Mülleimer stopfen. Gegen eine berufliche Annäherung hatte ich natürlich nichts. Genau aus dem Grund stand ich vor meinem ehemaligen Manager, gespannt und begierig darauf, was mich in den nächsten Stunden erwartete. Aber damit wollte ich es bewenden lassen. Vorsichtig, aber entschieden, zog ich seine Arme von meinen Schultern, schob ihn auf Abstand und versuchte seine unwillig mahlenden Wangenmuskeln und das Entgleisen seiner Miene zu ignorieren.

      »Hallo, Kurt. Schön, dich nach so langer Zeit zu sehen.« Ich begleitete meine verlogenen Worte mit einem strahlenden Lächeln, mit einer einstudierten Mimik, von der ich inständig hoffte, dass sie bis in meine Augen schwappen und ihn meine eindeutige Zurückweisung vergessen lassen würde. »Es ist wirklich sehr freundlich von dir, meine Jobsuche zu unterstützen. Vielen Dank, Kurt«, schmeichelte ich mit warmer Stimme, krampfhaft bemüht, meine schmale Berufschance vor dem Absturz in den Abgrund zu bewahren. Eine Klippe, die ich mit meiner spröden Haltung selbst errichtete, verdammt. »Nach meiner Scheidung ist es das, was ich am Dringendsten benötige«, ergänzte ich leise, wobei ich meine Hände nervös vor meinem Bauch verschränkte.

      »Tatsächlich, Baby? Mehr nicht?« Er schmunzelte scheinbar amüsiert, schien besänftigt, als er seine Hand wie selbstverständlich auf meine Taille legte und mich auf die breite Glastür zuschob. Dabei wanderte sein Blick bewundernd und unverschämt direkt über meinen Körper. Eine Musterung, die mir nicht nur äußerst unangenehm war, sondern gleichzeitig seine Hand aktivierte und über meinen Hintern streifen ließ. »Bei deinem Aussehen fallen mir auf Anhieb wesentlich angenehmere Dinge ein.« Er lachte anzüglich. Seine Pupillen waren geweitet, das farblose Grau seiner Augen einer ungesunden Schwärze gewichen, die mich mit ihrem gefährlichen Funkeln an den Drogentrip eines Junkies erinnerten. Energisch fegte ich seine Hand von meinem Gesäß und begegnete seinem fragenden Blick mit einem stummen Kopfschütteln. Unangenehmes Schweigen begleitete uns, als wir eine antik wirkende Rolltreppe nutzten, um in den zehnten Stock hinauf zu fahren. Ein breiter Gang, der mit einem roten Teppich ausgelegt war, schloss sich an. Der Laufsteg für die Show, vermutete ich, wobei ich die vielen Polsterstühle zu beiden Seiten der geräumigen Etage mit froher Erwartung registrierte.

      »Lass uns wie Profis miteinander umgehen«, wandte ich mich behutsam an Kurt und legte ihm zur Bekräftigung meiner Worte eine Hand auf den Arm. »Ich bin nicht an einer neuen Partnerschaft interessiert, sondern suche lediglich eine Möglichkeit, mein eigenes Geld zu verdienen, mehr nicht.«

      Er nickte mit abgewandtem Kopf und wies dabei auf eine der Türen, die offensichtlich in den angrenzenden Außenbereich führten. Als ich ihm schweigend folgte, drehte er sich plötzlich zu mir um. Sein Blick suchte meinen, ich stockte, als er mir seine Hände entgegenstreckte und versuchte nach meinen zu greifen. »Herrgott, Lou, du scheinst wirklich nicht zu wissen, wie begehrenswert du bist. Viel schöner und attraktiver als damals. Welchem Kerl würden bei deinem Anblick nicht die Nüsse jucken? Was soll ich sagen, die Ehe scheint dir gut bekommen zu sein, selbst wenn sie nicht gehalten hat. Schlimm, wenn so was passiert.« Er seufzte übertrieben theatralisch. Dann stieß er die Tür auf und bedeutete mir mit einer ebenso albernen Geste einzutreten. Erstaunt blickte ich ihn an. Welche Komödie!

      »Leider weiß ich ziemlich genau, wovon ich rede«, meinte er plötzlich übellaunig, presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und verengte die Augen. »Weißt du, meine Frau fand plötzlich an einem wesentlich jüngeren Typen Gefallen, ich wäre zu alt für die Liebe, zu nichts mehr zu gebrauchen, so oder so ähnlich waren ihre Worte, bevor sie mich verließ. Seitdem bin ich Single, ein unbefriedigender Zustand für mich. Er macht mich wütend und ungerecht, ich weiß.« Erneut umfasste er meine Taille und zog mich an sich. »Es tut mir leid, Lou, wenn ich mich plump verhalten habe. Aber selbst bei einem unnützen Kerl wie mir kochen mitunter die Hormone über. Du bist eine wunderschöne Frau und ich finde, dass ich auf dem Heiratsmarkt noch mitmischen kann. Hätte ja klappen können, mit zwei Alleinstehenden wie uns?«

      Ich wand mich aus seiner Umklammerung und schüttelte den Kopf. »Nein, bestimmt nicht, Kurt. Außerdem gibt es einen feinen Unterschied zwischen deiner und meiner gescheiterten Beziehung. In meiner Ehe habe ich die Scheidung eingereicht und Bob verlassen. Das ist nichts, worauf ich besonders stolz bin, aber gegen Untreue ist nun mal kein Kraut gewachsen. Dir hat deine Frau den Rücken gekehrt. Womöglich waren ihre Gründe ähnlich und sie hat sich für etwas gerächt, was du ihr vorher angetan hast? Zwei Frauen, die ihre Männer verlassen haben, vielleicht sogar ähnlich motiviert? Ich weiß es nicht. Trotzdem sieht alles danach aus. Eine Tatsache, die dir kaum gefallen wird, vermute ich.«

      Verblüfft blickte er mich an. Sein Gesicht verzog sich zu einer unangenehmen Grimasse. Plötzlich traten die Falten um Mund und Augen deutlich hervor. Er schien um Jahre gealtert, als er mich aus verkniffenen Augen beäugte. Misstrauisch und intensiv wie ein Habicht, der seine Beute nicht aus den Augen ließ. Selbst seine Nase schien gekrümmt und zu lang. Wahrscheinlich war ihm klar geworden, was mein Vergleich bedeutete.

      »Albernes Weibergewäsch«, zischte er gehässig und ich sah die weißen Schaumbläschen in seinen Mundwinkeln kleben, als er meine Worte wie ein lästiges Insekt beiseite wedelte. Er deutete auf einen Kleiderwagen an der gegenüberliegenden Wand, der mit traumhaft schöne Dessous bestückt war und mein Herz vor Freude hüpfen ließ. Der widerliche Eindruck von Kurt und mein Ekel verflogen. Meine Finger kribbelten vor Erwartung. Ich wollte die geilen Teile sofort berühren und anprobieren. Suchend blickte ich mich nach einem Paravent oder einer Umkleidekabine um. Aber außer einem Standspiegel und einigen Stühlen, die in dem großen Raum ziemlich verloren wirkten, entdeckte ich nichts.

      »Kommen wir zum beruflichen Teil«, sagte Kurt mühsam beherrscht, räusperte sich und wich meinem Blick aus, während er einige Sets von der Stange nahm und mir in die Hand drückte. »Das ist unsere neueste Unterwäschekollektion. Zieh die Sachen an, betrachte dich in dem großen Spiegel und warte einen Moment auf mich.« Er ging zur Tür, öffnete sie und wandte sich im Türrahmen um. »Zum Glück bist du rechtzeitig erschienen. Deshalb starten wir in wenigen Minuten eine kleine Vorabpräsentation, damit ich sehe, was du noch drauf hast. Wobei ich davon ausgehe, dass du nichts vergessen hast. Einmal Profi immer Profi. Die anderen fünf Damen und die Maske erwarte ich frühestens in vierzig Minuten. Entschuldige mich kurz. Bis gleich, Darling.«

      Irgendwie verunsicherte mich seine einsame Ansprache, sein Monolog und das schiefe Grinsen, das seine Worte begleitete. Es wirkte falsch und aufgesetzt. Rein mechanisch nickte ich zurück, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Trotz der zauberhaften Kollektion, die ich bewundernd durch meine Finger gleiten ließ, wäre mir die Anwesenheit der übrigen Mädchen angenehmer gewesen. Ich fühlte mich hier oben unter dem Dach unsicher, fast ausgeliefert, wenn ich an Kurt und sein seltsames Verhalten dachte. War das überhaupt noch der gleiche Typ, dem ich vor sechs Jahren begegnet war? Seine Gesten, seine Worte, sein ganzes Gebaren waren mir unangenehm und fremd, hatten nichts mit dem Agenturchef von damals gemein, mit dem freundlichen Mann, der für mich fast zu einer Vaterfigur geworden war – bis ich meinen Ausstieg verkündete. Ich betätigte den Lichtschalter und blickte mich um. Fest entschlossen mich nicht ablenken zu lassen und das hier durchzuziehen, egal wie merkwürdig und gruselig mir alles erschien. Über eine weitere Zusammenarbeit konnte ich mir nach der Show Gedanken machen.

      Der Raum war staubig und verströmte das Timbre eines kaum genutzten Bodens. Es roch muffig und durch fünf schmale Dachfenster fiel kaum Tageslicht. Eine weitere Tür führte in eine winzige, ebenso unsaubere Toilette mit Duschkabine und blindem Spiegel über einem Waschbecken. Wahrscheinlich nutzte Kurt diese Räumlichkeiten nur aufgrund der


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