Im Licht der Horen. Petra E. Jörns

Im Licht der Horen - Petra E. Jörns


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Suttons Mund war leicht geöffnet, als wolle er noch etwas sagen. Aber außer Dee schien das niemand zu bemerken. Als Coulthard sich an Watanabe wandte, klappte er langsam den Mund wieder zu.

      »Rüsten Sie das Quartier von De Sutton mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für den Aufenthalt eines Gastes der höchsten Sicherheitsstufe aus. De Sutton wird sich für die Dauer unseres Auftrags das Quartier mit Hawk teilen. Das Einverständnis der beiden Herren vorausgesetzt.« Coulthard hob fragend die Augenbrauen.

      »Aye, Ma’m«, antwortete Hawk sofort.

      »Ma’m, ich muss Sie nicht daran erinnern, dass nach Paragraf hundertfünfundzwanzig höherrangige Offiziere ein Recht auf Privatsphäre haben!« Mit hoch erhobenem Kinn sah De Sutton Coulthard an.

      »Doktor Tipton, wären Sie dazu bereit, das Quartier mit Lieutenant Hawk zu teilen?« Mit erhobener Augenbraue sah Coulthard den Doktor an, der bisher schweigend zugehört hatte.

      Tiptons Miene wurde noch eine Spur griesgrämiger. Graue Bartstoppeln zierten sein hageres Gesicht. »Es tut mir leid, Captain. Aber ohne ein Quartier direkt benachbart zur Krankenstation kann ich keine einwandfreie, medizinische Versorgung garantieren.«

      »Nun denn! De Sutton, da Lieutenant Hawk als höherrangiger Offizier ein Recht auf Privatsphäre hat, verbietet sich selbstverständlich der Vorschlag, ihn bei den niederen Dienstgraden unterzubringen. Aber ich bin sicher, dass Sie eine Möglichkeit finden werden, auch Ihre Privatsphäre zu wahren.« Coulthard lächelte De Sutton unverbindlich an. »Zu den Daten.«

      »Ma’m!«, unterbrach De Sutton den Captain. »Ich muss pro ...«

      »Commander De Sutton, ich bin sicher, dass Sie eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung finden werden. Ich verlasse mich darauf – und nun zu den Fakten.«

      Coulthard ließ den Blick über die versammelten Offiziere schweifen. Die eisblauen Augen musterten zuerst De Sutton, Doktor Tipton und Hawk zu ihrer Rechten und dann Nayiga, Watanabe und Dee zu ihrer Linken.

      Dee straffte sich. Sie kam sich mit einem Mal wie ein Schulmädchen vor. Den anderen Anwesenden schien es nicht anders zu gehen. Selbst De Sutton wagte keine Widerworte mehr.

      Coulthard drückte einen Knopf am Besprechungstisch und auf dem Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand wurde das Bild eines Mannes sichtbar. Dee erkannte ihn sofort. Es handelte sich um Clark Duras, den Botschafter der Erdregierung, der zurzeit auf Persephone weilte.

      Botschafter war eigentlich das falsche Wort. Sowohl der Botschafter der Erdregierung, als auch der der Kolonien konnte eigenständige Entscheidungen treffen, ohne sich zuvor mit der Regierung abstimmen zu müssen. Der Botschafter der Erde war nur seinem Präsidenten verpflichtet, und der Botschafter der Kolonien dem Senat. Aber Dee wusste nicht, ob der Botschafter der Erde ebenso innerhalb einer Flottenhierarchie stand wie der Botschafter der Kolonien.

      »Ich bin sicher, dass jeder hier im Raum diesen Mann kennt. Unser Auftrag lautet, Clark Duras zur waffenfreien Zone zu bringen, um ihn dort in die Obhut eines Schiffes der Erdregierung zu übergeben. Unsere Botschafterin Fay Hagen wird uns auf dieser diplomatischen Mission begleiten. Ich habe für sie bereits mein Quartier geräumt und Commander MacNialls Kabine bezogen, die freundlicherweise dazu bereit war, ein Quartier mit Junior Lieutenant Nayiga zu teilen.«

      Nayiga warf Dee einen vielsagenden Blick zu.

      Aha. So wurden hier an Bord also Entscheidungen gefällt. Captain Coulthard beschloss etwas und alle nickten. Und De Sutton hatte die Arschkarte gezogen. »Es war mir ein Vergnügen, Ma’m.« Dee bemerkte, wie De Sutton sie bei diesen Worten musterte.

      Natürlich musste der sofort nachlegen. »Ma’m, unter diesen Voraussetzungen werde ich Ihrem Ansinnen selbstverständlich entsprechen. Darf ich dennoch darauf hinweisen, dass es angebracht wäre, dass wir unseren Status als Quasiprototyp gegenüber Herrn Duras als Vertreter der Erdregierung verschweigen.«

      Coulthards Miene wurde frostig. »Commander De Sutton, Sie dürfen annehmen, dass die Admiralität Ihre Einwände bedacht und den Befehl in Kenntnis aller zu erwägenden Details getroffen hat. Setzen Sie sich bitte mit dem Problem der Unterbringung auseinander. Der Leibwächter des Botschafters wird ebenfalls eine Unterkunft benötigen. – Watanabe! Sorgen Sie für die erforderlichen Sicherheitsprotokolle und unterbreiten Sie mir bis zwanzighundert Ihre Vorschläge. Hawk, MacNiall, der Botschafter erwartet morgen um null achthundert auf dem Gelände der Admiralität seine Abholung. Prüfen Sie die Fähre und machen Sie sich mit den Sicherheitsstandards vertraut, die Ihnen Watanabe übermitteln wird. Nayiga, ich erwarte Vorschläge, um den Botschafter adäquat zu unterhalten. Und Doktor Tipton ...«

      »... überprüfen Sie die medizinische Datenbank nach entsprechenden Einträgen«, brummte Tipton. Sein ohnehin faltiges Gesicht wirkte noch zerknautschter als zu Beginn der Einsatzbesprechung.

      »Sie sagen es.« Coulthard lächelte. »Ich empfehle mich.« Bei diesen Worten erlosch das Bild des Botschafters und Coulthard verließ den Raum.

      Dees Blick blieb an dem antiken Breitschwert hängen, das an der Wand des Besprechungsraums hinter Coulthards Sitz hing. Es war der einzige persönliche Gegenstand im Raum. Warum nur musste sie bei seinem Anblick an das berühmte Damoklesschwert denken?

      Nayigas leises Atmen im Bett über ihr störte Dee beim Einschlafen.

      Die Fähre war überprüft. Es gab nichts, worüber sie sich Sorgen machen musste.

      Außer diesem Traum, der nichts zu sagen hatte. Wenn morgen etwas schieflief, dann war es Hawks Schuld und nicht die ihre. Und Hawk wirkte nicht so, als würden ihm Fehler unterlaufen. So selbstsicher waren alle Piloten. Warum sollte er eine Ausnahme sein?

      Sie sollten also den Botschafter der Erdregierung befördern. Die CFF Nyx! Ein Quasiprototyp mit einer Crew, die noch nie zusammengearbeitet hatte. Was dachte sich die Admiralität dabei? Das war doch Irrsinn! War Coulthard so karrieregeil, dass sie sich um den Job geprügelt hatte?

      Coulthard, Coulthard ... Woher kannte sie den Namen?

      In Dees Hirn regte sich nichts. Bis auf die Gewissheit, den Namen schon gehört zu haben.

      Oder gab es einen guten Grund, ausgerechnet die Nyx mit diesem Auftrag zu betrauen? Dee rieb sich die Stirn. Abschreckung. Würde die Erdregierung davon ausgehen, dass der Botschafter auf einem Prototyp befördert wurde? Niemals. Gesetzt den Fall, die Erdregierung käme zu dem Schluss, die Koloniale Flotte hätte eine ganze Flotte dieser Schiffe, könnte das dazu führen, einen geplanten Angriff zu verzögern?

      Ja, das wäre denkbar. Aber nur, wenn sie es schafften, dem Botschafter eine reibungslos funktionierende Crew und ein ebenso reibungslos funktionierendes Schiff zu präsentieren. Aber Coulthard schaffte das – falls De Sutton den Mund hielt.

      Dee wurde kalt. War das etwa die Coulthard? Die Frau, die die CFF Argos in der Schlacht um Hekate befehligt hatte? Ein Mitglied der Schattenabteilung des Geheimdienstes, hieß es damals. Niemand hatte das Gerücht bestätigt. Aber nur ein Mitglied der Schattenabteilung hätte die entsprechenden Informationen und Befehlsgewalt innegehabt, um Coulthards eigenmächtige Entscheidungen in der Schlacht um Hekate zu rechtfertigen. Und wie sonst wäre zu erklären gewesen, dass Admiral Nikolajewa Coulthards Entscheidungen nachträglich in aller Öffentlichkeit gutgeheißen hatte?

      Das erklärte einiges. Wo war sie da nur hineingeraten? Und das alles nur, um Paul zu vergessen! Er würde sich totlachen, wenn er davon erführe.

      Dee schlang die Arme um den Oberkörper und drehte sich auf die andere Seite, den Blick der Wand zugekehrt.

      Paul war fort. Sie war allein. Endgültig.

      Nein, sie vermisste Paul nicht.

      Sie vermisste nur jemanden an ihrer Seite.

      Siobhans Gesicht erstand in ihrer Erinnerung. Dee sah sie lächeln. Fast glaubte sie, ihre Stimme zu hören. »Warte einfach ein Weilchen. Auch du wirst einen Mann finden, der dich liebt. So wie Seanan mich liebt.«

      Siobhans Gesicht verblasste, machte Dunkelheit Platz.

      Aus


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